Montag, 13. Juli 2015

Rückblick und Tipps

Ich musste für verschiedene Organisationen einen "end of year survey" ausfüllen und über meine Zeit in Schottland und meine Erfahrungen berichten und Verbesserungsvorschläge machen. Das ist sicher auch ein ganz guter letzter Blogeintrag und weil ich, bevor ich nach Schottland geflogen bin, nach Erfahrungsberichten und Blogs früherer FLAs gesucht habe, dachte ich, ich könnte hier auch noch ein paar Tipps für zukünftige Fremdsprachenassistenten geben.

Rückblick:
Das dreiviertel Jahr in Schottland war auf jeden Fall ein Abenteuer. Ich habe viel erlebt, viele Menschen kennengelernt und viele neue Erfahrungen gemacht. Es war das erste Mal, dass ich länger als drei Wochen in einem englischsprachigen Land verbracht habe, was natürlich dazu geführt hat, dass ich eine ganze andere Perspektive hatte. Ich habe britischen Alltag kennengelernt, viel von Schottland gesehen und mit Sicherheit meine Sprachkenntnisse verbessert.
Wenn ich später Englisch unterrichte, werde ich meinen Schülern viel über Schule in Schottland erzählen können. Aber ich habe auch einen Einblick in das universitäre Leben bekommen, was für mich sehr interessant war. Ich wünschte, wir hätten in Deutschland auch so eine society-Kultur wie ich es an der Glasgow Uni gesehen habe.
In der Schule habe ich gemerkt, wie wichtig Kommunikation, Organisation und Zeitmanagement sind (ja, das wusste ich auch schon vorher, aber habe es doch in der einen oder anderen Situation nochmal vor Augen geführt bekommen) und habe selber auch gemerkt, wo ich noch an mir arbeiten muss. Außerdem habe ich einige Beobachtungen dazu gemacht, wie Klassensituationen den Unterricht beeinflussen, wie Schüler (-gruppen) sich innerhalb eines Schuljahres verändern können und wie vielfältig Schüler-Lehrer-Beziehungen sind. Und ich hoffe doch sehr, dass die Erfahrungen, die ich im Umgang mit den Schülern gemacht haben, mir auch im Referendariat helfen werden.

Ich bin der Meinung, dass es sich auf jeden Fall lohnt, diese Erfahrungen zu machen, auch wenn man Angst hat, dass neun Monate eine ziemlich lange Zeit sind, um von Familie und Freunden getrennt zu sein, und/ oder im Studium zu verpassen. Wenn man eine Fremdsprache studiert, sollte man einige Zeit in einem Land gelebt haben, in dem diese Sprache gesprochen wird. Außerdem bin ich der Meinung, dass jeder Auslandsaufenthalt einen unabhängiger und selbstbewusster macht.

Tipps:

Bewerbung und Interview: 
  • Man muss ziemlich viel einreichen, also sollte man nicht erst kurz vor Bewerbungsschluss anfangen, alle Unterlagen zu sammeln. 
  • Für das Interview kann ich sagen: Macht euch nicht so viele Gedanken! Ich habe das Gefühl, dass es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, aber über NRW kann ich sagen, dass es ziemlich entspannt und ist nichts Übermenschliches verlangt wird. Man sollte eine Ahnung des aktuellen Tagesgeschehens haben und ein bisschen was über das Schulsystem des anderen Landes wissen (meine Interviewerin hat aber auch nicht gemerkt, dass ich das englische und nicht das schottische Schulsystem beschrieben habe - mir ist das auch erst aufgefallen, als ich in Schottland war) und in der Lage sein, ein paar halbwegs logische Didaktik-Ideen zu entwickeln (allerdings wissen die Lehrerinnen auch wenig von der wirklichen Situation vor Ort - zumindest ich hatte das Gefühl, dass sie die deutschen Schüler als Maßstab vor Augen hatten). Hier habe ich etwas ausführlicher von meine Bewerbung und dem Interview berichtet.

