Montag, 13. Juli 2015

Rückblick und Tipps

Ich musste für verschiedene Organisationen einen "end of year survey" ausfüllen und über meine Zeit in Schottland und meine Erfahrungen berichten und Verbesserungsvorschläge machen. Das ist sicher auch ein ganz guter letzter Blogeintrag und weil ich, bevor ich nach Schottland geflogen bin, nach Erfahrungsberichten und Blogs früherer FLAs gesucht habe, dachte ich, ich könnte hier auch noch ein paar Tipps für zukünftige Fremdsprachenassistenten geben.

Rückblick:
Das dreiviertel Jahr in Schottland war auf jeden Fall ein Abenteuer. Ich habe viel erlebt, viele Menschen kennengelernt und viele neue Erfahrungen gemacht. Es war das erste Mal, dass ich länger als drei Wochen in einem englischsprachigen Land verbracht habe, was natürlich dazu geführt hat, dass ich eine ganze andere Perspektive hatte. Ich habe britischen Alltag kennengelernt, viel von Schottland gesehen und mit Sicherheit meine Sprachkenntnisse verbessert.
Wenn ich später Englisch unterrichte, werde ich meinen Schülern viel über Schule in Schottland erzählen können. Aber ich habe auch einen Einblick in das universitäre Leben bekommen, was für mich sehr interessant war. Ich wünschte, wir hätten in Deutschland auch so eine society-Kultur wie ich es an der Glasgow Uni gesehen habe.
In der Schule habe ich gemerkt, wie wichtig Kommunikation, Organisation und Zeitmanagement sind (ja, das wusste ich auch schon vorher, aber habe es doch in der einen oder anderen Situation nochmal vor Augen geführt bekommen) und habe selber auch gemerkt, wo ich noch an mir arbeiten muss. Außerdem habe ich einige Beobachtungen dazu gemacht, wie Klassensituationen den Unterricht beeinflussen, wie Schüler (-gruppen) sich innerhalb eines Schuljahres verändern können und wie vielfältig Schüler-Lehrer-Beziehungen sind. Und ich hoffe doch sehr, dass die Erfahrungen, die ich im Umgang mit den Schülern gemacht haben, mir auch im Referendariat helfen werden.

Ich bin der Meinung, dass es sich auf jeden Fall lohnt, diese Erfahrungen zu machen, auch wenn man Angst hat, dass neun Monate eine ziemlich lange Zeit sind, um von Familie und Freunden getrennt zu sein, und/ oder im Studium zu verpassen. Wenn man eine Fremdsprache studiert, sollte man einige Zeit in einem Land gelebt haben, in dem diese Sprache gesprochen wird. Außerdem bin ich der Meinung, dass jeder Auslandsaufenthalt einen unabhängiger und selbstbewusster macht.

Tipps:

Bewerbung und Interview: 
  • Man muss ziemlich viel einreichen, also sollte man nicht erst kurz vor Bewerbungsschluss anfangen, alle Unterlagen zu sammeln. 
  • Für das Interview kann ich sagen: Macht euch nicht so viele Gedanken! Ich habe das Gefühl, dass es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, aber über NRW kann ich sagen, dass es ziemlich entspannt und ist nichts Übermenschliches verlangt wird. Man sollte eine Ahnung des aktuellen Tagesgeschehens haben und ein bisschen was über das Schulsystem des anderen Landes wissen (meine Interviewerin hat aber auch nicht gemerkt, dass ich das englische und nicht das schottische Schulsystem beschrieben habe - mir ist das auch erst aufgefallen, als ich in Schottland war) und in der Lage sein, ein paar halbwegs logische Didaktik-Ideen zu entwickeln (allerdings wissen die Lehrerinnen auch wenig von der wirklichen Situation vor Ort - zumindest ich hatte das Gefühl, dass sie die deutschen Schüler als Maßstab vor Augen hatten). Hier habe ich etwas ausführlicher von meine Bewerbung und dem Interview berichtet.

