Mittwoch, 17. Juni 2015

Zwei Wochen Deutschland

Vor zwei Wochen bin ich zurück nach Deutschland geflogen. Es ist... joa... den Umständen entsprechend.
Da ich ja gerne mit Zitaten arbeite, hier eins aus dem dritten Herr der Ringe-Film, das die Situation besser in Worte fasst, als ich es gerade kann: 

"How do you pick up the threads of an old life? How do you go on, when in your heart you begin to understand, there is no going back?"
(Walsh/ Boyens/ Jackson, Lord Of The Rings - The Return Of The King, 2003)

Es fällt mir schwer, zu realisieren (geschweige denn zu akzeptieren), dass dies kein immer länger werdender Urlaub in der Heimat ist und ich nicht nächste Woche, in einem Monat oder nach den Sommerferien zurück nach Schottland fliegen werde. In den vergangenen neun Monaten habe ich mir ein Leben in Glasgow aufgebaut. Zurück in Deutschland zu sein, fühlt sich an, wie in ein altes Leben eingetaucht zu sein. Eins, das man eigentlich hinter sich gelassen hat und jetzt wieder aufnehmen muss, auch wenn es irgendwie nicht mehr richtig passt und das gleichzeitig nicht so ist, wie man es zurückgelassen hat. Während ich einerseits versuche, nach dem geregelten Tagesablauf als FLA wieder in das zeitlich völlig frei gestaltbare (solange man Anmelde- und Abgabefristen einhält) Leben einer Studentin am Ende ihres Studiums zurückzukehren, muss ich es andrerseits irgendwie schaffen, dass aufzuholen, was ich in den letzten Monaten in Deutschland verpasst habe ("Wie? Mein Gas-Anbieter will mir einen neuen Vertrag andrehen?")

Direkt nach meiner Rückkehr bin ich nach Stuttgart zum Kirchentag gefahren. Der Hintergrundgedanke war, dass ich bei einem interessanten Event und umgeben von netten Leuten weniger Heimweh nach Schottland haben würde. Von einem Erfolg würde ich nicht unbedingt sprechen. Ich war genervt, dass alle um mich herum Deutsch sprachen - und dann war es auch noch eine süddeutsche Perversion der deutschen Sprache. Die vielen Leute und die Hitze haben mich fertig gemacht und auch wenn ich mit einer netten Gruppe der ESG gefahren bin, habe ich gemerkt, dass ich (zu?) lange nicht da war. Bei Gesprächen über vergangene Veranstaltungen, größere und kleiner Dramen und Pläne für die kommenden Wochen konnte ich nicht mitreden. Immerhin konnte ich alle Lieder beim Wise Guys-Konzert mitsingen. Trotzdem hat der Kirchentag wenig dazu beigetragen, mich wieder einzuleben.
So ganz resozialisiert bin ich auch jetzt noch nicht. Während der ersten Tage habe ich immer wieder versucht, das Gas bei meinem Elektroherd anzumachen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Aber manchmal visualisiere ich noch meinen schottischen Kühlschrank, wenn ich überlege, was ich einkaufen muss. Es gibt immer noch Straßen, an denen ich scharf nachdenken muss, aus welcher Richtung die Autos kommen (und trotzdem gucke ich meist zuerst in die falsche Richtung). Schüler ohne Schuluniform sehen einfach schlecht angezogen aus. Und warum muss man in Supermärkten eigentlich das Obst und Gemüse abwiegen? Ein umgekehrter Kulturschock. Dass Menschen um mich herum Deutsch sprechen, irritiert (und nervt) mich immer noch. Wenn ich vom Bahnhof nach Hause laufe, wünsche ich mir, es wäre die Buchanan Street. Und natürlich vermisse ich die Leute, die ich in Schottland kennengelernt habe. People make Glasgow.
However, people also make Germany. Ich bin von vielen Menschen so lieb empfangen worden. Bei manchen hätte ich gar nicht damit gerechnet. Jetzt versuche ich, Zeit mit diesen lieben Menschen zu verbringen. Ob beim gemeinsamen Essen in der Mensa (wenn ich für eine Stunde kein schlechtes Gewissen haben muss, dass meine Motivation für die Hausarbeit weit unter dem Gefrierpunkt liegt), in der ESG, beim Zumba oder einfach so. Wieder in Deutschland sein ist doof, aber zum Glück gibt es ja Freunde, für die es sich lohnt, wieder hier zu sein.