Samstag, 31. Januar 2015

Die Wetterhexe dreht durch

Nachdem das Wetter in St Andrews durchaus reiseförderlich war, beschloss ich, dass Ausflügen im Januar ebenso wenig (oder genauso viel) entgegenzusetzen seien wie Ausflügen im November und entschied, auch am ISUK-Ausflug dieses Wochenende teilzunehmen. Amelie war dieses Mal auch wieder mit von der Partie. Also kaufte ich die Tickets und beschloss, dass wir gutes Wetter haben würden. Heute hatten wir dann alle vier Jahreszeiten und sämtliche Wetterlagen an einem Tag.
die Discovery

Wie üblich ging es um acht Uhr los. Nach 90 Minuten erreichten wir Dundee, die viertgrößte Stadt Schottlands, die aber eigentlich ziemlich winzig ist. Dundee liegt am Fluss Tay und dort passierte das Zugunglück auf der Eisenbahnbrücke, das Theodor Fontane zu seiner Ballade "Die Brück' am Tay" inspirierte (die habe ich ja schon mal im Post zum Highland Experience Day erwähnt). Außerdem wurde die RSS Discovery, mit der die erste offizielle britische Antarktisch-Expedition 1901 bis 1904 durchgeführt wurde, in Dundee gebaut und ist dort heute auch ausgestellt. Von dieser Expedition wurden Pinguin-Eier mitgebracht, weswegen die Stadt verrückt nach Pinguinen ist. 
Ich hatte schon verschiedene Fotos von den Pinguinen vor der Steeple Church gesehen und wollte auch unbedingt eins (oder mehrere) machen. Da sich aber die gesamte Reisegruppe zuerst zu den Pinguinen aufzumachen schien, beschlossen Amelie und ich, uns zuerst etwas Anderes anzusehen. Unser erstes Ziel waren die McManus Galleries, ein neogotisches Gebäude mit einer imposanten Treppe, auf der man sich sehr herrschaftlich fühlte. Natürlich konnten wir es nicht lassen, da Fotos zu machen. Danach gingen wir zum Tay und schauten uns das Schiff an.

McManus Galleries


Erst dann hatten wir bei den Pinguinen freie Bahn und haben eine ausführliche Fotosession gemacht. Wer kann es sich schon verkneifen, hinter einer Reihe Pinguine selbst einen von ihnen zu mimen? Richtig, niemand. Und nicht nur wir, sondern auch unsere plüschigen Reisebegleiter mussten posieren. Ein kleines Kind, vielleicht zwei Jahre, sah staunend zu, wie wir die Tierchen zwischen den Pinguinen drapierten. Aber es hat sich vorbildlich verhalten und die Kuscheltiere nicht angerührt.





Nach der Fotoaktion mussten wir auch schon wieder zurück in Richtung Bus und haben es dadurch nicht mehr zu der Eisenbahnbrücke geschafft. Unser Bus stand übrigens direkt am Capitol - ich wusste gar nicht, dass Panem in Schottland liegt. ;-)
Von Dundee aus fuhren wir zum Dunnottar Castle, eine Burgruine direkt an der Nordsee. Sie diente als Inspiration für die Burg in Merida. Amelie und ich stellten uns den Aufenthalt der Burg folgendermaßen vor: An den Klippen entlang spazieren, zum Strand, der auf dem Itinerary erwähnt wurde, herunter gehen, die atemberaubende Sicht auf Burg, Klippen und Nordsee genießen und ganz ganz viele tolle Fotos machen. Auf dem Weg zur Burg wurde uns aber schon mitgeteilt, dass sie wegen des Windes geschlossen sei. Nun ja, wir wollten ja nicht rein.

Als wir am Castle ankamen, sah das Wetter auch vielsprechend freundlich aus, aber kaum hatten wir den Bus verlassen, merkten wir, wie stark der Wind wehte. Ich richtete meine Kleidung windfest (Kapuze meiner Sweatshirtjacke auf, Mütze drüber und auch der Schal außen um die Kapuze herum), merkte aber, dass meine Stulpen, die meine Hände und Finger in Deutschland immer herrlich warm halten, nicht viel nutzten, weil der Wind trotzdem einen Weg zu meinen Fingern fand. Das war aber mein geringstes Problem. Der Wind war so kräftig, dass wir fast fürchteten, umgeweht oder direkt von der Klippe gefegt zu werden. 



 



Aber abgesehen vom Wind war das Wetter in Ordnung und so gingen wie die Stufen Richtung Burg herunter. Die Burg steht auf einer Klippe, aber um zu ihr zu gelangen, muss man erst einen Hügel herunter gehen, bevor man wieder zu Burg hinaufsteigen kann. Wir wollten aber nicht zur Burg (die ja eh geschlossen war), sondern zur der kleinen Buch unterhalb. Das letzte Stück des Weges führte einen schlammigen, teilweise begrasten Abhang herunter, den Amelie und ich geradezu graziös bewältigten - besonders im Vergleich zu einigen anderen Mädels, die ein bisschen alltagsunfähig wirkten (Nein, man rutscht nicht auf dem schlammigsten Teil des Wegs herunter, nur weil der in der Mitte ist...). An Steinstrand beobachteten wir fasziniert die Wellen, die gegen die Klippen und Felsen schlugen und guckten ungläubig dabei zu, wie zwei Jungs aus unserer Gruppe in die eiskalte Nordsee sprangen.

Als wir den Abhang und die Stufen wieder hoch kletterten, begann es zu regnen. Und dann kamen noch ein paar Schneeflocken oder winzige Hagelkörner dazu. Amelie entschied sich, zurück zum Bus zu gehen, aber ich wollte mir das Castle unbedingt noch aus einer anderen Perspektive ansehen. Trotz des ungemütlichen Wetter ging ich also auf die andere Seite und ließ mir Regen, Schnee und Hagel um die Ohren pfeifen.
Irgendwann wurde das aber auch mir zu viel und ich ging zurück zum Bus. Natürlich wurde es in dem Moment weniger und hörte kurze Zeit später ganz auf. Die Sonne kam raus und Amelie konnte sogar ein Foto machen, ohne dass sie zum Eiszapfen gefror, weil sie ihre Jacke nicht an hatte. Aber kaum saßen wir wieder im Bus, schlug das Wetter wieder um. Verrückt.