Vorbereitungen:
  • Spart vorher genug Geld. Das Gehalt bekommt man immer erst am Ende des Monats, d.h. dass man den gesamten ersten Monat vorstrecken muss. Das ist blöd, weil man im ersten Monat viele Ausgaben hat (Miete + Kaution, eventuell Sachen für die Wohnung, Hostel für die ersten Tage etc.). Es werden 1000 bis 1500€ empfohlen. Ich habe nicht so viel gebraucht, aber ich hatte auch Glück, weil ich für mein Zimmer keine Kaution zahlen musste und alles in der Wohnung vorhanden war.
  • Bevor ich geflogen bin, habe ich eine Kiste mit Material gemacht, das ich mitnehmen wollte. Ich muss aber sagen, dass die meisten Ressourcen, die ich wirklich gebraucht habe, digitaler Natur waren. Das Wichtigste, was ihr an Materialien mitnehmen solltet, sind Fotos. Und zwar von allem. Von eurer Stadt, von Deutschland, von Schulen, Weihnachtsmärkten, Pfandautomaten, Laternenumzügen, Karneval, Mülltonnen, Supermärkten - was auch immer euch irgendwie sinnvoll erscheinen könnte. Ich habe zu den verschiedenen (christlichen) Festen Präsentationen gemacht und da eben auch immer Fotos eingefügt und ich glaube, die Schüler fanden es schon cool, wenn sie mich darauf auch entdecken konnten. Ich fand es so persönlicher; die andere Assistentin an meiner Schule wollte das lieber nicht machen, was ich auch verstehen kann, aber ich glaube nicht, dass es irgendwie schädlich für mich war, dass ich die Schüler Foto von mir als 10-jährige gesehen haben. Ansonsten habe ich auch Lieder mit den Präsentationen verbunden (z.B. "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne"), was den Schülern meistens gefallen hat. Die Lieder gibt es natürlich auf diversen Video-Seiten, aber es ist vielleicht nicht schlecht, euch eine Liste zu machen. Außerdem funktioniert YouTube oft nicht in der Schule. 
  • In der Broschüre vom PAD steht auch was von kleineren Werbegeschenken für Verlosungen o.ä. Das hatte ich nicht dabei, allerdings fand eine Schülerin meinen deutschen Kuli von irgendeiner Bank, glaube ich, so cool, dass sie ihn gegen einen Bleistift eingetauscht hat. Wenn ihr also irgendwie an sowas kommt, könnt ihr das natürlich mitnehmen und da unter's Volk bringen. 
  • Wenn ihr rechtzeitig vorher mit eurer Schule Kontakt habt, könnt ihr auch nach fragen, was ihr mitbringen sollt, allerdings hatte ich bei meiner PT das Gefühl, dass sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht oder es mit ihren Kolleginnen abgesprochen hatte. 
  • Ich habe ein paar Bücher mitgenommen, aber das hat sich nicht so richtig gelohnt. Zwei Lernkrimis habe ich in der Schule gelassen, aber ich habe gar nicht mit ihnen gearbeitet, weil ich, was das Sprachliche angeht, im Grunde nur sprechen geübt habe oder im Unterricht, den die Lehrerin geplant hatte, dabei war und geholfen habe. Ich hatte auch ein paar Pixi-Bücher dabei, die ich auch in der Schule gelassen habe, aber auch mit ihnen habe ich nicht viel gearbeitet. Was ich zum Lesen vorbereitet habe, war kurze Geschichten in sehr einfachen Sätzen zu schreiben und die mit Bildern zu versehen, so dass die Schüler (Zielgruppe war Grundschule) anhand der Bilder und den Wörtern, die sie kennen, den Text verstehen konnten. Eine Kollegin hat das Ganze weitergeführt und in eine Schreibaufgabe verwandelt, in dem sie Teile aus den Sätzen gelöscht hat und die Schüler eigene Wörter einfügen mussten, um so eine neue Geschichte zu schreiben.
  • WICHTIG: Die meisten Gedanken macht man sich natürlich über die Zeit im Ausland, aber man sollte auch daran denken, dass die Zeit in Deutschland weitergeht. Wenn ihr noch nicht mit dem Studium fertig seid, müsst ihr vielleicht Prüfungen machen, wenn ihr wiederkommt, für die ihr euch vorher anmelden müsste. Oder je nachdem, wohin ihr ins Referendariat geht, fällt die Anmeldefrist in die Zeit, die ihr im Ausland seid. Sucht euch also jemanden, dem ihr eine Vollmacht ausstellt, damit die Sachen für euch geregelt werden. Macht der Person eine Liste mit Fristen und Dokumente, die eingereicht werden müssen, und stellt sicher, dass diese Dokumente bereits zusammen gestellt sind. 
Ankunft:
  • Ich bin knapp eine Woche vor Schulbeginn nach Glasgow geflogen, um eine Wohnung zu suchen. Zwar hatte ich vorher schon auf diversen Seiten im Internet geguckt, ich denke nicht, dass man einen Vertrag abschließen sollte, bevor man sich die Wohnung und die Umgebung mit eigenen Augen angesehen hat. Vermutlich reicht es, sich auf einer Wohnungssuchplatform (wie flatshare oder easyroommate) einen Account zu machen (auf Gumtree kann man übrigens suchen, ohne einen Account zu haben) und im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, für eine oder zwei Wochen in einen Bezahl-Account zu investieren. Ich habe auch ohne einen bezahlten Account etwas gefunden, aber auf einige interessante Anzeigen konnte ich nicht antworten, weil wir beide einen kostenlosen Account hatten. FLAs haben einen Studentenstatus und müssen keine Council Tax zahlen (man bekommt eine Bescheinigung vom British Council).
  • Bei der Wohnungssuche wird einem immer geraten, das nicht alleine zu machen. Das kann potenziell problemtisch werden, wenn man nicht wie ich eine Freundin aus Deutschland mitnimmt. Aber ich weiß, dass einige andere FLAs sich über Facebook oder Sonstiges verabredet haben und dann kann man ja auch zusammen gehen. Ansonsten gilt: Wenn einem die Gegend und/ oder der Vermieter komisch vorkommt, lieber was anderes suchen. Ich habe vorher gegooglet, welche Nachbarschaften als problemtisch gelten und im Erfahrungsbericht war mir vom Norden und Osten Glasgows abgeraten worden. Andrerseits habe ich einige kennengelernt, die in Ibrox gewohnt haben (problematisch wegen des Fußballstadions) und damit durchaus zufrieden waren. Am praktischsten, um Studenten zu treffen, ist das West End, aber da ist es auch manchmal etwas teurer. Ich fand es praktisch, in einer WG zu wohnen, weil man so schon mal Leute kennenlernt und es billiger ist.
  • Am Freitag vor dem ersten Schultag bin ich den Weg mit dem Bus schon mal Probe gefahren. Wenn ihr das macht, seht zu, dass ihr zu gleichen Uhrzeit losfahrt, wie am nächsten Tag auch. Ich hatte das Problem, dass der Bus morgens von einer anderen Haltestelle abfuhr als mittags.