Vorbereitungen:
  • Spart vorher genug Geld. Das Gehalt bekommt man immer erst am Ende des Monats, d.h. dass man den gesamten ersten Monat vorstrecken muss. Das ist blöd, weil man im ersten Monat viele Ausgaben hat (Miete + Kaution, eventuell Sachen für die Wohnung, Hostel für die ersten Tage etc.). Es werden 1000 bis 1500€ empfohlen. Ich habe nicht so viel gebraucht, aber ich hatte auch Glück, weil ich für mein Zimmer keine Kaution zahlen musste und alles in der Wohnung vorhanden war.
  • Bevor ich geflogen bin, habe ich eine Kiste mit Material gemacht, das ich mitnehmen wollte. Ich muss aber sagen, dass die meisten Ressourcen, die ich wirklich gebraucht habe, digitaler Natur waren. Das Wichtigste, was ihr an Materialien mitnehmen solltet, sind Fotos. Und zwar von allem. Von eurer Stadt, von Deutschland, von Schulen, Weihnachtsmärkten, Pfandautomaten, Laternenumzügen, Karneval, Mülltonnen, Supermärkten - was auch immer euch irgendwie sinnvoll erscheinen könnte. Ich habe zu den verschiedenen (christlichen) Festen Präsentationen gemacht und da eben auch immer Fotos eingefügt und ich glaube, die Schüler fanden es schon cool, wenn sie mich darauf auch entdecken konnten. Ich fand es so persönlicher; die andere Assistentin an meiner Schule wollte das lieber nicht machen, was ich auch verstehen kann, aber ich glaube nicht, dass es irgendwie schädlich für mich war, dass ich die Schüler Foto von mir als 10-jährige gesehen haben. Ansonsten habe ich auch Lieder mit den Präsentationen verbunden (z.B. "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne"), was den Schülern meistens gefallen hat. Die Lieder gibt es natürlich auf diversen Video-Seiten, aber es ist vielleicht nicht schlecht, euch eine Liste zu machen. Außerdem funktioniert YouTube oft nicht in der Schule. 
  • In der Broschüre vom PAD steht auch was von kleineren Werbegeschenken für Verlosungen o.ä. Das hatte ich nicht dabei, allerdings fand eine Schülerin meinen deutschen Kuli von irgendeiner Bank, glaube ich, so cool, dass sie ihn gegen einen Bleistift eingetauscht hat. Wenn ihr also irgendwie an sowas kommt, könnt ihr das natürlich mitnehmen und da unter's Volk bringen. 
  • Wenn ihr rechtzeitig vorher mit eurer Schule Kontakt habt, könnt ihr auch nach fragen, was ihr mitbringen sollt, allerdings hatte ich bei meiner PT das Gefühl, dass sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht oder es mit ihren Kolleginnen abgesprochen hatte. 
  • Ich habe ein paar Bücher mitgenommen, aber das hat sich nicht so richtig gelohnt. Zwei Lernkrimis habe ich in der Schule gelassen, aber ich habe gar nicht mit ihnen gearbeitet, weil ich, was das Sprachliche angeht, im Grunde nur sprechen geübt habe oder im Unterricht, den die Lehrerin geplant hatte, dabei war und geholfen habe. Ich hatte auch ein paar Pixi-Bücher dabei, die ich auch in der Schule gelassen habe, aber auch mit ihnen habe ich nicht viel gearbeitet. Was ich zum Lesen vorbereitet habe, war kurze Geschichten in sehr einfachen Sätzen zu schreiben und die mit Bildern zu versehen, so dass die Schüler (Zielgruppe war Grundschule) anhand der Bilder und den Wörtern, die sie kennen, den Text verstehen konnten. Eine Kollegin hat das Ganze weitergeführt und in eine Schreibaufgabe verwandelt, in dem sie Teile aus den Sätzen gelöscht hat und die Schüler eigene Wörter einfügen mussten, um so eine neue Geschichte zu schreiben.
  • WICHTIG: Die meisten Gedanken macht man sich natürlich über die Zeit im Ausland, aber man sollte auch daran denken, dass die Zeit in Deutschland weitergeht. Wenn ihr noch nicht mit dem Studium fertig seid, müsst ihr vielleicht Prüfungen machen, wenn ihr wiederkommt, für die ihr euch vorher anmelden müsste. Oder je nachdem, wohin ihr ins Referendariat geht, fällt die Anmeldefrist in die Zeit, die ihr im Ausland seid. Sucht euch also jemanden, dem ihr eine Vollmacht ausstellt, damit die Sachen für euch geregelt werden. Macht der Person eine Liste mit Fristen und Dokumente, die eingereicht werden müssen, und stellt sicher, dass diese Dokumente bereits zusammen gestellt sind. 
Ankunft:
  • Ich bin knapp eine Woche vor Schulbeginn nach Glasgow geflogen, um eine Wohnung zu suchen. Zwar hatte ich vorher schon auf diversen Seiten im Internet geguckt, ich denke nicht, dass man einen Vertrag abschließen sollte, bevor man sich die Wohnung und die Umgebung mit eigenen Augen angesehen hat. Vermutlich reicht es, sich auf einer Wohnungssuchplatform (wie flatshare oder easyroommate) einen Account zu machen (auf Gumtree kann man übrigens suchen, ohne einen Account zu haben) und im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, für eine oder zwei Wochen in einen Bezahl-Account zu investieren. Ich habe auch ohne einen bezahlten Account etwas gefunden, aber auf einige interessante Anzeigen konnte ich nicht antworten, weil wir beide einen kostenlosen Account hatten. FLAs haben einen Studentenstatus und müssen keine Council Tax zahlen (man bekommt eine Bescheinigung vom British Council).
  • Bei der Wohnungssuche wird einem immer geraten, das nicht alleine zu machen. Das kann potenziell problemtisch werden, wenn man nicht wie ich eine Freundin aus Deutschland mitnimmt. Aber ich weiß, dass einige andere FLAs sich über Facebook oder Sonstiges verabredet haben und dann kann man ja auch zusammen gehen. Ansonsten gilt: Wenn einem die Gegend und/ oder der Vermieter komisch vorkommt, lieber was anderes suchen. Ich habe vorher gegooglet, welche Nachbarschaften als problemtisch gelten und im Erfahrungsbericht war mir vom Norden und Osten Glasgows abgeraten worden. Andrerseits habe ich einige kennengelernt, die in Ibrox gewohnt haben (problematisch wegen des Fußballstadions) und damit durchaus zufrieden waren. Am praktischsten, um Studenten zu treffen, ist das West End, aber da ist es auch manchmal etwas teurer. Ich fand es praktisch, in einer WG zu wohnen, weil man so schon mal Leute kennenlernt und es billiger ist.
  • Am Freitag vor dem ersten Schultag bin ich den Weg mit dem Bus schon mal Probe gefahren. Wenn ihr das macht, seht zu, dass ihr zu gleichen Uhrzeit losfahrt, wie am nächsten Tag auch. Ich hatte das Problem, dass der Bus morgens von einer anderen Haltestelle abfuhr als mittags.