Für die Geschichtsfans ein paar Worte zur Burg: Die meisten der heute vorhandenen Gebäude stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, aber es stand schon viel früher eine Festung an diesem Ort. Während des Civil War im 17. Jahrhundert wurden dort die Kronjuwelen vor Oliver Cromwell versteckt. Und während der Jacobite risings war die Burg ein strategisch wichtiger Punkt. 
Im Sturm - das Weiße ist nicht der Geist ;-)
Nach dem 18. Jahrhundert verfiel die Burg allerdings, weil der damalige Earl Marischal auf der Seite der Jacobiter gekämpft und deswegen seine Titel verloren hatte.
Wie in jedem vernünftigen Schloss gibt es auch hier einen Geist. Die "grüne Lady" soll die Burg nach ihren verlorenen Kindern absuchen.
Wir hatten sehr viel Zeit für das Dunnottar Castle, von der wir am Ende einen großen Teil im Bus verbracht haben und auf die letzten gewartet haben, die dem Wetter trotzten. 




Um zehn vor zwei kamen wir in Aberdeen an und hatten knapp zwei Stunden für die Stadt. Zuerst war es kalt und windig, aber immerhin trocken. Amelie und ich gingen zum Strand. Wieder ein toller Anblick, wie die Wellen auf den Strand rollten und die Gischt spritzte.


Auf dem Weg in die Innenstadt fing es an zu regnen. Also gingen wir zuerst etwas essen und haben uns dann die Stadt im Regen angesehen.
Aberdeen wird auch "Granite City" (oder "Silver City") genannt, weil die Häuser der Innenstadt alle grau sind. Wenn das Capitol sich in in Dundee befindet, ist Aberdeen also definitiv District 2. ;-) "Silver City" ist aber auf jeden Fall ein Euphemismus. Ich fand die Stadt irgendwie trostlos und monoton. Vielleicht lag es am Wetter oder daran, dass wir wegen des Mittagessens nicht besonders viel Zeit hatten, irgendetwas zu sehen. Allerdings waren Amelie und ich auch in der Touristeninformation und haben nach Postkarten geguckt. Ich habe keine gefunden, die mir gefallen hat. Amelie hat eine gekauft. Irgendwie merkt man, dass Aberdeen eine Industriestadt ist, auch wenn die Gebäude nicht unbedingt modern sind. Im April werde ich Marit auf den Orkneys besuchen und dafür die Fähre von Aberdeen aus nehmen. Vielleicht macht die Stadt dann ja einen besseren Eindruck auf mich.






Aberdeen ist eine reiche Stadt, weil hier die Ölfirmen angesiedelt sind (es ist die Stadt mit der geringsten Arbeitslosenquote im UK). Vom Hafen aus hätten wir wohl die Ölplattformen sehen können, aber so weit sind wir gar nicht gekommen.
Komplett durchgefroren und pudelnass ging es um zwanzig vor fünf zurück nach Glasgow. Nein, es war nicht so schlimm wie die Tour nach Oban und zur Isle of Seil. Aber heute vermisse ich schmerzliche eine Badewanne.

Sonntag, 25. Januar 2015

Burns Supper

Am 25. Januar vor fast 300 Jahren (1759, um genau zu sein) wurde der schottisches Nationaldichter Robert Burns geboren. Er wurde wohl deswegen zum National Poet erhoben, weil er viele Gedichte in Scots und im schottischen Dialekt geschrieben habe, was zu seiner Zeit nicht sonderlich viele Dichter getan haben, und so die Sprache der Schotten promoted hat. "Auld Lang syne", das auch immer an Hogmanay gesungen wird, ist von ihm, genauso wie "Scots Wha Hae", das eine Zeit lang die inoffizielle Nationalhymne Schottlands war. Außerdem müssen scheinbar viele Kinder sein Gedicht "To a Mouse" auswendig lernen (ein Vers aus diesem Gedicht "The best laid schemes o' mice an' men / Gang aft agley" wurde übrigens von John Steinbeck als Titel seines Romans Of Mice and Men aufgegriffen). Extrem wichtige Person also.
Um ihren National Poet gebührend zu feiern, wird jedes Jahr in Schottland das Burns Supper an seinem Geburtstag veranstaltet. Wir haben das im Schottland-Seminar mal nachgespielt, aber als ich dann festgestellt habe, dass das hier wirklich eine recht verbreitete Feier ist - auch in Privathaushalten (Laura erinnerte sich Donnerstag daran, dass sie noch Haggis besorgen muss) - wollte ich gerne zu einem Burns Supper gehen. Glücklicherweise hat die Uni Society, bei der ich den Ceilidh-Kurs mache, ein Burns Supper veranstaltet. Allerdings gestern schon. Wir haben sozusagen in den Geburtstag reingefeiert.
Das Supper fand in der Wohnung eines der Komitee-Mitglieder statt, das Komitee hat auch das Kochen übernommen. Es gab natürlich Haggis, Tatties und Neeps (also Haggis mit Kartoffelbrei und Steckrübenbrei). Bevor aber gegessen wurde, musste das Protokoll des Burns Supper eingehalten werden. Es gibt einen recht festgelegten Ablauf dieser Feier. Nach der Begrüßung des Gastgebers wird der Haggis in Begleitung von Dudelsackmusik hereingetragen und es wird das Gedicht "Address to a Haggis" rezitiert. Der Dudelsack wurde bei uns weggelassen, aber eins der Komitee-Mitglieder las das Gedicht vor. Danach durften wir uns alle unsere Portion holen und uns dann einen Platz auf dem Sofa oder dem Fußboden suchen, um diesen zu verspeisen.
Nach dem Essen bekamen wir alle einen Whisky in die Hand gedrückt, denn als nächstes folgte das Immortal Memory. In dieser Rede wird an Robert Burns und sein Leben und Werk erinnert. Zwei Mädels aus dem Komitee hatten die Rede zwischen sich aufgeteilt und erklärten uns Ausländern erst mal, wer Robert Burns überhaupt war, warum man das Burns Supper feierten und überlegten dann, wie Robert Burns wohl wäre, wenn er heute leben würde. Danach wurde auf ihn getrunken.
Als nächstes war der "Toast to the Lassies" an der Reihe. Das bestaussehende männliche Komitee-Mitglied - seinen eigenen Worten nach (danach sagte er, er sei der einzige Junge im Komitee, aber die Rednerin nach ihm, sagte, dass es noch einen zweiten gebe, zählen scheint nicht so seine Stärke zu sein) - hielt eine Rede über die Damenwelt und vor allem darüber, wie er sich auf diese Rede vorbereitet hat und natürlich nicht zu gemein sein darf (das Ganze soll immer eine humorvolle Betrachtung der Geschlechter sein), weil schließlich der größte Teil der Society weiblich ist. Weil das natürlich nicht unbeantwortet bleiben darf, kommt als nächstes immer die Reply to the Laddies (Achtung: laddies = schottisch für Kerle, ladies = Standardenglisch für Damen), bei der sich die Damen dann über die Männerwelt auslassen. Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht mehr genau, was in den beiden Reden vorkam, weil ich mich vor allem daran erinnere, dass sie sehr lustig waren. Ich weiß, dass der Junge am Ende einen Witz über Adam und Gott erzählte, in dem Gott Adam die perfekte Partnerin an die Seite stellen wollte, für die er allerdings einen Arm und ein Bein von Adam forderte. Adam entschied sich dann für das weniger perfekte Model, das er für eine Rippe bekam. Die Antwortrede endete mit der Aufforderung, dass die Männer sich doch daran erinnern sollten, wo sie her kommen - von den Frauen und deswegen etwas Respekt zeigen sollten.
Mit den Reden endete der offizielle Teil. Normalerweise hört man wohl noch ein paar Gedichte von Burns und singt "Auld Lang Syne", aber das haben wir ausgelassen. Stattdessen gab es noch Nachtisch und Getränke. Annabel war auch da und ich habe mich recht viel mit ihr unterhalten. Sie wollte, dass ich ihr ein bisschen Deutsch beibringe. Mal sehen, ob sie bei unserem nächsten Treffen noch bis fünf zählen kann. Gegen halb 12 bin ich nach Hause gegangen, weil ich doch ziemlich müde war.