  • Eigentlich müsstet ihr ein Treffen mit eurer local authority in den ersten Tagen haben, um den ganzen Papierkram auszufüllen. Es ist nicht schlimm, wenn man bis dahin noch keine Wohnung und kein Konto hat. Allerdings ist es günstig, dann schon zumindest eine Wohnung zu haben (sonst werden die Ergebnisse des ganze Papierkrams ans Hostel/ den Couchsurfer oder wo ihr sonst eure ersten Nächte verbringt, geschickt). Ein Konto kann man erst eröffnen, wenn man eine feste Adresse hat. Eine Bank finden, kann schwierig werden. Manche wollen ein Council Tax-Formular oder eine Rechnung, die an euch in die Wohnung geschickt wurde, sehen. Das Rental Agreement reichte nicht (immer). Wenn ihr bei einer Bank abgewiesen werdet, versucht es einfach bei der nächsten. 
  • Ihr müsst euch auch bei einem Arzt anmelden.
  • Auf alle bürokratischen Sachen werdet ihr aber auch von eurer local authority und dem British Council (mehrfach) hingewiesen.
Transport:
  • Die öffentlichen Verkehrsmittel in Glasgow sind privatisiert, d.h. es gibt mehrere Busunternehmen. Es gibt ein Ticket, um alle Verkehrmittel in Glasgow (Bus, U-Bahn, Zug) zu nutzen: die ZoneCard. Aber die ist teuer und lohnt sich nur, wenn man wirklich jeden Tag verschiedene Verkehrsmittel nutzt (außerdem muss man festlegen, welche Zonen man nutzen will, sie gilt nicht in ganz Glasgow). Ich hatte eine Zehn-Wochen-Ticket für den First Bus und habe kaum einen anderen Bus genutzt, weil First Bus Glasgow schon ziemlich gut abdeckt. Man muss halt nur gucken, in welchen Bus man einsteigt. Außerdem habe ich mir eine Smartcard für die U-Bahn gekauft. Damit sind die U-Bahn-Fahrten günstiger als wenn man sie normal kauft. 
  • Für weitere Wege habe ich mir die Railcard 16-25 geholt. Sie kostet zwar 30 Pfund, aber man zahlt dafür ein Drittel des normalen Zugpreises weniger. Sie gilt ein Jahr und auch dann, wann man während des Jahres 26 wird. Wenn man älter als 25 ist, kann man sich eine Bescheinigung der Uni ausstellen lassen, dass man noch studiert. Wie gut es damit geht, weiß ich nicht. Auch eine Coachcard für die Überlandbusse kann sinnvoll sein, denn auch damit bekommt man Rabatte beim Fahrpreis.
Schule:
  • Der Dresscode an meiner Schule war (für mich) nicht so streng, aber angesichts der Tatsache, dass die Schüler Schuluniformen tragen und die Lehrer doch auch ziemlich gut angezogen zur Schule kommen, habe ich die Jeans und gemusterte T-Shirts (abgesehen von Blümchen) doch im Schrank gelassen. Blusen habe ich nur selten getragen, aber recht häufig einen Rock oder Kleid.  An anderen Schulen war der Dresscode aber auch strenger.
  • Seid nicht enttäuscht, wenn die Schüler nicht das Niveau haben, dass ihr von deutschen Schülern im Englischunterricht kennt. 
  • Meine Kolleginnen waren immer offen für Ideen und haben mich Sachen machen lassen. Von anderen Schulen habe ich leider auch anderes gehört, aber versuchen sollte man es immer, finde ich. Einfach mal mit den Lehrern sprechen, einen Vorschlag machen und gucken, wie der angenommen wird. Man sollte natürlich schon irgendwie realistisch bleiben und Einwände/ Ratschläge ernst nehmen. Amelie und ich hatten z.B. vor St. Martin überlegt, wir könnten mit den Kindern Laternen basteln. Im Goethe-Institut hatte und eine Frau eine Laterne gezeigt, die man ganz einfach aus einer abgeschnittenen Wasserflasche basteln kann. Laura fragte uns daraufhin, ob wir denn die Wasserflaschen alle selber abschneiden würden (sie sah vermutlich mehrere abgeschnittene Finger auf sich zukommen). Da haben wir dann schnell beschlossen, es mit den Laternen sein zu lassen. 
  • Wie oben erwähnt: Kommunikation, Organisation und Zeitmanagement sind sinnvoll. Wenn ihr mit den Schülern etwas Außergewöhnlicheres machen wollt, fragt rechtzeitig bei den Lehrern an und erzählt denen, was ihr euch vorstellt, wie das organisiert werden soll, wie lange ihr dafür braucht und ob ihr eventuell Hilfe dabei braucht.
  • Projekte sind schön, bieten Abwechslung und helfen dabei, die Schüler besser kennenzulernen und eine Funktion an der Schule zu haben. Hilfe gibt es beim British Council (wir haben da eine Liste mit vergangenen Projekten als Inspiration bekommen) oder auch bei UK-German-Connection. Bei Projekten ist ein Zeitplan ganz wichtig. Aber man muss auch flexibel sein und Schritte/ Aufgaben anpassen, für schnelle Schüler in der Hinterhand haben oder streichen können.
  • Klingt vielleicht blöd, aber ich finde das auch wichtig: Unterhaltet euch mit den Lehrern auch mal über andere Sachen als den Deutschunterricht. Dazu müssen natürlich die Gelegenheit und die Bereitschaft der Lehrer da sein. Aber ich fand es immer sehr schön, mit Laura und Victoria zusammen zu Mittag zu essen und dabei über verschiedene Dinge zu quatschen - sei es mein letzter Wochenendausflug oder die Gerüchte, die über die Lehrer in der Schülerschar umher gehen.
Freizeit/ Reisen:
  • Auf jeden Fall reisen! Wenn man Glück hat, hat man einen Tag frei. Wenn man ganz viel Glück hat, ist es der Montag oder der Freitag. Aber es gibt ja auch Ferien und die Zeit solltet ihr nutzen, um euch viel vom Land anzugucken.
  •  In Hostels bekommt man mit dem internationalen Studentenausweis oder eine Jugendherbergskarte Vergünstigungen (das steht dann im Zweifelfall auf der Seite).
  • Ich bin Historic Scotland und dem National Trust für ein Jahr beigetreten. Historic Scotland hat sich gelohnt, der National Trust nicht ganz so. Am besten vorher mal gucken, welche Sehenswürdigkeiten die beiden anbieten. 
  • ISUK Tours an der Uni Glasgow bieten Tages- und manchmal auch Wochenendausflüge zu Studentenpreisen für Studenten in Glasgow und Paisley an. Man muss die Karten an der Uni kaufen. Es gibt eine Facebookseite (und -gruppe), die die Fahrtziele und Ticketverkäufe veröffentlicht.
  • Besucht Assistenten in anderen Städten.
  • Um Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen bieten sich, gerade in Städten mit Unis, die Societies (Clubs) der Unis an. An der Uni Glasgow ist eigentlich für jeden was dabei (von joggen über Harry Potter bis zu religiösen Gruppen). Über die German Society habe ich z.B. meine Tandempartner gefunden - etwas was ich auch sehr empfehlen kann. Man spricht dann zwar auch wieder Deutsch, darf aber auch mal hemmungslos alle Fragen über die englische Sprache stellen, die man sich sonst nicht zu fragen traut. 
Das ist jetzt eine ziemlich lange Liste mit Tipps geworden, aber ich hoffe, dass sie weiter hilft. Ich weiß, dass ich vor meiner Abreise total nervös war, und versucht habe, so viele Informationen wie nur möglich zu bekommen. Es klingt vielleicht doof, aber macht euch keinen Stress. Es wird schon alles klappen. Manchmal muss man Geduld haben; manchmal klappen Sachen nicht auf Anhieb, aber verliert nicht den Mut. Ihr werdet sicher eine tolle Zeit haben!