  • Eigentlich müsstet ihr ein Treffen mit eurer local authority in den ersten Tagen haben, um den ganzen Papierkram auszufüllen. Es ist nicht schlimm, wenn man bis dahin noch keine Wohnung und kein Konto hat. Allerdings ist es günstig, dann schon zumindest eine Wohnung zu haben (sonst werden die Ergebnisse des ganze Papierkrams ans Hostel/ den Couchsurfer oder wo ihr sonst eure ersten Nächte verbringt, geschickt). Ein Konto kann man erst eröffnen, wenn man eine feste Adresse hat. Eine Bank finden, kann schwierig werden. Manche wollen ein Council Tax-Formular oder eine Rechnung, die an euch in die Wohnung geschickt wurde, sehen. Das Rental Agreement reichte nicht (immer). Wenn ihr bei einer Bank abgewiesen werdet, versucht es einfach bei der nächsten. 
  • Ihr müsst euch auch bei einem Arzt anmelden.
  • Auf alle bürokratischen Sachen werdet ihr aber auch von eurer local authority und dem British Council (mehrfach) hingewiesen.
Transport:
  • Die öffentlichen Verkehrsmittel in Glasgow sind privatisiert, d.h. es gibt mehrere Busunternehmen. Es gibt ein Ticket, um alle Verkehrmittel in Glasgow (Bus, U-Bahn, Zug) zu nutzen: die ZoneCard. Aber die ist teuer und lohnt sich nur, wenn man wirklich jeden Tag verschiedene Verkehrsmittel nutzt (außerdem muss man festlegen, welche Zonen man nutzen will, sie gilt nicht in ganz Glasgow). Ich hatte eine Zehn-Wochen-Ticket für den First Bus und habe kaum einen anderen Bus genutzt, weil First Bus Glasgow schon ziemlich gut abdeckt. Man muss halt nur gucken, in welchen Bus man einsteigt. Außerdem habe ich mir eine Smartcard für die U-Bahn gekauft. Damit sind die U-Bahn-Fahrten günstiger als wenn man sie normal kauft. 
  • Für weitere Wege habe ich mir die Railcard 16-25 geholt. Sie kostet zwar 30 Pfund, aber man zahlt dafür ein Drittel des normalen Zugpreises weniger. Sie gilt ein Jahr und auch dann, wann man während des Jahres 26 wird. Wenn man älter als 25 ist, kann man sich eine Bescheinigung der Uni ausstellen lassen, dass man noch studiert. Wie gut es damit geht, weiß ich nicht. Auch eine Coachcard für die Überlandbusse kann sinnvoll sein, denn auch damit bekommt man Rabatte beim Fahrpreis.
Schule:
  • Der Dresscode an meiner Schule war (für mich) nicht so streng, aber angesichts der Tatsache, dass die Schüler Schuluniformen tragen und die Lehrer doch auch ziemlich gut angezogen zur Schule kommen, habe ich die Jeans und gemusterte T-Shirts (abgesehen von Blümchen) doch im Schrank gelassen. Blusen habe ich nur selten getragen, aber recht häufig einen Rock oder Kleid.  An anderen Schulen war der Dresscode aber auch strenger.
  • Seid nicht enttäuscht, wenn die Schüler nicht das Niveau haben, dass ihr von deutschen Schülern im Englischunterricht kennt. 
  • Meine Kolleginnen waren immer offen für Ideen und haben mich Sachen machen lassen. Von anderen Schulen habe ich leider auch anderes gehört, aber versuchen sollte man es immer, finde ich. Einfach mal mit den Lehrern sprechen, einen Vorschlag machen und gucken, wie der angenommen wird. Man sollte natürlich schon irgendwie realistisch bleiben und Einwände/ Ratschläge ernst nehmen. Amelie und ich hatten z.B. vor St. Martin überlegt, wir könnten mit den Kindern Laternen basteln. Im Goethe-Institut hatte und eine Frau eine Laterne gezeigt, die man ganz einfach aus einer abgeschnittenen Wasserflasche basteln kann. Laura fragte uns daraufhin, ob wir denn die Wasserflaschen alle selber abschneiden würden (sie sah vermutlich mehrere abgeschnittene Finger auf sich zukommen). Da haben wir dann schnell beschlossen, es mit den Laternen sein zu lassen. 
  • Wie oben erwähnt: Kommunikation, Organisation und Zeitmanagement sind sinnvoll. Wenn ihr mit den Schülern etwas Außergewöhnlicheres machen wollt, fragt rechtzeitig bei den Lehrern an und erzählt denen, was ihr euch vorstellt, wie das organisiert werden soll, wie lange ihr dafür braucht und ob ihr eventuell Hilfe dabei braucht.
  • Projekte sind schön, bieten Abwechslung und helfen dabei, die Schüler besser kennenzulernen und eine Funktion an der Schule zu haben. Hilfe gibt es beim British Council (wir haben da eine Liste mit vergangenen Projekten als Inspiration bekommen) oder auch bei UK-German-Connection. Bei Projekten ist ein Zeitplan ganz wichtig. Aber man muss auch flexibel sein und Schritte/ Aufgaben anpassen, für schnelle Schüler in der Hinterhand haben oder streichen können.
  • Klingt vielleicht blöd, aber ich finde das auch wichtig: Unterhaltet euch mit den Lehrern auch mal über andere Sachen als den Deutschunterricht. Dazu müssen natürlich die Gelegenheit und die Bereitschaft der Lehrer da sein. Aber ich fand es immer sehr schön, mit Laura und Victoria zusammen zu Mittag zu essen und dabei über verschiedene Dinge zu quatschen - sei es mein letzter Wochenendausflug oder die Gerüchte, die über die Lehrer in der Schülerschar umher gehen.
Freizeit/ Reisen:
  • Auf jeden Fall reisen! Wenn man Glück hat, hat man einen Tag frei. Wenn man ganz viel Glück hat, ist es der Montag oder der Freitag. Aber es gibt ja auch Ferien und die Zeit solltet ihr nutzen, um euch viel vom Land anzugucken.
  •  In Hostels bekommt man mit dem internationalen Studentenausweis oder eine Jugendherbergskarte Vergünstigungen (das steht dann im Zweifelfall auf der Seite).
  • Ich bin Historic Scotland und dem National Trust für ein Jahr beigetreten. Historic Scotland hat sich gelohnt, der National Trust nicht ganz so. Am besten vorher mal gucken, welche Sehenswürdigkeiten die beiden anbieten. 
  • ISUK Tours an der Uni Glasgow bieten Tages- und manchmal auch Wochenendausflüge zu Studentenpreisen für Studenten in Glasgow und Paisley an. Man muss die Karten an der Uni kaufen. Es gibt eine Facebookseite (und -gruppe), die die Fahrtziele und Ticketverkäufe veröffentlicht.
  • Besucht Assistenten in anderen Städten.
  • Um Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen bieten sich, gerade in Städten mit Unis, die Societies (Clubs) der Unis an. An der Uni Glasgow ist eigentlich für jeden was dabei (von joggen über Harry Potter bis zu religiösen Gruppen). Über die German Society habe ich z.B. meine Tandempartner gefunden - etwas was ich auch sehr empfehlen kann. Man spricht dann zwar auch wieder Deutsch, darf aber auch mal hemmungslos alle Fragen über die englische Sprache stellen, die man sich sonst nicht zu fragen traut. 
Das ist jetzt eine ziemlich lange Liste mit Tipps geworden, aber ich hoffe, dass sie weiter hilft. Ich weiß, dass ich vor meiner Abreise total nervös war, und versucht habe, so viele Informationen wie nur möglich zu bekommen. Es klingt vielleicht doof, aber macht euch keinen Stress. Es wird schon alles klappen. Manchmal muss man Geduld haben; manchmal klappen Sachen nicht auf Anhieb, aber verliert nicht den Mut. Ihr werdet sicher eine tolle Zeit haben!