Da ich euch aber natürlich nicht gehen lassen möchte, ohne euch etwas Dichtung mit auf dem Weg zu geben, folgt nur hier sein Gedicht "A Red, Red Rose", das übrigens auch beim Immortal Memory erwähnt wurde, da Rabbie Burns (wie er auch gerne mal genannt wird) ein ziemlicher ladies man war, der 13 Kinder mit vier verschiedenen Frauen hatte, aber nur mit einer verheiratet war:

A Red, Red Rose
von Robert Burns
O my Luve's like a red, red rose
That’s newly sprung in June;
O my Luve's like the melodie
That’s sweetly play'd in tune.

As fair art thou, my bonnie lass,
So deep in luve am I:
And I will luve thee still, my dear,
Till a’ the seas gang dry:

Till a’ the seas gang dry, my dear,
And the rocks melt wi’ the sun:
I will luve thee still, my dear,
While the sands o’ life shall run.

And fare thee well, my only Luve
And fare thee well, a while!
And I will come again, my Luve,
Tho’ it were ten thousand mile.

Samstag, 17. Januar 2015

Sand und Eis

Mittlerweile hat nicht nur die Schule sondern auch die Uni wieder angefangen, was heißt, dass auch die ISUK-Touren weitergehen. Ich hatte schon ganz gespannt auf die Ankündigungen gewartet und mich gefreut, als ich gesehen habe, dass der erste Ausflug nach St Andrews gehen würde.
Amelie wollte nicht mit. Ich vermute, sie traute dem Wetter nicht. Auch Anabel, die ich gefragt habe, ob sie mitkommen möchte, hatte diese Bedenken. So ganz Unrecht hatten die beiden damit nicht. Schließlich hat es gestern in Glasgow geschneit und als ich heute zur U-Bahn gelaufen bin, war der Schnee überfroren, sodass der Weg eine lustige Rutschpartie wurde. Aber abgesehen von der Kälte war das Wetter heute ziemlich perfekt für einen Ausflug: kein Regen und zwischendurch sogar Sonnenschein.

Auf dem Weg nach St Andrews haben wir zwei Zwischenstopps gemacht. Zuerst hielten wir bei den Kelpies in Falkirk. Schon im Oktober habe ich einen Flyer gesehen, auf dem die Kelpies zu sehen waren und wollte unbedingt zu dem Ort, um die Statue in echt zu sehen. Kelpies sind pferdeartige Wasserdämonen, die Kinder in Gewässer locken und sie dort ertränken. Die Statue der Kelpies in Falkirk ist aus Stahl und zeigt zwei 30 Meter hohe Pferdeköpfe, eine Stute und einen Hengst, und soll nicht nur die Wasserdämonen darstellen, sondern auch daran erinnern, dass die Pferde früher in dem Gebiet um Falkirk wichtige und harte Arbeit geleistet haben, in dem sie schwere Lasten transportiert und Wagen gezogen haben. Ich fand die Pferde sehr eindrucksvoll. Besonders gut gefällt mir wie das eine seinen Kopf hochwirft.


Der zweite Halt war Queensferry oder genauer gesagt die Forth Bridge. Auch sehr eindrucksvoll. Architektur ist ja nicht so mein Steckenpferd, deswegen kann ich nie sagen, ob etwas jetzt architektonisch wertvoll ist oder nicht, ich weiß nur, ob es mir gefällt oder nicht. Diese Brücke ist aber wohl schon einer der architektonischen Höhepunkte Schottlands, jedenfalls ist sie auf den 20-Pfundscheinen zu sehen und die Leute, die das entscheiden, müssen es ja wissen. Mir hat die Brücke gefallen, weil ich die Form ungewöhnlich und die Farbe schön finde.
Sie wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebaut und hat fast 100 Menschen das Leben gekostet. Das finde ich allerdings auch wenig verwunderlich, wenn man sich ansieht, wo sie steht: In luftiger Höhe führt sie über den Firth of Forth, der an dieser Stelle etwa zwei Kilometer breit ist. In den 1880er Jahren hatten sie außerdem sicherlich noch nicht die gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie wir sie heute haben.
Das Foto von mir an der Forth Bridge hat übrigens eine finnische Medizinstudentin gemacht, die meinte, dass wir ja im Grunde aus der gleichen Ecke Europas kämen. Na ja... wenn man Deutschland jedes Mal an den Rand des Gebiets legt, könnte man auch sagen, dass Deutschland, Frankreich und Spanien in der gleichen Ecke Europas liegen, genauso wie Deutschland, Polen, Tschechien und die Slowakei...
Nachdem wir die Brücke ausgiebig bewundert hatten, wollten sämtliche Insassen aller drei Busse gleichzeitig Kaffee trinken. Das eine Café direkt an der Brücke war wegen einer Beerdigung für die Öffentlichkeit geschlossen, also strömten alle in das andere. Da griff dann einer der Reiseleiter ein (der, der bei einer der letzten Touren ununterbrochen geredet hat und den ich heute taktisch vermieden habe) und sagte uns, dass ein weiteres Café im Dorf (zwei Gehminuten entfernt) gäbe und dass 100 Meter weiter auch noch ein Laden sei, wo wir etwas Heißen zu trinken kriegen könnten. Es lief also darauf hinaus, dass ich mit in dem Biker-Laden 100 Meter weiter eine heiße Schokolade und ein Brötchen holte, weil ich morgens nicht zum Frühstücken gekommen war. Auch mal eine Erfahrung.