Mittwoch, 17. Juni 2015

Zwei Wochen Deutschland

Vor zwei Wochen bin ich zurück nach Deutschland geflogen. Es ist... joa... den Umständen entsprechend.
Da ich ja gerne mit Zitaten arbeite, hier eins aus dem dritten Herr der Ringe-Film, das die Situation besser in Worte fasst, als ich es gerade kann: 

"How do you pick up the threads of an old life? How do you go on, when in your heart you begin to understand, there is no going back?"
(Walsh/ Boyens/ Jackson, Lord Of The Rings - The Return Of The King, 2003)

Es fällt mir schwer, zu realisieren (geschweige denn zu akzeptieren), dass dies kein immer länger werdender Urlaub in der Heimat ist und ich nicht nächste Woche, in einem Monat oder nach den Sommerferien zurück nach Schottland fliegen werde. In den vergangenen neun Monaten habe ich mir ein Leben in Glasgow aufgebaut. Zurück in Deutschland zu sein, fühlt sich an, wie in ein altes Leben eingetaucht zu sein. Eins, das man eigentlich hinter sich gelassen hat und jetzt wieder aufnehmen muss, auch wenn es irgendwie nicht mehr richtig passt und das gleichzeitig nicht so ist, wie man es zurückgelassen hat. Während ich einerseits versuche, nach dem geregelten Tagesablauf als FLA wieder in das zeitlich völlig frei gestaltbare (solange man Anmelde- und Abgabefristen einhält) Leben einer Studentin am Ende ihres Studiums zurückzukehren, muss ich es andrerseits irgendwie schaffen, dass aufzuholen, was ich in den letzten Monaten in Deutschland verpasst habe ("Wie? Mein Gas-Anbieter will mir einen neuen Vertrag andrehen?")

Direkt nach meiner Rückkehr bin ich nach Stuttgart zum Kirchentag gefahren. Der Hintergrundgedanke war, dass ich bei einem interessanten Event und umgeben von netten Leuten weniger Heimweh nach Schottland haben würde. Von einem Erfolg würde ich nicht unbedingt sprechen. Ich war genervt, dass alle um mich herum Deutsch sprachen - und dann war es auch noch eine süddeutsche Perversion der deutschen Sprache. Die vielen Leute und die Hitze haben mich fertig gemacht und auch wenn ich mit einer netten Gruppe der ESG gefahren bin, habe ich gemerkt, dass ich (zu?) lange nicht da war. Bei Gesprächen über vergangene Veranstaltungen, größere und kleiner Dramen und Pläne für die kommenden Wochen konnte ich nicht mitreden. Immerhin konnte ich alle Lieder beim Wise Guys-Konzert mitsingen. Trotzdem hat der Kirchentag wenig dazu beigetragen, mich wieder einzuleben.
So ganz resozialisiert bin ich auch jetzt noch nicht. Während der ersten Tage habe ich immer wieder versucht, das Gas bei meinem Elektroherd anzumachen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Aber manchmal visualisiere ich noch meinen schottischen Kühlschrank, wenn ich überlege, was ich einkaufen muss. Es gibt immer noch Straßen, an denen ich scharf nachdenken muss, aus welcher Richtung die Autos kommen (und trotzdem gucke ich meist zuerst in die falsche Richtung). Schüler ohne Schuluniform sehen einfach schlecht angezogen aus. Und warum muss man in Supermärkten eigentlich das Obst und Gemüse abwiegen? Ein umgekehrter Kulturschock. Dass Menschen um mich herum Deutsch sprechen, irritiert (und nervt) mich immer noch. Wenn ich vom Bahnhof nach Hause laufe, wünsche ich mir, es wäre die Buchanan Street. Und natürlich vermisse ich die Leute, die ich in Schottland kennengelernt habe. People make Glasgow.
However, people also make Germany. Ich bin von vielen Menschen so lieb empfangen worden. Bei manchen hätte ich gar nicht damit gerechnet. Jetzt versuche ich, Zeit mit diesen lieben Menschen zu verbringen. Ob beim gemeinsamen Essen in der Mensa (wenn ich für eine Stunde kein schlechtes Gewissen haben muss, dass meine Motivation für die Hausarbeit weit unter dem Gefrierpunkt liegt), in der ESG, beim Zumba oder einfach so. Wieder in Deutschland sein ist doof, aber zum Glück gibt es ja Freunde, für die es sich lohnt, wieder hier zu sein.

Sonntag, 31. Mai 2015

Die letzten Tage in Schottland

Denise ist am Sonntag nach Schottland gekommen, um hier ein paar Tage Urlaub zu machen. Am Dienstag fliegt sie zurück - und nimmt mich mit. Es ist schön, dass ich nicht alleine nach Deutschland zurückfliegen muss und jemanden dabei haben werde, die sehr gut versteht, warum ich traurig bin, dieses schöne Land zu verlassen.