Mittwoch, 17. Juni 2015

Zwei Wochen Deutschland

Vor zwei Wochen bin ich zurück nach Deutschland geflogen. Es ist... joa... den Umständen entsprechend.
Da ich ja gerne mit Zitaten arbeite, hier eins aus dem dritten Herr der Ringe-Film, das die Situation besser in Worte fasst, als ich es gerade kann: 

"How do you pick up the threads of an old life? How do you go on, when in your heart you begin to understand, there is no going back?"
(Walsh/ Boyens/ Jackson, Lord Of The Rings - The Return Of The King, 2003)

Es fällt mir schwer, zu realisieren (geschweige denn zu akzeptieren), dass dies kein immer länger werdender Urlaub in der Heimat ist und ich nicht nächste Woche, in einem Monat oder nach den Sommerferien zurück nach Schottland fliegen werde. In den vergangenen neun Monaten habe ich mir ein Leben in Glasgow aufgebaut. Zurück in Deutschland zu sein, fühlt sich an, wie in ein altes Leben eingetaucht zu sein. Eins, das man eigentlich hinter sich gelassen hat und jetzt wieder aufnehmen muss, auch wenn es irgendwie nicht mehr richtig passt und das gleichzeitig nicht so ist, wie man es zurückgelassen hat. Während ich einerseits versuche, nach dem geregelten Tagesablauf als FLA wieder in das zeitlich völlig frei gestaltbare (solange man Anmelde- und Abgabefristen einhält) Leben einer Studentin am Ende ihres Studiums zurückzukehren, muss ich es andrerseits irgendwie schaffen, dass aufzuholen, was ich in den letzten Monaten in Deutschland verpasst habe ("Wie? Mein Gas-Anbieter will mir einen neuen Vertrag andrehen?")

Direkt nach meiner Rückkehr bin ich nach Stuttgart zum Kirchentag gefahren. Der Hintergrundgedanke war, dass ich bei einem interessanten Event und umgeben von netten Leuten weniger Heimweh nach Schottland haben würde. Von einem Erfolg würde ich nicht unbedingt sprechen. Ich war genervt, dass alle um mich herum Deutsch sprachen - und dann war es auch noch eine süddeutsche Perversion der deutschen Sprache. Die vielen Leute und die Hitze haben mich fertig gemacht und auch wenn ich mit einer netten Gruppe der ESG gefahren bin, habe ich gemerkt, dass ich (zu?) lange nicht da war. Bei Gesprächen über vergangene Veranstaltungen, größere und kleiner Dramen und Pläne für die kommenden Wochen konnte ich nicht mitreden. Immerhin konnte ich alle Lieder beim Wise Guys-Konzert mitsingen. Trotzdem hat der Kirchentag wenig dazu beigetragen, mich wieder einzuleben.
So ganz resozialisiert bin ich auch jetzt noch nicht. Während der ersten Tage habe ich immer wieder versucht, das Gas bei meinem Elektroherd anzumachen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Aber manchmal visualisiere ich noch meinen schottischen Kühlschrank, wenn ich überlege, was ich einkaufen muss. Es gibt immer noch Straßen, an denen ich scharf nachdenken muss, aus welcher Richtung die Autos kommen (und trotzdem gucke ich meist zuerst in die falsche Richtung). Schüler ohne Schuluniform sehen einfach schlecht angezogen aus. Und warum muss man in Supermärkten eigentlich das Obst und Gemüse abwiegen? Ein umgekehrter Kulturschock. Dass Menschen um mich herum Deutsch sprechen, irritiert (und nervt) mich immer noch. Wenn ich vom Bahnhof nach Hause laufe, wünsche ich mir, es wäre die Buchanan Street. Und natürlich vermisse ich die Leute, die ich in Schottland kennengelernt habe. People make Glasgow.
However, people also make Germany. Ich bin von vielen Menschen so lieb empfangen worden. Bei manchen hätte ich gar nicht damit gerechnet. Jetzt versuche ich, Zeit mit diesen lieben Menschen zu verbringen. Ob beim gemeinsamen Essen in der Mensa (wenn ich für eine Stunde kein schlechtes Gewissen haben muss, dass meine Motivation für die Hausarbeit weit unter dem Gefrierpunkt liegt), in der ESG, beim Zumba oder einfach so. Wieder in Deutschland sein ist doof, aber zum Glück gibt es ja Freunde, für die es sich lohnt, wieder hier zu sein.

Sonntag, 31. Mai 2015

Die letzten Tage in Schottland

Denise ist am Sonntag nach Schottland gekommen, um hier ein paar Tage Urlaub zu machen. Am Dienstag fliegt sie zurück - und nimmt mich mit. Es ist schön, dass ich nicht alleine nach Deutschland zurückfliegen muss und jemanden dabei haben werde, die sehr gut versteht, warum ich traurig bin, dieses schöne Land zu verlassen.

Am Montag war Feiertag, also haben Denise und ich ihren Urlaub mit eineinhalb Tagen in Edinburgh begonnen. Mal wieder Edinburgh. Ich war in den letzten neun Monaten jetzt sicher vier oder fünfmal da. Einige Glaswegians würden mir das vermutlich schon als Verrat ankreiden. Glasgow und Edinburgh verbinden ähnliche Gefühle wie Düsseldorf und Köln. Ich kann nicht sagen, welche Stadt mir besser gefällt. Edinburgh ist wunderschön, keine Frage, aber ich finde die Stadt fast schon zu puppenstubenhaft und touristisch. Glasgow ist da irgendwie natürlicher. Ich liebe beide Städte. Deswegen sind Denise und ich Sonntag auch erstmal so durch die Stadt gestreift, bevor wir mit der Literary Pub Tour Bildung und Trinken verbunden haben. Ich habe die Tour schon vor zwei Jahren gemacht. An manche Sachen habe ich mich noch erinnert, andere sind mir wieder eingefallen und wieder andere sind entweder letztes Mal nicht gesagt worden (ganz besonders gegen Ende hatte ich das Gefühl, dass andere Schriftsteller erwähnt wurden), oder ich habe sie schichtweg nicht verstanden. Vor zwei Jahren hatte einer der beiden Schauspieler einen sehr starken schottischen Akzent. Dieses Mal wäre es mir vermutlich leichter gefallen, ihn zu verstehen, aber die Schauspieler sprachen sehr deutlich und kaum mit Akzent. Was auch anders zum letzten Mal war, war dass wir einen Mann und eine Frau war, was manchen Streitpunkten zwischen ihnen nochmal eine leicht andere Perspektive als beim letzten Mal gab. Ich fand die Tour wieder grandios und habe auch gemerkt, wie viele Sachen ich durch mein Studium und durch meine Staatsarbeit schon wusste und war stolz auf mich.
Montag waren Denise und ich zuerst im Castle. Wir hatten geplant, um halb acht aufzustehen und kamen uns damit sehr früh vor. Aber Jugendherbergen sind mittlerweile offenbar ein Ort für Frühaufsteher. Dass die ersten das Zimmer schon um vier Uhr verließen, bekam ich gar nicht mit. Allerdings waren es die anderen beiden Zimmermitbewohner, mit denen wir unseren Spaß hatten. Sie hatten einen Wecker gestellt, waren aber früher aufgestanden und hatten das Zimmer verlassen. Um sieben oder so klingelte also deren Handywecker und hörte nicht auf. Wir wurden sicher zehn Minuten beschallt, bis die zwei sich erinnerten, dass sie wohl was vergessen hatten...