Von Queensferry aus sind wir dann nach St Andrews gefahren. Die Stadt stand schon länger auf meiner To Do-Liste für Schottland (eine Liste, die im Grunde kein Ende hat...). St Andrews ist eine die älteste Universitätsstadt Schottlands (die wo die Royals auch hingehen und William Kate kennengelernt hat - diese Info ist wichtig, ihr werdet später noch rausfinden, warum), die Heimat des Golfs und war lange auch das religiöse Zentrum Schottlands. Der Name kommt vom heiligen Andreas, dessen Knochen dort vergraben sein sollen. Unsere Reiseleiterin erzählte uns noch eine Alternativgeschichte zu der Namensgebung, nämlich die, dass ein früher schottischer König gegen die Pikten kämpfte und das Andreaskreuz in einer Wolkenformation sah und das als Zeichen betrachtete, dass er die Schlacht gewinnen würde. Er hat sie gewonnen und die Stadt nach dem heiligen Andreas benannt.
Wir hatten vier Stunden Zeit St Andrews zu erkunden. Ich wusste zuerst nicht, wo ich hingehen sollte (geschweige denn, wie rum ich die Karte halten sollte), also bin ich erstmal den studentischen Reiseführern gefolgt, die uns an einem Golfplatz entlang zu den West Sands (Strand) führten. Dort bin ich ein bisschen spazieren gegangen und habe die Zeit und die Gruppe aus den Augen verloren. Irgendwann stand ich da nämlich ziemlich alleine (= ohne Gruppe), aber das war nicht weiter schlimm. Ich fand den Strand toll. Trotzdem habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht und bin einer Gruppe Reiter begegnet, die den Strand entlang galoppierten. Da bin ich schon ein bisschen neidisch geworden. Am Meer entlang zu reiten muss es Spaß machen. Ich hätte Lust, mal wieder zu reiten, aber ich fürchte, ich habe zu viel verlernt, um das unbeaufsichtigt zu machen.
Pavillon und Memorial später am Tag
Da die Karte von ISUK mich nach wie vor verwirrte (was vermutlich an der Kopie lag, denn ich konnte die Küstenlinie darauf nicht erkennen), folgte ich einfach den Hinweisschildern in der Stadt. Ich nahm einen Weg, der mehr oder weniger an der Küste entlang führte. Ganz zu Beginn des Wegs steht ein Pavillon, der mich an Burgos erinnert hat. Kurz danach kam ich an dem Martyrs Memorial vorbei, das an die Protestanten erinnert, die während der Reformation in Schottland ermordet wurden.
Der Weg führte mich zum Museum of the University of St Andrews, in das ich vor allem ging, um mich aufzuwärmen und die Toilette zu benutzen. Aber trotzdem war das Museum ganz spannend. Klein aber recht umfassend. Ich habe z.B. erfahren, dass das St Mary's College (heute Teil der Uni) zur Zeit der Schottischen Reformation gegründet wurde, um diese aufzuhalten und dass St Andrews sich im 19. Jahrhundert stark dafür eingesetzt hat, dass auch Frauen eine Universität besuchen dürfen. Außerdem ist eine jahrhundertelange Tradition, dass die Undergrad Students rote Roben tragen. Laut recht aktuellen Fotos scheinen sie das immer noch zu tun (wobei ich vermute, dass das nicht die alltägliche Bekleidung ist, sondern nur zu besonderen Anlässen getragen wird - wobei, man weiß ja nie, es ist Schottland). 
Etwas hinter dem Museum liegt das Castle von St Andrews. Ich habe erst überlegt, reinzugehen, aber war dann doch zu geizig, den Eintritt zu bezahlen. Stattdessen bin ich die Treppe neben dem Castle zu einem kleinen süßen Strand herunter gegangen, der mich irgendwie fasziniert hat.
Das Schloss vom Strand aus


Ich verbinde Strände immer mit warm, aber sowohl an den West Sands als auch an diesem zweiten war der Sand stellenweise gefroren und kleine Eiskristalle glitzerten zwischen den Sandkörnern. Die Felsen waren teilweise grün von kleinen Algen und teilweise weiß vom Eis bzw. Raureif. An anderen Felsen hingen diese längeren braunen Algen. Es war nicht kalt genug, um die komplett durchzufrieren, aber sie standen trotzdem etwas steif von den Steinen ab. Irgendwie verrückt. Eine völlig neue Stranderfahrung. Dieser Strand heißt übrigens Castle Sands, was mich dann aber doch eher an A Song of Ice and Fire erinnert hat.

Hier ein paar Eindrücke vom Strand:
Die Kathedrale von St Andrews ist die größte Kathedrale Schottlands, wobei es vermutlich angebrachter wäre, von ihr in der Vergangenheit zu schreiben, denn sie ist seit dem 16. Jahrhundert nur noch eine Ruine, weil sie als katholische Kirche während der Reformation zerstört wurde. Ich mag Ruinen, aber trotzdem frage ich mich, warum sich nach der Reformation niemand bemüßigt gefühlt hat, aufzuräumen. Auch in Dunkeld ist die Kathedrale zur Hälfte kaputt, weil nur ein Teil als protestantische Kirche wieder aufgebaut wurde. Man muss ja nicht alles wieder aufbauen, aber warum lässt man die Rest in der Gegend rumstehen? Aber ich will mich nicht beschweren, die Kathedrale hat mir sehr gut gefallen.