Am Montag war Feiertag, also haben Denise und ich ihren Urlaub mit eineinhalb Tagen in Edinburgh begonnen. Mal wieder Edinburgh. Ich war in den letzten neun Monaten jetzt sicher vier oder fünfmal da. Einige Glaswegians würden mir das vermutlich schon als Verrat ankreiden. Glasgow und Edinburgh verbinden ähnliche Gefühle wie Düsseldorf und Köln. Ich kann nicht sagen, welche Stadt mir besser gefällt. Edinburgh ist wunderschön, keine Frage, aber ich finde die Stadt fast schon zu puppenstubenhaft und touristisch. Glasgow ist da irgendwie natürlicher. Ich liebe beide Städte. Deswegen sind Denise und ich Sonntag auch erstmal so durch die Stadt gestreift, bevor wir mit der Literary Pub Tour Bildung und Trinken verbunden haben. Ich habe die Tour schon vor zwei Jahren gemacht. An manche Sachen habe ich mich noch erinnert, andere sind mir wieder eingefallen und wieder andere sind entweder letztes Mal nicht gesagt worden (ganz besonders gegen Ende hatte ich das Gefühl, dass andere Schriftsteller erwähnt wurden), oder ich habe sie schichtweg nicht verstanden. Vor zwei Jahren hatte einer der beiden Schauspieler einen sehr starken schottischen Akzent. Dieses Mal wäre es mir vermutlich leichter gefallen, ihn zu verstehen, aber die Schauspieler sprachen sehr deutlich und kaum mit Akzent. Was auch anders zum letzten Mal war, war dass wir einen Mann und eine Frau war, was manchen Streitpunkten zwischen ihnen nochmal eine leicht andere Perspektive als beim letzten Mal gab. Ich fand die Tour wieder grandios und habe auch gemerkt, wie viele Sachen ich durch mein Studium und durch meine Staatsarbeit schon wusste und war stolz auf mich.
Montag waren Denise und ich zuerst im Castle. Wir hatten geplant, um halb acht aufzustehen und kamen uns damit sehr früh vor. Aber Jugendherbergen sind mittlerweile offenbar ein Ort für Frühaufsteher. Dass die ersten das Zimmer schon um vier Uhr verließen, bekam ich gar nicht mit. Allerdings waren es die anderen beiden Zimmermitbewohner, mit denen wir unseren Spaß hatten. Sie hatten einen Wecker gestellt, waren aber früher aufgestanden und hatten das Zimmer verlassen. Um sieben oder so klingelte also deren Handywecker und hörte nicht auf. Wir wurden sicher zehn Minuten beschallt, bis die zwei sich erinnerten, dass sie wohl was vergessen hatten...

Das Castle machte um halb zehn auf und als wir um zwanzig nach neun an der Esplanade ankamen, warteten da schon viele Menschen, die auch alle rein wollten. Wir kamen aber erstaunlich schnell voran und haben eine Führung mitgemacht. Auch hier erinnerte ich mich an ein paar Sachen vom letzten Besuch, habe aber auch einiges gehört, was ich vorher noch nicht wusste. Zum Beispiel ist James II. gestorben, weil er bei seiner Frau mit einer Kanone angeben wollte ("He liked the big guns.") und dann beim Abfeuern sich selbst so stark verletzte, dass er daran zugrunde ging. 
Diesmal habe ich auch die schottischen Kronjuwelen und den Stone of Scone gesehen. Schön sind die ja nicht unbedingt. Aber der Hauptzweck ist vermutlich, damit anzugeben. Und bescheiden sind Könige wohl nie.
In der Great Hall gab es ein Re-Enactment von einer Hofdame von Mary Queen of Scots, die die Lebensgeschichte der Königin erzählte und die neue Mode zeigte, die eben diese aus Frankreich mitgebracht hatte. "Shades of Green" waren in Frankreich der neuste Schrei, während unsere schottische Adelige noch in einem gelb-roten Kleid herumlief.
Wir haben noch einige Orte auf der Burg abgelaufen, die ich bei meinem letzten Besuch nicht gesehen hatte, darunter einen Raum mit netten Fensterbuchten, in die man sich bei Partys sicher gut zurückziehen und lästern könnte und die Kerker der Burg. Dort gab es ein paar Audio-Aufnahmen, auf denen Gefangene sprachen. Über den spanischen Akzent des einen mussten wir sehr lachen.
Nach der Burg gingen wir uns Writer's Museum und nach einer Mittagspause, liefen wir - weil wir noch nicht genug gelaufen waren - zum Parlament und Arthur's Seat, beschlossen aber, nicht bis ganz nach oben zu laufen. 

Auf dem Weg zurück zum Hostel kamen wir an einem Bus vorbei, in dem eine Mini Kunst/ Design-Ausstellung war. Ich habe kaum etwas von der Ausstellung gesehen, weil ich mich die ganze Zeit mit einem Videospiel beschäftigte, bei dem man einen Vogel über eine leere Leinwand fliegen lassen und Erdbeeren einsammeln lassen musste. Dort, wo der Vogel lang flog, entstand ein Bild, das im nächsten Level farbig ausgemalt und noch einen Level später weiter ergänzt wurde. Das war wunderbar entspannend und Denise musste mich förmlich davon los reißen.

Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hatte ich Schule und Denise musste ich alleine beschäftigen.
Mittwoch war bei mir in der Schule ein internationales Sportfest für die Erstklässler, eine Kooperation von mindestens Sport, Deutsch und Kunst. Die Schüler wurden in verschiedene Ländergruppen unterteilt (u.a. Deutschland, Schottland, Malaysia und Kenia) und traten in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Ältere Schüler sagten die Disziplinen und die Gewinner auf Deutsch an und eigentlich hätten die Schüler Sätze in den jeweiligen Landessprachen ("Hallo", "Ich komme aus...", "Viel Glück" usw.) lernen sollen, aber unser Suaheli- und Chinesisch-Kenntnisse waren dann doch zu schlecht, um das glaubhaft unterrichten zu können. Stattdessen haben sie die Sätze auf Deutsch gelernt. Die Kunstlehrerin hatte für Fahnen und Plakate gesorgt.
Ich durfte beim Sportfest dabei sein und habe die meiste Zeit bei den Schülern verbracht, die die Ansagen gemacht haben, und habe ihnen geholfen, die Wörter auszusprechen. "800m Mittelstreckenlauf" ist wirklich schwierig. Als Muttersprachlerin habe ich mich dann auch verpflichtet gefühlt, ab und zu etwas Deutsch zu sprechen und habe völlig willkürlich den Schülern "Los! Beeil dich!" oder "Gut gemacht!" zugerufen. Es war schon irgendwie lustig. Weniger lustig war, das auf dem Weg zurück zu Schule der Bus erst nicht ansprang, so dass 30 Schüler aus unserem Bus umgeladen wurden und der Rest auf den Mechaniker warten musste, und der Bus, als er dann endlich fuhr, rauchte und die Schüler aus der letzten Reihe nach vorne zu den Lehrern trieb, weil es hinten so stank, und wir alle froh waren, zur Schule zurückzukehren ohne dabei in die Luft zu fliegen.
Donnerstagabend haben Denise und ich Emily zum Essen getroffen. Ich muss mich schließlich nach und nach von alle den netten Menschen hier verabschieden. Aber ich hoffe ja, sie alle wiederzusehen.