Das Castle machte um halb zehn auf und als wir um zwanzig nach neun an der Esplanade ankamen, warteten da schon viele Menschen, die auch alle rein wollten. Wir kamen aber erstaunlich schnell voran und haben eine Führung mitgemacht. Auch hier erinnerte ich mich an ein paar Sachen vom letzten Besuch, habe aber auch einiges gehört, was ich vorher noch nicht wusste. Zum Beispiel ist James II. gestorben, weil er bei seiner Frau mit einer Kanone angeben wollte ("He liked the big guns.") und dann beim Abfeuern sich selbst so stark verletzte, dass er daran zugrunde ging. 
Diesmal habe ich auch die schottischen Kronjuwelen und den Stone of Scone gesehen. Schön sind die ja nicht unbedingt. Aber der Hauptzweck ist vermutlich, damit anzugeben. Und bescheiden sind Könige wohl nie.
In der Great Hall gab es ein Re-Enactment von einer Hofdame von Mary Queen of Scots, die die Lebensgeschichte der Königin erzählte und die neue Mode zeigte, die eben diese aus Frankreich mitgebracht hatte. "Shades of Green" waren in Frankreich der neuste Schrei, während unsere schottische Adelige noch in einem gelb-roten Kleid herumlief.
Wir haben noch einige Orte auf der Burg abgelaufen, die ich bei meinem letzten Besuch nicht gesehen hatte, darunter einen Raum mit netten Fensterbuchten, in die man sich bei Partys sicher gut zurückziehen und lästern könnte und die Kerker der Burg. Dort gab es ein paar Audio-Aufnahmen, auf denen Gefangene sprachen. Über den spanischen Akzent des einen mussten wir sehr lachen.
Nach der Burg gingen wir uns Writer's Museum und nach einer Mittagspause, liefen wir - weil wir noch nicht genug gelaufen waren - zum Parlament und Arthur's Seat, beschlossen aber, nicht bis ganz nach oben zu laufen. 

Auf dem Weg zurück zum Hostel kamen wir an einem Bus vorbei, in dem eine Mini Kunst/ Design-Ausstellung war. Ich habe kaum etwas von der Ausstellung gesehen, weil ich mich die ganze Zeit mit einem Videospiel beschäftigte, bei dem man einen Vogel über eine leere Leinwand fliegen lassen und Erdbeeren einsammeln lassen musste. Dort, wo der Vogel lang flog, entstand ein Bild, das im nächsten Level farbig ausgemalt und noch einen Level später weiter ergänzt wurde. Das war wunderbar entspannend und Denise musste mich förmlich davon los reißen.

Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hatte ich Schule und Denise musste ich alleine beschäftigen.
Mittwoch war bei mir in der Schule ein internationales Sportfest für die Erstklässler, eine Kooperation von mindestens Sport, Deutsch und Kunst. Die Schüler wurden in verschiedene Ländergruppen unterteilt (u.a. Deutschland, Schottland, Malaysia und Kenia) und traten in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Ältere Schüler sagten die Disziplinen und die Gewinner auf Deutsch an und eigentlich hätten die Schüler Sätze in den jeweiligen Landessprachen ("Hallo", "Ich komme aus...", "Viel Glück" usw.) lernen sollen, aber unser Suaheli- und Chinesisch-Kenntnisse waren dann doch zu schlecht, um das glaubhaft unterrichten zu können. Stattdessen haben sie die Sätze auf Deutsch gelernt. Die Kunstlehrerin hatte für Fahnen und Plakate gesorgt.
Ich durfte beim Sportfest dabei sein und habe die meiste Zeit bei den Schülern verbracht, die die Ansagen gemacht haben, und habe ihnen geholfen, die Wörter auszusprechen. "800m Mittelstreckenlauf" ist wirklich schwierig. Als Muttersprachlerin habe ich mich dann auch verpflichtet gefühlt, ab und zu etwas Deutsch zu sprechen und habe völlig willkürlich den Schülern "Los! Beeil dich!" oder "Gut gemacht!" zugerufen. Es war schon irgendwie lustig. Weniger lustig war, das auf dem Weg zurück zu Schule der Bus erst nicht ansprang, so dass 30 Schüler aus unserem Bus umgeladen wurden und der Rest auf den Mechaniker warten musste, und der Bus, als er dann endlich fuhr, rauchte und die Schüler aus der letzten Reihe nach vorne zu den Lehrern trieb, weil es hinten so stank, und wir alle froh waren, zur Schule zurückzukehren ohne dabei in die Luft zu fliegen.
Donnerstagabend haben Denise und ich Emily zum Essen getroffen. Ich muss mich schließlich nach und nach von alle den netten Menschen hier verabschieden. Aber ich hoffe ja, sie alle wiederzusehen.