Das Skurrile ist aber, dass das Gelände, auf dem die Reste der Kathedrale stehen, auch als Friedhof genutzt wurde und ich teilweise den Eindruck hatte, dass die Grabsteine auch da standen, wo eigentlich das Kirchenschiff hätte sein sollen/ gewesen wäre. Ich musste in bisschen an Tintern Abbey denken, die Kirche in Wales, bei der die Wände noch stehen aber das Dach fehlt. In St Andrews fehlt aber ein bisschen mehr. Im Grunde ist die "Kathedrale" ein chaotischer Haufen aus Grabsteinen, Mauern, Bögen, einem halben Kreuzgang und eineinhalb Türmen. Gebaut wurde sie übrigens im 12. Jahrhundert.
Ich habe ja geschrieben, dass die Infos, dass Kate und William sich in St Andrews kennengelernt haben, noch eine Rolle spielen würde. Als einer der "places to go" wurde uns nämlich auch das Café empfohlen, in dem die beiden zusammen Kaffe (oder vielleicht auch Tee - ich weiß es nicht) getrunken haben. Zuerst wollte ich mir das Café nicht ansehen, weil ich den Hype darum ein bisschen lächerlich finde. Andrerseits war ich auch am Elephant House in Edinburgh, wo JKR Harry Potter geschrieben hat. Wo ist da der Unterschied? Und ich muss auch zugeben: Ein bisschen neugierig war ich schon zu sehen, wo Platz zwei der britischen Thronfolge seinen Kaffee trinkt. Also bin ich zu dem Café gegangen.
Gebt zu, ihr wollt es doch sehen! ;-)
Es ist unscheinbar bis zum geht nicht meht und sah von außen nicht so einladen aus, als dass ich reingegangen wäre. Im Schaufenster hängt natürlich ein Schild, auf dem steht, dass die beiden da waren. Wobei ich es interessant finde, dass das Schild aus Kates Perspektive geschrieben ist: "Where Kate met Wills (for coffee!)" Hier ist die vorher unbekannte Bürgerliche das Subjekt des Satzes und nicht der Prinz. Aber vermutlich liegt es daran, dass man weibliches Publikum anlocken möchte, die sich mit Kate identifizieren und ihren Traumprinzen treffen wollen. Ich war von dem Café nicht direkt enttäuscht, aber verwundert. Ich hätte nicht unbedingt etwas Superteures oder Romantisches erwartet, aber ich hätte schon gedacht, dass das Café mehr Charme als eine x-beliebige Standardcafeteria haben würde. Aber wer weiß, vielleicht täuscht der äußere Eindruck ja und es ist innen doch sehr gemütlich. Oder vielleicht ist der Kaffee auch einfach gut.
Ich frage mich eh, wie die erste Begegnung zwischen den beiden ausgesehen haben mag. "Hallo, ich bin William, der Prinz. Darf ich dich zu einem Kaffe einladen?" Hat Prince William eigentlich einen Nachnamen? Wo sind meine Adelsexperten?
Gut, genug Prinzen-Geschichten, zurück zu St Andrews. Ich die Straße, an der das Café liegt, weiter hoch gegangen und habe Teile der Universität gesehen. Schöne alte Gebäude, aber die University of Glasgow hat mich mehr beeindruckt. Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann an den Anblick alter Gebäude. Ich habe mir auch das mittelalterliche Stadttor angesehen und wollte eigentlich zum botanischen Garten gehen, habe es mir dann aber anders überlegt und bin in ein Café gegangen. Nein, nicht das von du-weißt-schon-wem sondern in eins, das, glaube ich, von der Student Union betrieben wird. Bei einer Kanne Tee und beim Klang der Spice Girls (aus irgendwelchen Gründen wurde da "Wannabe" gespielt) habe ich angefangen, meinen heutigen Blogeintrag zu schreiben.

Ein paar Uni-Gebäude im Dunkeln: 



St Andrews ist insgesamt ein sehr süßes Städtchen, das ich auf jeden Fall nochmal besuchen muss, wenn es etwas wärmer ist, damit ich auch etwas von den Stränden habe (dabei war ich heute nicht mal am Sandy Beach und am Pier, die besonders schön sein sollen). Während ich durch die Straßen gegangen bin, dachte ich, dass ich kein Problem damit hatte, dort als FLA zu arbeiten und habe mindestens zwei Häuser gesehen, in denen ich wohl wohnen wollen würde, wenn ich genug Geld hätte. Allerdings würde ich vermutlich nicht so viel von Schottland sehen, wie ich es jetzt tue, wenn ich tatsächlich in St Andrews (was laut Wikipedia übrigens eine secondary und drei primary schools hat) gelandet wäre. Mit gut 17.000 Einwohnern ist die Stadt gerade zu winzig und ein Drittel der Einwohner sind Studenten, was bedeutet, dass wirklich tote Hose in der Stadt sein muss, wenn die nicht da sind.
Es ist in Glasgow schon gut, dass so viele Busse und Züge in alle Richtungen abfahren - es sei denn, es ist Feiertag - und die Universität so viele Touren anbietet. Unsere Reiseleitung heute hat selber ein Jahr in St Andrews studiert und erzählte uns ein bisschen über das Studentenleben. Es ist nicht so, als würde dort nichts für die Studenten angeboten, aber die meisten Aktivitäten scheinen doch darauf angelegt zu sein, die Erstsemester möglichst betrunken zu machen. Da stellt sich die Frage, ob ich da als FLA überhaupt eine Chance gehabt hätte, reinzukommen, und ob ich überhaupt da rein gewollt hätte. Ich bin froh, dass ich in Glasgow die Möglichkeit habe, so viel zu unternehmen. Denise schrieb mir heute so etwas wie: "Du kommst echt rum!" Jaha und das ist super. :-)

Dienstag, 13. Januar 2015

Jahreswechsel - Es könnte alles so einfach sein

Kaum war meine Familie wieder in Deutschland, bekam ich schon den nächsten Besuch: Nina, eine Deutsch-Assistentin, die ich in London kennengelernt habe, und Sahla, eine Freundin/ französische Assistenten-Kollegin von Nina. Die beiden wollten in den Weihnachtsferien Schottland bereisen und ich hatte ihnen angeboten, ein paar Nächte in Glasgow zu übernachten. Ich war ein bisschen geschafft vom Familienbesuch - wir mussten ja die letzten vier Monate aufholen - aber Nina und Sahla waren vorbildliche Gäste. Einen Tag lang habe ich ihnen Glasgow gezeigt, aber abgesehen davon haben sie ihr Programm selbst gestaltet und ich konnte mich um Sachen wie Wäsche waschen kümmern, was man eben so zwischen Weihnachten und Silvester macht.