Freitag waren wir in der Burrell Collection. In dem Museum werden Bilder, Statuen und anderer Kram gezeigt, den der reiche Unternehmer William Burrell gesammelt hat. Das Gebäude ist sehr cool, weil es eigentlich ein modernes Gebäude ist, aber immer wieder Torbögen oder Fenster aus alten Gemäuern eingebaut hat. 
Ein Teil der Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem Leben im 16. und 17. Jahrhundert. Dort kann man die Handarbeitserzeugnisse junger Mädchen der Zeit sehen. Es war schon krass, was die damals gestickt haben. Nicht nur Kissen, sondern auch z.B. Bezüge für Spiegelrahmen. Und die Stickereien waren dann teilweise noch mit Perlen verziert oder mit speziellem Garn aufgepeppt. Eine Frau auf einem Kissen hatte zum Beispiel lockige Haare aus gekräuseltem Garn. Wahnsinn, wie viel Arbeit da drin steckt. Aber die Mädchen hatten damals wohl auch nicht viel zu tun.
Wir waren auch bei den Ställen und hatten diesmal Glück, denn wir haben die Shire Horses gesehen, die gerade zum Ausritt aufbrachen. Leider zeigte sich das Wetter am Freitag von seiner schottischsten Seite. Der Vormittag war sehr schön, aber gerade als wir zum Bus zurück laufen wollten, fing es an zu regnen. Und zu hageln. Wir liefen zurück zur Burrell Collection und stellten uns da unter.



Abends waren wir im Doctor Who Symphonic Spectacular im SSE Hydro. Ein Konzert, bei dem verschiedene Musik-Stücke vom Soundtrack der Serie von einem Orchester und Chor live vorgetragen wurden und auf einer Leinwand zusammengeschnittene Szenen gezeigt wurden. Außerdem kamen einige der Aliens auf die Bühne! Das Spektakel begann mit einer Durchsage der Cybermen, dass die Menschen gehorchen müssten und Blitzfotografien nicht kompatibel mit der cyber technology seien. Peter Davison, der fünfte Doktor, führte durch das Programm und stellte gleich zu Beginn fest, dass Glasgow  eine besondere Bedeutung für Doctor Who hat, weil mehrere Mitglieder der Produktion in Glasgow geboren seien (wenn man den Großraum Glasgow etwas wohlwollend dehnt, stimmt das sogar) und sagte, dass er einen Algorithmus entwickelt habe und 87 zukünftige Doctors und 149 zukünftige Produzenten im Publikum säßen und Doctor Who somit für die nächsten 200 Jahre gesichert sei. 
Zwischendurch kamen die Daleks auf die Bühne und versuchten, dem Orchester und dem Dirigenten ihren Willen aufzuzwingen, aber zum Glück hatte der Dirigent einen Sonic Baton (baton = Taktstock). Auch die Ood tauchten mehrmals auf der Bühne auf. Genauso wie The Silence und andere Geschöpfe aus der Serie. Das Konzert war unglaublich cool und ich habe mich sehr gefreut, dass auch das Lied der Ood gespielt wurde.
Es war auch lustig, die anderen Zuschauer zu beobachten. Die richtigen Hardcore-Fans hatten Plätze im Parkett und wurden von Daleks und Cybermen umrundet. Ein Dalek fuhr sogar direkt in die Menge. Ich weiß nicht, ob das ein Versehen oder Absicht war. Um uns herum auf den Rängen saßen eher die gemäßigten Fans, die meistens nur Doctor Who T-Shirts trugen, wobei der Fes auch ein beliebtes Fan-Kleidungsstück war.

Für gestern hatten wir eigentlich geplant, ans Loch Lomond zu fahren, aber weil das Wetter im Moment so unberechenbar sind, haben wir uns dann doch entschieden, in Glasgow zu bleiben. Im Endeffekt hatten wir dann so gutes Wetter, dass wir doch zum Loch Lomond hätten fahren können, aber das konnten wir ja nicht wissen. Wir waren stattdessen im West End. Im Kelvingrove Museum haben wir und die Dinosaurier-Ausstellung angesehen und sind dann an der Uni vorbei zum Botanischen Garten gegangen, um da zu Mittag zu essen. In einem Secondhandladen habe ich mir noch einen Ladies Kilt gekauft und von dort sind wir in die Innenstadt geschlendert. Ein Tag mit viel Laufen und gutem Wetter zum Abschied nehmen von einigen der schönsten Ecken Glasgows.

Heute habe ich gepackt und festgestellt, dass ich zu viel Kram habe. Einige Pullis und Bücher (!) habe ich schon zum Charity Shop gebracht und werde auch meinen Anorak und Schuhe hier lassen. Es ist unglaublich, was man in neun Monaten alles so ansammeln kann. Zum Glück ist in Denises Koffer noch ein bisschen Platz für meine Sachen.