Freitag waren wir in der Burrell Collection. In dem Museum werden Bilder, Statuen und anderer Kram gezeigt, den der reiche Unternehmer William Burrell gesammelt hat. Das Gebäude ist sehr cool, weil es eigentlich ein modernes Gebäude ist, aber immer wieder Torbögen oder Fenster aus alten Gemäuern eingebaut hat. 
Ein Teil der Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem Leben im 16. und 17. Jahrhundert. Dort kann man die Handarbeitserzeugnisse junger Mädchen der Zeit sehen. Es war schon krass, was die damals gestickt haben. Nicht nur Kissen, sondern auch z.B. Bezüge für Spiegelrahmen. Und die Stickereien waren dann teilweise noch mit Perlen verziert oder mit speziellem Garn aufgepeppt. Eine Frau auf einem Kissen hatte zum Beispiel lockige Haare aus gekräuseltem Garn. Wahnsinn, wie viel Arbeit da drin steckt. Aber die Mädchen hatten damals wohl auch nicht viel zu tun.
Wir waren auch bei den Ställen und hatten diesmal Glück, denn wir haben die Shire Horses gesehen, die gerade zum Ausritt aufbrachen. Leider zeigte sich das Wetter am Freitag von seiner schottischsten Seite. Der Vormittag war sehr schön, aber gerade als wir zum Bus zurück laufen wollten, fing es an zu regnen. Und zu hageln. Wir liefen zurück zur Burrell Collection und stellten uns da unter.



Abends waren wir im Doctor Who Symphonic Spectacular im SSE Hydro. Ein Konzert, bei dem verschiedene Musik-Stücke vom Soundtrack der Serie von einem Orchester und Chor live vorgetragen wurden und auf einer Leinwand zusammengeschnittene Szenen gezeigt wurden. Außerdem kamen einige der Aliens auf die Bühne! Das Spektakel begann mit einer Durchsage der Cybermen, dass die Menschen gehorchen müssten und Blitzfotografien nicht kompatibel mit der cyber technology seien. Peter Davison, der fünfte Doktor, führte durch das Programm und stellte gleich zu Beginn fest, dass Glasgow  eine besondere Bedeutung für Doctor Who hat, weil mehrere Mitglieder der Produktion in Glasgow geboren seien (wenn man den Großraum Glasgow etwas wohlwollend dehnt, stimmt das sogar) und sagte, dass er einen Algorithmus entwickelt habe und 87 zukünftige Doctors und 149 zukünftige Produzenten im Publikum säßen und Doctor Who somit für die nächsten 200 Jahre gesichert sei. 
Zwischendurch kamen die Daleks auf die Bühne und versuchten, dem Orchester und dem Dirigenten ihren Willen aufzuzwingen, aber zum Glück hatte der Dirigent einen Sonic Baton (baton = Taktstock). Auch die Ood tauchten mehrmals auf der Bühne auf. Genauso wie The Silence und andere Geschöpfe aus der Serie. Das Konzert war unglaublich cool und ich habe mich sehr gefreut, dass auch das Lied der Ood gespielt wurde.
Es war auch lustig, die anderen Zuschauer zu beobachten. Die richtigen Hardcore-Fans hatten Plätze im Parkett und wurden von Daleks und Cybermen umrundet. Ein Dalek fuhr sogar direkt in die Menge. Ich weiß nicht, ob das ein Versehen oder Absicht war. Um uns herum auf den Rängen saßen eher die gemäßigten Fans, die meistens nur Doctor Who T-Shirts trugen, wobei der Fes auch ein beliebtes Fan-Kleidungsstück war.

Für gestern hatten wir eigentlich geplant, ans Loch Lomond zu fahren, aber weil das Wetter im Moment so unberechenbar sind, haben wir uns dann doch entschieden, in Glasgow zu bleiben. Im Endeffekt hatten wir dann so gutes Wetter, dass wir doch zum Loch Lomond hätten fahren können, aber das konnten wir ja nicht wissen. Wir waren stattdessen im West End. Im Kelvingrove Museum haben wir und die Dinosaurier-Ausstellung angesehen und sind dann an der Uni vorbei zum Botanischen Garten gegangen, um da zu Mittag zu essen. In einem Secondhandladen habe ich mir noch einen Ladies Kilt gekauft und von dort sind wir in die Innenstadt geschlendert. Ein Tag mit viel Laufen und gutem Wetter zum Abschied nehmen von einigen der schönsten Ecken Glasgows.

Heute habe ich gepackt und festgestellt, dass ich zu viel Kram habe. Einige Pullis und Bücher (!) habe ich schon zum Charity Shop gebracht und werde auch meinen Anorak und Schuhe hier lassen. Es ist unglaublich, was man in neun Monaten alles so ansammeln kann. Zum Glück ist in Denises Koffer noch ein bisschen Platz für meine Sachen.