Silvester war eine komplizierte Angelegenheit dieses Jahr. Ganz eigentlich wollten zwei Freundinnen aus Deutschland kommen und mit mir Hogmanay (= das hippe schottische Wort für Silvester) in Edinburgh feiern. Daraus wurde aber leider nichts. Also fragte ich Hélène, ob ich mit ihr und ihren französischen Freunden feiern könnte, was grundsätzlich kein Problem war, allerdings wollten sie zu einer Party, die mir, nachdem ich mir die Fotos aus dem letzten Jahr angesehen hatte, nicht unbedingt zusagte. Und dann war da noch Marit, die ebenfalls Hogmanay in Edinburgh feiern wollte, da ein Zimmer in einem Hostel gebucht hatte und spontan einen Platz frei hatte.
Nun wollten Nina und Sahla aber auch gerne an Silvester nach Edinburgh und hatten keine Unterkunft. Drei Leute auf einem Schlafplatz für eine Person ist ein bisschen schwierig, aber nach einigem Hin und her hatte Marits Vermieterin Mitleid mit uns und sagte, wir könnten ebenfalls eine Nacht bei ihr verbringen, wenn wir Schlafsäcke mitbrächten. Die konnten organisiert werden, also fuhren wir zu dritt nach Edinburgh.

Als wir dort ankamen, war der Busverkehr in der Innenstadt schon so gut wie umgeleitet, so dass wir eine Weile bis zum Hostel laufen mussten und das erste Feuerwerk verpassten. Es gab nämlich jeweils ein Feuerwerk um neun, um zehn, um elf und um zwölf Uhr.
Während Nina und Sahla sich nur das Feuerwerk von einem der Hügel ansehen wollten, gingen Marit und ich zur Hogmanay Street Party. Die Princes Street war eine Partymeile, an der es in regelmäßigen Abständen Fish and Chips Stände, Alkoholzelte und Buden mit heißen Getränken und süßen Teilchen standen. Außerdem gab es alle paar Meter einen Bildschirm, auf dem alte Michael Jackson-Lieder und die Weather Girls zur Karaoke einluden. Wer nicht selber singen wollte, konnte zu einer der Bühnen gehen, wo Konzerte stattfanden. Marit und ich gingen zur Waverley Station, wo wir uns Twin Atlantic und eine andere Band anhörten. Mir hat die Musik nicht so gut gefallen, aber möglicherweise lag das daran, dass die Verstärker komisch eingestellt waren und bei uns sehr viel Bass und sehr wenig Melodie ankam. So im Nachhinein auf Youtube finde ich sie ganz gut.

Mit ein bisschen Fantasie sieht man das Castle ;-)
Zuerst haben Marit und ich versucht, möglichst nah an die Bühne zu kommen, aber es wurde irgendwann seeeehr eng und die Leute waren angetrunken und machten so viel Blödsinn (inklusive Plastikflaschen werfen), dass wir wieder den Rückzug antraten - nur um dann vor dem Techniker-Zelt zu stranden und nicht weiter zu kommen. Von da hatten wir aber eine ziemlich eine gute Sicht auf das Schloss und das letzte Feuerwerk und weil es sowieso schon kurz vor Mitternacht war, beschlossen wir, da stehen zu bleiben. Das Feuerwerk vor der Schloss-Kulisse war schön, aber für deutsche Verhältnisse etwas kurz. Gut, wir sind eben in Schottland, da wird ja auch ganz offiziell schon vor zwölf Uhr geböllert. Nach dem Feuerwerk und einem gemeinsamen "Auld Lang Syne" mit überkreuzten Armen und Händereichen (etwas, das ich gerne live erleben wollte ;-)) verlief sich die Streetparty ziemlich schnell. Die meisten Menschen gingen in Richtung Ausgang. Marit und ich machten noch einen Abstecher auf den Weihnachtsmarkt und stießen mit deutschem Glühwein auf das neue Jahr an.
Ich fand Hogmanay sehr lustig und könnte mir vorstellen, das in nächster Zeit nochmal zu machen. Dann bräuchte ich aber definitiv einen Tier-Onsie, eine Mütze, die wie ein Tier aussieht oder zumindest einen Haarreifen mit verrückten Dekorationen. Irgendwie schien das der Dress Code bei der Party gewesen zu sein. ;-)

Am ersten Januar hatte Marit einen Ausflug (mit Übernachten) am Loch Lomond geplant, bei dem ich spontan noch mitkommen konnte. Sie hatte eine Zugverbindung rausgesucht, für die wir nur noch die Tickets kaufen mussten. Aber dann kamen wir am Bahnhof in Edinburgh an und die Frau an der Information sagte uns, dass Scotrail den ganzen Tag nicht fahren würde (Marit hatte auf der Scotrail-Seite nachgeguckt) und dass kein Zug weiter als Edinburgh fahren würde. Das hieß im Klartext: Kein Zug nach Glasgow und erst recht keiner nach Balloch (Loch Lomond).
Wir standen wir vom Donner gerührt da und konnten es nicht glauben. Ja, Neujahr ist ein Feiertag. Ja, am 25. Dezember fuhren auch keine Züge. Aber: Kein Feiertagsfahrplan? Wir konnten doch nicht die einzigen sein, die an diesem Tag von Edinburgh nicht in Richtung Süden aufbrechen wollten. Und überhaupt: Die Züge aus London, die normalerweise bis Glasgow fahren, fuhren - aber nur bis Edinburgh. Glasgow ist die größte Stadt Schottlands. Wie kann es sein, dass sie sich an einem Tag, ob nun Feiertag oder nicht, in etwas verwandelt, das kaum mehr als ein Kaff ist?
Zum Glück wusste ich, dass Überlandbusse fuhren. Also sind wir zum Busbahnhof weitergegangen. Dort wurde uns gesagt, wir könnten die Tickets nur direkt beim Busfahrer kaufen, wenn der noch Platz hätte. Er hatte noch Platz, aber wollte das Geld passend haben. Natürlich hatten wir die 22 Pfund nicht klein. Aber wir trafen einen Deutschen, der uns zwei Pfund schenkte. Wir konnten ihm im Gegenzug helfen und seinen 20-Pfundschein in kleinere Scheine wechseln.
So kamen wir immerhin nach Glasgow. Anstatt an den bonnie banks of Loch Lomond spazieren zu gehen, liefen wir zu meiner Wohnung (denn natürlich gab es keinerlei innerstädlichen Verkehr) und gingen abends ins Kino, um uns "The Theory of Everything" anzusehen. Ein netter Film, teilweise etwas zu vorhersehbar (Was passiert wohl, wenn die gestresste Ehefrau zum ersten Mal zum Kirchenchor kommt und den gutaussehenden Chorleiter trifft, der sie direkt bedeutungsvoll ansieht?), aber ich habe mich bisher kaum mit Stephen Hawking auseinander gesetzt und fand es spannend, so mal ein bisschen was über ihn zu erfahren. Außerdem hat Lupin mitgespielt. Das habe ich aber erst herausgefunden, als ich schon im Kino saß.