Samstag, 30. Mai 2015

Abschied von den Schulen

Ich befinde mich im Moment noch (oder wieder) in Denial. Es kann doch nicht sein, dass ich nur noch bis Dienstag in Schottland bin. Das ist einfach unmöglich. Ich bin doch gerade erst angekommen. Wie kann die Zeit nur so schnell vergehen?
Ein irgendwie untrügerischer Hinweis, dass es jetzt aber trotz aller Verneinung auf das Ende zugeht, war wohl der Abschied von den Schulen. In einer der Grundschulen rief ein Mädchen vor zwei Wochen schon völlig empört: "You can't leave now that we are coming to High School!" Ich habe ihr aus vollem Herzen rechtgegeben. Ich kann doch nicht einfach gehen...
In den Grundschulen sahen die Abschiede ganz unterschiedlich aus. Mal haben die Lehrerin und ich nicht mal erwähnt, dass es mein letzter Besuch in der Schule sein würde (sie hat sich aber hinterher bei mir für's Kommen bedankt), mal schrie einer der Jungen "NOOOOOOO!" als ich meine Jacke anzog und Anstalten machte zu gehen (er durfte mich dann nach unten begleiten). Die Schüler der einen Grundschule haben mir auch eine Karte pro Klasse und eine Kleinigkeit zum Abschied geschenkt. Das fand ich sehr süß.
Von der High School ist mir der Abschied besonders schwer gefallen. Gleichzeitig ist es aber noch so unwirklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich Montag NICHT zur Schule aufbreche. Ich habe es nicht geschafft, mich von allen Schülern zu verabschieden. In manche Klassen bin ich am Dienstag und Mittwoch reingegangen und habe Tschüss gesagt, aber nicht in alle. Durch den Feiertag am Montag war die Woche aber auch einfach verdammt kurz und am Mittwoch habe ich gar nicht unterrichtet. Mittwoch war ein Sportfest und ich dachte, dass ich die jüngeren Schüler dort eh sehe, aber die hatten da natürlich andere Sachen im Kopf; genauso wie die Highers am Dienstag, die ich kurz vor ihrer Deutschprüfung nun wirklich nicht damit behelligen wollte, dass es meine letzte Woche war. Von einer Higher-Schülerin habe ich aber am Tag danach eine Dankeschön-Karte bekommen, weil ich mit ihr so viel für die Prüfungen geübt habe. Die Schüler, von denen ich mich verabschiedet habe, fragten aber oft, wann ich denn wiederkäme.
Im März habe ich ja schon mit Victoria und Laura bei einem Abschiedsessen für Amelie und mich zusammen Abschied gefeiert, also haben wir an meinem letzten Schultag nur ein bisschen in der Base gesessen und gepicknickt. Ich hatte einen Rhabarberkuchen gebacken und Laura hatte Brot, Käse und Garnelendipp dabei. Sie und Victoria haben mir eine riesige Sorry you're leaving-Karte überreicht, in der ziemlich viele Schüler (darunter alle meine Schüler vom Legendenprojekt, wenn ich das richtig sehe) unterschrieben hatten. Das hat mich total gefreut. Irgendwann konnte ich den Abschied von meinen Kolleginnen aber nicht weiter rausschieben (schließlich warte Denise auf mich). Also habe ich den Abschied auf meine ungeschickte Weise mich zu verabschieden hinter mich gebracht und habe mit einem komischen Gefühl die Schule verlassen. Immerhin habe ich in meiner Karte, die ich den beiden geschrieben habe, bessere Worte gefunden als beim Abschied. Geweint habe ich erst am Tag danach, als ich auf dem Rückweg von der Grundschule nun zum wirklich allerletzten Mal an der Schule vorbeifuhr. 
Auch wenn es manchmal schwierig war, werde ich die meine Tätigkeit als FLA, die Schüler (zumindest die meisten) und natürlich meine Kolleginnen sehr vermissen. Es hat mir Spaß gemacht, über Deutschland zu erzählen und mir unterschiedliche Sachen zu überlegen, um mit den Kindern Deutsch zu üben. Und ich habe ziemlich viel gelernt. Über Schüler-Lehrer-Beziehungen, Unterrichtvorbereitungen, Zeitmanagement, Kommunikation... Wenn ich könnte, würde ich direkt nochmal anfangen.

Samstag, 23. Mai 2015

Schottlands Ruhrgebiet

Die Erstklässler haben vor einiger Zeit Die Vorstadtkrokodile 2 gesehen. Als Ruhrpottlerin mit Migrationshintergrund habe ich ihnen bei der Gelegenheit eine Präsentation über das Ruhrgebiet gezeigt und dabei festgestellt, dass auch die Umgebung um Glasgow herum eine Bergbau-Vergangenheit hat. Irgendwie ist das logisch. Ich hatte ja von Schiffswerken am Clyde und Stahltransport auf dem Wasser gehört, aber nicht eins und eins zusammengezählt.

Heute Vormittag bin ich nach Coatbridge gefahren und habe mir das Summerlee Museum of Industrial Life, das zur Häfte ein Freilicht- und zur Hälfte ein überdachtes Museum ist. Als ich darauf zulief, erinnerte es mich schon irgendwie an Zollverein, auch wenn der Förderturm, den ich später gesehen habe, sehr viel weniger imposant war, und in die ausgestellte Lore höchstes halb soviel Kohle passt wie in die, die man in Essen sieht. Da wurden mir die Dimensionen von Zollverein noch mal so richtig bewusst. Allerdings sind die meisten Ausstellungsstücke in Summerlee mindestens aus den 1930er Jahren, während Schacht XII von Zollverein jünger ist.
Ein Kran oder ein Kamel?

Das Museum beschäftigt sich aber nicht nur mit Bergbau sondern mit ganz vielen verschiedenen Industrien. Die Stahlproduktion scheint hier noch eine größere Rolle als Kohleabbau gespielt zu haben, aber sogar ein Webstuhl war ausgestellt, weil Weben auch lange eine wichtige Industrie um Glasgow denkt. Paisley, 11 km östlich von Glasgow, war im 19. Jahrhundert das Zentrum der Web-Industrie - und Namensgeber des Paisley-Musters (auch wenn das Muster an sich ursprünglich aus dem persischen Raum kommt).
Man kann einige Maschinen im Museum bewundern und an einer Art Simulator versuchen, ob man das Zeug dafür hat, um an einem Hochofen zu arbeiten (mir ist das Ganze zweimal um die Ohren geflogen). Es wird aber auch sehr viel Wert auf die sozialen Bedingungen gelegt. Es gibt Informationen über Fabrik- und Bergwerkbesitzer, die reich waren und viel Einfluss hatten und sich gegenseitig auf Dinnerpartys unterhalten haben, während die Arbeiter es natürlich längst nicht so gut hatten, zu siebt in einem Raum lebten, die Kinder nicht zur Schule schicken konnten und sich überwiegend von Brot, Kartoffeln und Haferbrei ernährten. Deswegen haben die Arbeiter auch "friendly societies", um sich gegenseitig zu unterstützen. Weil Hausfrauen da nicht aufgenommen wurden, gründeten sie ihre eigene Society, in der sie neue Sachen lernen konnten und mit Politik in Verbindung kamen. Die Frauen von Coatbridge machten zum Beispiel eine Ausstellung, bei der sie ihre Handarbeit-Erzeugnisse zeigten.
Wie auch im Ruhrgebiet sind viele Menschen aus anderen Ländern in die Umgebung von Glasgow gezogen, um in den Fabriken/ Bergbau zu arbeiten. Zuerst waren es vor allem Iren, später auch Asiaten und Osteuropäer. Durch diese Abteilung bin ich aber falschrum gelaufen und war etwas verwirrt, was die traditionelle litauische Tracht in der Vitrine zu suchen hatte, bevor ich das Schild im nächsten Glaskasten las.
Im Open Air-Teil des Museums kann man mit einer alten Tram zu einem Arbeiter-Straßenzug fahren (ich bin aber zu Fuß hingegangen). Jedes Haus in dem Straßenzug stellt ein anderes Jahrzehnt dar und zeigt wie die Menschen damals gelebt haben. Es ist interessant zu sehen, wie innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren die Wohnungen größer und besser eingerichtet werden. Und aus der Wohnung der 1980er kamen mir tatsächlich Sachen bekannt vor - diese komische Puppe mit dem unförmigen Kopf zum Beispiel. Was mich allerdings irritiert hat, war die Wäscheleine zwischen den Häusern. Die Wäsche dort wird nicht lange sauber gewesen sein. 