Samstag, 30. Mai 2015

Abschied von den Schulen

Ich befinde mich im Moment noch (oder wieder) in Denial. Es kann doch nicht sein, dass ich nur noch bis Dienstag in Schottland bin. Das ist einfach unmöglich. Ich bin doch gerade erst angekommen. Wie kann die Zeit nur so schnell vergehen?
Ein irgendwie untrügerischer Hinweis, dass es jetzt aber trotz aller Verneinung auf das Ende zugeht, war wohl der Abschied von den Schulen. In einer der Grundschulen rief ein Mädchen vor zwei Wochen schon völlig empört: "You can't leave now that we are coming to High School!" Ich habe ihr aus vollem Herzen rechtgegeben. Ich kann doch nicht einfach gehen...
In den Grundschulen sahen die Abschiede ganz unterschiedlich aus. Mal haben die Lehrerin und ich nicht mal erwähnt, dass es mein letzter Besuch in der Schule sein würde (sie hat sich aber hinterher bei mir für's Kommen bedankt), mal schrie einer der Jungen "NOOOOOOO!" als ich meine Jacke anzog und Anstalten machte zu gehen (er durfte mich dann nach unten begleiten). Die Schüler der einen Grundschule haben mir auch eine Karte pro Klasse und eine Kleinigkeit zum Abschied geschenkt. Das fand ich sehr süß.
Von der High School ist mir der Abschied besonders schwer gefallen. Gleichzeitig ist es aber noch so unwirklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich Montag NICHT zur Schule aufbreche. Ich habe es nicht geschafft, mich von allen Schülern zu verabschieden. In manche Klassen bin ich am Dienstag und Mittwoch reingegangen und habe Tschüss gesagt, aber nicht in alle. Durch den Feiertag am Montag war die Woche aber auch einfach verdammt kurz und am Mittwoch habe ich gar nicht unterrichtet. Mittwoch war ein Sportfest und ich dachte, dass ich die jüngeren Schüler dort eh sehe, aber die hatten da natürlich andere Sachen im Kopf; genauso wie die Highers am Dienstag, die ich kurz vor ihrer Deutschprüfung nun wirklich nicht damit behelligen wollte, dass es meine letzte Woche war. Von einer Higher-Schülerin habe ich aber am Tag danach eine Dankeschön-Karte bekommen, weil ich mit ihr so viel für die Prüfungen geübt habe. Die Schüler, von denen ich mich verabschiedet habe, fragten aber oft, wann ich denn wiederkäme.
Im März habe ich ja schon mit Victoria und Laura bei einem Abschiedsessen für Amelie und mich zusammen Abschied gefeiert, also haben wir an meinem letzten Schultag nur ein bisschen in der Base gesessen und gepicknickt. Ich hatte einen Rhabarberkuchen gebacken und Laura hatte Brot, Käse und Garnelendipp dabei. Sie und Victoria haben mir eine riesige Sorry you're leaving-Karte überreicht, in der ziemlich viele Schüler (darunter alle meine Schüler vom Legendenprojekt, wenn ich das richtig sehe) unterschrieben hatten. Das hat mich total gefreut. Irgendwann konnte ich den Abschied von meinen Kolleginnen aber nicht weiter rausschieben (schließlich warte Denise auf mich). Also habe ich den Abschied auf meine ungeschickte Weise mich zu verabschieden hinter mich gebracht und habe mit einem komischen Gefühl die Schule verlassen. Immerhin habe ich in meiner Karte, die ich den beiden geschrieben habe, bessere Worte gefunden als beim Abschied. Geweint habe ich erst am Tag danach, als ich auf dem Rückweg von der Grundschule nun zum wirklich allerletzten Mal an der Schule vorbeifuhr. 
Auch wenn es manchmal schwierig war, werde ich die meine Tätigkeit als FLA, die Schüler (zumindest die meisten) und natürlich meine Kolleginnen sehr vermissen. Es hat mir Spaß gemacht, über Deutschland zu erzählen und mir unterschiedliche Sachen zu überlegen, um mit den Kindern Deutsch zu üben. Und ich habe ziemlich viel gelernt. Über Schüler-Lehrer-Beziehungen, Unterrichtvorbereitungen, Zeitmanagement, Kommunikation... Wenn ich könnte, würde ich direkt nochmal anfangen.

Samstag, 23. Mai 2015

Schottlands Ruhrgebiet

Die Erstklässler haben vor einiger Zeit Die Vorstadtkrokodile 2 gesehen. Als Ruhrpottlerin mit Migrationshintergrund habe ich ihnen bei der Gelegenheit eine Präsentation über das Ruhrgebiet gezeigt und dabei festgestellt, dass auch die Umgebung um Glasgow herum eine Bergbau-Vergangenheit hat. Irgendwie ist das logisch. Ich hatte ja von Schiffswerken am Clyde und Stahltransport auf dem Wasser gehört, aber nicht eins und eins zusammengezählt.

Heute Vormittag bin ich nach Coatbridge gefahren und habe mir das Summerlee Museum of Industrial Life, das zur Häfte ein Freilicht- und zur Hälfte ein überdachtes Museum ist. Als ich darauf zulief, erinnerte es mich schon irgendwie an Zollverein, auch wenn der Förderturm, den ich später gesehen habe, sehr viel weniger imposant war, und in die ausgestellte Lore höchstes halb soviel Kohle passt wie in die, die man in Essen sieht. Da wurden mir die Dimensionen von Zollverein noch mal so richtig bewusst. Allerdings sind die meisten Ausstellungsstücke in Summerlee mindestens aus den 1930er Jahren, während Schacht XII von Zollverein jünger ist.
Ein Kran oder ein Kamel?

Das Museum beschäftigt sich aber nicht nur mit Bergbau sondern mit ganz vielen verschiedenen Industrien. Die Stahlproduktion scheint hier noch eine größere Rolle als Kohleabbau gespielt zu haben, aber sogar ein Webstuhl war ausgestellt, weil Weben auch lange eine wichtige Industrie um Glasgow denkt. Paisley, 11 km östlich von Glasgow, war im 19. Jahrhundert das Zentrum der Web-Industrie - und Namensgeber des Paisley-Musters (auch wenn das Muster an sich ursprünglich aus dem persischen Raum kommt).
Man kann einige Maschinen im Museum bewundern und an einer Art Simulator versuchen, ob man das Zeug dafür hat, um an einem Hochofen zu arbeiten (mir ist das Ganze zweimal um die Ohren geflogen). Es wird aber auch sehr viel Wert auf die sozialen Bedingungen gelegt. Es gibt Informationen über Fabrik- und Bergwerkbesitzer, die reich waren und viel Einfluss hatten und sich gegenseitig auf Dinnerpartys unterhalten haben, während die Arbeiter es natürlich längst nicht so gut hatten, zu siebt in einem Raum lebten, die Kinder nicht zur Schule schicken konnten und sich überwiegend von Brot, Kartoffeln und Haferbrei ernährten. Deswegen haben die Arbeiter auch "friendly societies", um sich gegenseitig zu unterstützen. Weil Hausfrauen da nicht aufgenommen wurden, gründeten sie ihre eigene Society, in der sie neue Sachen lernen konnten und mit Politik in Verbindung kamen. Die Frauen von Coatbridge machten zum Beispiel eine Ausstellung, bei der sie ihre Handarbeit-Erzeugnisse zeigten.
Wie auch im Ruhrgebiet sind viele Menschen aus anderen Ländern in die Umgebung von Glasgow gezogen, um in den Fabriken/ Bergbau zu arbeiten. Zuerst waren es vor allem Iren, später auch Asiaten und Osteuropäer. Durch diese Abteilung bin ich aber falschrum gelaufen und war etwas verwirrt, was die traditionelle litauische Tracht in der Vitrine zu suchen hatte, bevor ich das Schild im nächsten Glaskasten las.
Im Open Air-Teil des Museums kann man mit einer alten Tram zu einem Arbeiter-Straßenzug fahren (ich bin aber zu Fuß hingegangen). Jedes Haus in dem Straßenzug stellt ein anderes Jahrzehnt dar und zeigt wie die Menschen damals gelebt haben. Es ist interessant zu sehen, wie innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren die Wohnungen größer und besser eingerichtet werden. Und aus der Wohnung der 1980er kamen mir tatsächlich Sachen bekannt vor - diese komische Puppe mit dem unförmigen Kopf zum Beispiel. Was mich allerdings irritiert hat, war die Wäscheleine zwischen den Häusern. Die Wäsche dort wird nicht lange sauber gewesen sein. 