Am nächsten Tag fuhren alle Busse und Bahnen wieder normal und wir konnten zum Loch Lomond aufbrechen. Am Bahnhof angekommen, wussten wir nicht genau wohin und nahmen uns in Taxi zum Bed & Breakfast, was aber im Nachhinein nicht nötig gewesen wäre. Der Landlord im Bed & Breakfast war sehr nett. Es tat ihm furchtbar Leid, dass er uns das Geld für die eine Nacht, die wir absagen mussten, nicht zurückgeben konnte, aber bot uns an, Frühstück zu machen und abends Abendbrot für uns zu kochen. Das fanden wir eine gute Idee und stärkten uns mit leckeren Pilz-Käse-Crêpes.
Das Wetter war leider nicht das beste. Es regnete und hagelte immer mal wieder. Deswegen warteten wir erstmal eine Zeit ab und lasen bzw. schrieben, bevor wir es wagten, uns auf den Weg zu machen. Auf unserem knapp dreistündigen Spaziergang hatten wir alle Wetterlagen. Regen, Hagel, Sonne, Wind... Zwischendurch war es wirklich schön.


Auf dem Weg zurück zu unserer Unterkunft sahen wir auch noch einen Regenbogen. Wir liefen gewissermaßen direkt darauf zu unter unter ihm hindurch. Marit meinte, wir sollten doch mal gucken, ob wir den Goldtopf am Ende des Regenbogens finden. Aber es regnete. Also lieber keine Umwege.
Es war dann ein bisschen schade, dass wir nur eine Nacht bleiben konnte, vor allem, weil das Wetter am nächsten Tag (zumindest in Glasgow) viel besser war. Allerdings musste Marit noch bis auf die Orkneys reisen und ich war auch nicht böse darum, vor Schulbeginn immerhin noch eineinhalb Tage ohne Ausflug oder Besucher zu haben.

Sonntag, 11. Januar 2015

Weihnachten in Schottland

Während alle anderen FLAs über Weihnachten nach Hause gefahren sind, habe ich es andersrum gemacht: Ich habe meine Familie überzeugt, mich in Schottland zu besuchen. Zuerst stieß mein Vorschlag auf wenig Begeisterung, aber dann freundeten sich meine Eltern und meine Schwester doch irgendwie mit dem Gedanken an und so hatte ich ab dem 22. Dezember Familienbesuch.
Ich war natürlich aufgeregt und wollte meiner Familie so viel wie möglich von Glasgow zeigen, ein schönes Weihnachtsfest feiern und es am liebsten allen recht machen, was sich alles drei zusammen als Mammutaufgabe erwies und mich doch etwas gestresst hat.

Nachdem der Flug meiner Familie eine Stunde Verspätung hatte und sie das Auto, dass sie eigentlich gebucht hatten, am Flughafen nicht vorgefunden hatten, haben wir am 22. nicht besonders viel gemacht. Ich bin zu ihnen in die Ferienwohnung gekommen, wir haben Tee getrunken, geredet und sind dann irgendwann in die Innenstadt gegangen, waren erstmal in einem Pub essen und sind dann ein wenig über die Buchanan Street gelaufen.

Abgesehen von einem Besuch an meiner Schule waren die nächsten zwei Tage vor allem durch Weihnachtsvorbereitungen und der Planung des restlichen Aufenthalts meiner Familie geprägt. Ein Auto für die ganze Woche zu bekommen, war angesichts der Feiertage nicht möglich, also buchten wir eins für den 27. nur um drei Stunden später einen Anruf zu bekommen, dass die Buchung von neun auf dreizehn Uhr verschoben werden musste, weil sie nicht garantieren können, dass morgen schon alle Autos wieder da seien. Nach kurzer Überlegung haben wir die Bestellung wieder zurück genommen und uns überlegt, am 27. eine Bustour durch die Highlands zu machen, der Mirjam zuerst ziemlich skeptisch gegenüber stand. 
Abends am 23. waren wir in einem Konzert in der Royal Concert Hall (ich hatte meinen Christmas Jumper an und fühlte mich sehr britisch), bei dem ein Orchester und zwei Chöre (einer davon ein Kinderchor) Weihnachtslieder spielten. Ich hatte ziemlich Spaß daran, den Kinderchor zu beobachten, dem es nicht ganz leicht fiel, still zu sitzen und immer wieder mit den Beinen wackelten oder auf dem Stuhl runterrutschten und dann von der Chorleiterin non-verbal ermahnt werden mussten. Der Tenor, der ein paar Lieder mit Orchesterbegleitung sang, war aber ziemlich schmalzig. Aber immerhin hat er das Ave Maria von Schubert auf Deutsch gesungen. Ich habe schon überlegt, ob ich das mal im Unterricht erwähnen sollte, so unter der Kategorie "Berufe, für die man Deutsch können sollte"...
Ab und zu durfte das Publikum mitsingen und ich musste feststellen, dass Mirjam mindestens genauso viele englischsprachige Weihnachtslieder kennt wie ich, weil sie im Chor viele davon gesungen hat. Auswendig kannten wir sie aber beide nicht, also war es ganz gut, dass unsere Nachbarn und eine nette Person fünf Reihen hinter uns einen ihrer Liedzettel an uns weiterreichten. Als letztes wurde "Twelve Days of Christmas" gesungen. Inklusvie passender Bewegungen bis Strophe fünf. Danach wurden die Bewegungen aufgeteilt, was für alle noch viel verwirrender war, glaube ich. Der Kinder mussten z.B. bei "Ten Lords a-Leaping" alle in die Luft springen, was der Dirigent dann als Kinder-Ermüdungs-Methode bezeichnete. Ich fand das Ganze sehr lustig, weil ich das Lied ja schon kannte. Meine Familie schien etwas überfordert.