Umfassend gebildet ging es also wieder nach Hause zum Eurovision Song Contest. Ich habe herausgefunden, dass ich bei meinem Fernseher Untertitel zu den Liedern einstellen und mitsingen kann. Das ist besonders bei den Liedern, deren Sprache ich nicht kann sehr lustig. Ich finde, es sollte die Regel werden, dass alle Teilnehmer in ihrer Landessprache singen sollen und dann die Zuschauert mit Untertiteln zum Mitsingen versorgt werden.

Einmal zum Leuchtturm und zurück

(Keine Angst, dieser Post wird nicht so ausführlich wie Virginia Woolfs To The Lighthouse ;-))

Gestern habe ich meinen Tandempartner in Montrose besucht. Wir hatten uns eine ganze Weile nicht gesehen (Montrose ist ein ganzes Stück von Glasgow entfernt - es liegt zwischen Dundee und Aberdeen) und es war sehr schön, ihn mal wiederzusehen. Außerdem habe ich so einen weiteren Flecken von Schottland kennengelernt. Ich glaube, Matthew hat sich zuerst ein paar Sorgen gemacht, ich könne mich langweilen, weil Montrose recht klein ist. Zum Vergleich: Es hat ungefähr die Hälfte der Einwohner meiner Geburtsstadt. Aber ich war ja in den Osterferien auf Orkney. Mich schockt nichts mehr. Außerdem hatte ich auf Facebook Fotos gesehen, die er von Montrose gepostet hat (u.a. besagten Leuchtturm) und die hatten mir gut gefallen. Und ich fand es nur gerecht, dass ich auch einmal den Weg auf mich nehme, um ihn zu treffen.
Bevor wir die Wanderung zum Leuchtturm wagen wollten, beschlossen wir aber doch erst mal eine Kaffee/ Tee-Pause einzulegen. Auf dem Weg zum Café zeigte Matthew mir auch seine alte Schule, die als Besonderheit eine golden angestrichene Kuppel hat. Die nächste Exkursion der Theologie kann also problemlos nach Schottland gehen. Hier gibt es nicht nur die rote Erde wie in Edom (ihr erinnert euch an Hoy); auch die schöne Kuppel des Felsendoms ist hier zu finden. Was will man mehr?
Danach sind wir zum Leuchtturm gelaufen und ich stellte fest, wie schön es an der Küste doch ist. Das Meer wird mir fehlen, wenn ich zurück nach Deutschland komme. Obwohl der Himmel nicht so ganz vielversprechend aussah, kamen wir trockenen Fußes am Leuchtturm an und auch wieder zurück in die Innenstadt, wo wir auf einmal merkten, wie schnell der Nachmittag herumgegangen war (ich hätte schwören können, dass es frühestens halb sechs und nicht viertel nach sieben war). Ich bin fest davon überzeugt, dass die Uhren sich seit dem Beginn des Jahres viel schneller drehen als vorher.

Dumbarton Castle

Als ich vor meinem Ausflug nach Inverness im Lehrerzimmer erzählte, dass ich zum Urquhart Castle wolle, fragte Laura mich, warum gerade Urquhart Castle. Irgendwie hat mich diese Frage verwirrt, weil ich davon ausgegangen war, dass das ein recht beliebtes Touristenziel ist. Schließlich liegt es am Loch Ness und was dieses Loch betrifft, flippen ja alle Touristen total aus und auch wenn ich hier lebe und arbeite, klappere ich ja schon auch die Touristenorte ab. Auf das Dumbarton Castle bezogen hätte ich diese Reaktion noch verstanden (viel kleiner) - obwohl das auch sehr schön ist.
Als ich nach Helensburgh gefahren bin, kam ich durch Dumbarton East und las auf dem Schild "Alight here for Dumbarton Castle". Ich dachte mir spontan, dass ich mir das doch auch mal ansehen sollte und bin Dienstag nach der Schule hingefahren. Es war nur eine semi-gute Idee, weil ich ziemlich hetzen musste und als ich am Castle ankam, war ich eigentlich schon zu spät dran. Ich hatte zwar im Internet die Öffnungszeiten nachgeguckt, aber Historic Scotland (oder die Mitarbeiter auf der Burg) hatten spontan beschlossen, doch schon um fünf und nicht erst um halb sechs zuzumachen, ohne das auf der Website zu vermerken. Ich war um viertel vor fünf da und mir wurde gnädigerweise eine halbe Stunde zur Besichtigung eingeräumt. 
Der erste Schock kam allerdings schon lange, bevor ich an der Burg ankam. Nämlich, als ich in die Straße einbog und Folgendes sah:
Oh, verdammt, würde ich den ganzen Berg hoch müssen?
Ich musste den ganzen Berg hoch, aber es ging erstaunlich gut, weil da Treppen waren. Die Aussicht war toll und die Burg fand ich auch super. Das Tor hat mich sehr an Ronja Räubertochter erinnert. Ich wäre gerne noch ein bisschen da geblieben, aber ich hatte ja nur 30 Minuten Zeit.

Die Wolfsklamm mit Stufen ;-)