Heiligabend war dann einerseits schön und andrerseits komisch. Kein Weihnachtsbaum, aber eine Zimmerpalme mit Kugeln, das Bäumchen mit Kunstschnee von Laura mit Strohsternen, meinem Adventskranz und immerhin Josef, Maria, das Jesuskind und ein Engel unserer Holzkrippe von zuhause. Wir haben Raclette machen, eins der Essen, das wir häufig an Heiligabend machen. Victoria hatte uns netterweise ihren Ofen geliehen. Außerdem gab es Christmas Cracker und Mince Pies. Es war also ein deutsch-schottisches Weihnachtsfest.
Wir saßen bei mir in der Küche, Papa las die Weihnachtsgeschichte (Luther-Übersetzung, schon etwas merkwürdig, aber sie ist kostenlos als E-Book zu haben) von meinem E-Book Reader vor - nachdem ich mir ein paar spitze Bemerkungen von Mama anhören musste, weil ich bei diesem Buch aus irgendwelchen Gründen nicht in das Inhaltsverzeichnis gehen konnte und das Dokument nach "Lukas" durchsuchen musste, weil die Alternative gewesen wäre, über tausend Seiten einzeln umzublättern. Dann haben wir ein paar Weihnachtslieder gesungen, die wir auswendig konnten, und haben Geschenke ausgepackt. Für mich wurde es ein Weihnachten der Bücher (ich habe mir richtige Bücher gewünscht, weil mich das Lesen am E-Book Reader nicht wirklich motiviert) und der Socken (Dumbledore's größter Traum :-P). Ich habe mich wohl ein bisschen oft über kalte Füße geäußert. Die werde ich aber jetzt Dank Mirjam, Mama und Amelies Oma nicht mehr haben.
Meine Eltern haben sich etwas typisch Britisches gewünscht, also bekamen sie von mir Christmas Jumpers. Der eine zeigt einen Schneemann mit hervorstehender Nase, der andere einen Weihnachtsmannkopf, bei dem der Pommel auf den Pulli genäht und nicht nur eingestrickt ist. Nach dem Kauf habe ich mir erst ein paar Gedanken gemacht, wie meine Eltern das Geschenk wohl finden würden, aber nachdem sie zwei Tage lang ganz viele Menschen in solchen Pullis gesehen haben, fanden sie die witzig.

Am ersten Weihnachtstag waren wir in der Kathedrale in Glasgow zu einem Gottesdienst mit Chor. Weil wir ein Taxi für den Weg bestellt hatten, kamen wir da viel zu früh an und bekamen sehr viel Aufmerksamkeit von den Elders, die uns begrüßten, Plätze zuwiesen, erklärten, wie der Gottesdienst ablaufen würde, dass wir gerne bei der Kommunion teilnehmen könnten und dass der Wein echter Wein und kein Traubensaft sei. Nach dem Gottesdienst sind wir über die Necropolis gelaufen, die zum Glück geöffnet war und danach zu Fuß durch die Merchant City in die Innenstadt gegangen, so dass ich meinen Eltern und Mirjam ein bisschen was von Glasgow zeigen konnte, bevor es zurück in meine Wohnung ging. Die Innenstadt war menschenleer, vielleicht 30 Leute in der gesamten Fußgängerzone und keine Autos abgesehen von ein paar Taxen. Das war fast unheimlich. Wegen des Feiertags konnten wir nicht viel machen und haben deswegen in meiner Wohnung Filme gesehen und gespielt.

Der zweite Weihnachtstag war auch sehr ruhig. Mirjam und ich haben lange geschlafen, bevor wir unsere Eltern abgeholt haben und mit ihnen ins West End gegangen sind. Eigentlich hatte ich gehofft, Mirjam ein paar der Läden zu zeigen, aber im Gegensatz zur Innenstadt waren auf der Byres Road fast nur die Cafés geöffnet. Immerhin habe ich ihnen Hogwarts die Universität von außen zeigen können. Nach einem späten Mittagessen gingen wir in den Botanischen Garten, den meine Eltern gerne sehen wollten. Leider wurde es schon dunkel und die Gewächshäuser waren geschlossen.

Am 27. stand unsere Bustour in die Highlands an. Wir führen mit Rabbies, bei denen nur 16 Leute in einen Bus passen. Dementsprechend waren wir eine schöne kleine Gruppe, die überwiegend aus Deutschen und Australiern bestand. Der Busfahrer trug einen Kilt und behauptete, dass er das trotz der Kälte gerne täte. Abgesehen von der Temperatur hatten wir aber tolles Wetter. Es hat nicht geregnet und zwischendurch kam sogar die Sonne raus.

Loch Awe

Kilchurn Castle
 Viele der Orte, die wir anfuhren kannte ich schon, aber es war schön, Luss und Oban ohne Regen zu sehen. Allerdings war es in Luss so glatt, dass ich Schwierigkeiten hatte, zu dem Steg am Loch Lomond zu kommen, ohne mich auf die Nase zu legen. Wir sahen auch zwei Schlösser, die für mich neu waren: Kilchurn Castle und ein anderes, dessen Namen ich vergessen habe. Das andere konnten wir aber auch nur aus der Ferne von einem Aussichtspunkt sehen. Die westlichen Highlands liebe ich ja sowieso und diesmal lag sogar stellenweise Schnee! In Glencoe waren nur die Bergspitzen weiß, aber wenig weiter lag genug Schnee für einen Schneeballaustausch mit den Fahrer - er hat mich getroffen, ich ihn nicht. 

Das andere Schloss :-D

Glencoe
Der Busfahrer war ohnehin sehr lustig. Er hatte einen starken schottischen Akzent, so dass meine Eltern nicht alles verstanden haben, aber er hat viele nette Anekdoten erzählt und uns eine Auswahl von schottischer und irischer Musik vorgestellt. Das Loch Lomond-Lied verfolgt mich. ;-) Diesmal war es aber eine Version von John Barrowman gesungen :-D (Er verfolgt mich auch), an deren Anfang noch für mich unerklärlicherweise "Amazing Grace" gestellt worden war.




Am Ende der Fahrt hielten wir noch an der Drover's Inn, einem sehr alten Pub aus dem Jahr 1705, in dem es - natürlich - spuken soll. Im Winter endet die Tour immer in diesem Pub, weil es zu dunkel ist, um noch etwas zu sehen. Ich hatte mich vorher schon gefragt, ob wir es noch schaffen würden, etwas von Glencoe zu sehen, weil mir aufgefallen war, dass es erst für den Nachmittag geplant war. Aber die Zeit war gut geplant. Es dämmerte zwar schon, aber es war noch genug Licht da, damit Mirjam das Foto von sich im Wollpulli vor den Bergen machen konnte, was ihr vor der Fahrt aufgetragen war. 

Am nächsten Tag flog meine Familie dann schon zurück. Es war über die Feiertage (und im Winter) natürlich ein bisschen schwierig, ihnen alles zu zeigen, was ich gerne gezeigt hätte, aber wir haben doch einiges geschafft und ich glaube, es hat ihnen auch gefallen. Außerdem wollten sie ja nicht nur ein Touristenprogramm machen, sondern mich auch besuchen. Oder zumindest hoffe ich das. ;-)