Umfassend gebildet ging es also wieder nach Hause zum Eurovision Song Contest. Ich habe herausgefunden, dass ich bei meinem Fernseher Untertitel zu den Liedern einstellen und mitsingen kann. Das ist besonders bei den Liedern, deren Sprache ich nicht kann sehr lustig. Ich finde, es sollte die Regel werden, dass alle Teilnehmer in ihrer Landessprache singen sollen und dann die Zuschauert mit Untertiteln zum Mitsingen versorgt werden.

Einmal zum Leuchtturm und zurück

(Keine Angst, dieser Post wird nicht so ausführlich wie Virginia Woolfs To The Lighthouse ;-))

Gestern habe ich meinen Tandempartner in Montrose besucht. Wir hatten uns eine ganze Weile nicht gesehen (Montrose ist ein ganzes Stück von Glasgow entfernt - es liegt zwischen Dundee und Aberdeen) und es war sehr schön, ihn mal wiederzusehen. Außerdem habe ich so einen weiteren Flecken von Schottland kennengelernt. Ich glaube, Matthew hat sich zuerst ein paar Sorgen gemacht, ich könne mich langweilen, weil Montrose recht klein ist. Zum Vergleich: Es hat ungefähr die Hälfte der Einwohner meiner Geburtsstadt. Aber ich war ja in den Osterferien auf Orkney. Mich schockt nichts mehr. Außerdem hatte ich auf Facebook Fotos gesehen, die er von Montrose gepostet hat (u.a. besagten Leuchtturm) und die hatten mir gut gefallen. Und ich fand es nur gerecht, dass ich auch einmal den Weg auf mich nehme, um ihn zu treffen.
Bevor wir die Wanderung zum Leuchtturm wagen wollten, beschlossen wir aber doch erst mal eine Kaffee/ Tee-Pause einzulegen. Auf dem Weg zum Café zeigte Matthew mir auch seine alte Schule, die als Besonderheit eine golden angestrichene Kuppel hat. Die nächste Exkursion der Theologie kann also problemlos nach Schottland gehen. Hier gibt es nicht nur die rote Erde wie in Edom (ihr erinnert euch an Hoy); auch die schöne Kuppel des Felsendoms ist hier zu finden. Was will man mehr?
Danach sind wir zum Leuchtturm gelaufen und ich stellte fest, wie schön es an der Küste doch ist. Das Meer wird mir fehlen, wenn ich zurück nach Deutschland komme. Obwohl der Himmel nicht so ganz vielversprechend aussah, kamen wir trockenen Fußes am Leuchtturm an und auch wieder zurück in die Innenstadt, wo wir auf einmal merkten, wie schnell der Nachmittag herumgegangen war (ich hätte schwören können, dass es frühestens halb sechs und nicht viertel nach sieben war). Ich bin fest davon überzeugt, dass die Uhren sich seit dem Beginn des Jahres viel schneller drehen als vorher.

Dumbarton Castle

Als ich vor meinem Ausflug nach Inverness im Lehrerzimmer erzählte, dass ich zum Urquhart Castle wolle, fragte Laura mich, warum gerade Urquhart Castle. Irgendwie hat mich diese Frage verwirrt, weil ich davon ausgegangen war, dass das ein recht beliebtes Touristenziel ist. Schließlich liegt es am Loch Ness und was dieses Loch betrifft, flippen ja alle Touristen total aus und auch wenn ich hier lebe und arbeite, klappere ich ja schon auch die Touristenorte ab. Auf das Dumbarton Castle bezogen hätte ich diese Reaktion noch verstanden (viel kleiner) - obwohl das auch sehr schön ist.
Als ich nach Helensburgh gefahren bin, kam ich durch Dumbarton East und las auf dem Schild "Alight here for Dumbarton Castle". Ich dachte mir spontan, dass ich mir das doch auch mal ansehen sollte und bin Dienstag nach der Schule hingefahren. Es war nur eine semi-gute Idee, weil ich ziemlich hetzen musste und als ich am Castle ankam, war ich eigentlich schon zu spät dran. Ich hatte zwar im Internet die Öffnungszeiten nachgeguckt, aber Historic Scotland (oder die Mitarbeiter auf der Burg) hatten spontan beschlossen, doch schon um fünf und nicht erst um halb sechs zuzumachen, ohne das auf der Website zu vermerken. Ich war um viertel vor fünf da und mir wurde gnädigerweise eine halbe Stunde zur Besichtigung eingeräumt. 
Der erste Schock kam allerdings schon lange, bevor ich an der Burg ankam. Nämlich, als ich in die Straße einbog und Folgendes sah:
Oh, verdammt, würde ich den ganzen Berg hoch müssen?
Ich musste den ganzen Berg hoch, aber es ging erstaunlich gut, weil da Treppen waren. Die Aussicht war toll und die Burg fand ich auch super. Das Tor hat mich sehr an Ronja Räubertochter erinnert. Ich wäre gerne noch ein bisschen da geblieben, aber ich hatte ja nur 30 Minuten Zeit.

Die Wolfsklamm mit Stufen ;-)





Donnerstag, 21. Mai 2015

Abschied von den Highlands

Letzten Freitag war ich nochmal auf eigene Faust in Inverness und bin diesmal über Nacht bis Samstag geblieben. Als ich Samstagabend zurückfuhr, fiel mir auf, dass das die letzte Fahrt durch die Highlands während meiner Assistentenzeit sein würde und wurde etwas melancholisch. Glücklicherweise habe ich die zwei Tage in Inverness gut genutzt.
Am Freitag bin ich zuerst ein bisschen durch die Stadt geschlendert und habe zu meiner großen Begeisterung wieder einen Einhorn-Pfeiler entdeckt. Ich glaube, viel mehr als eine allgemeine Liebe zu Einhörnern, ist es einfach die Tatsache, dass das Einhorn das schottische Wappentier ist, die mich immer wieder ausflippen lässt, wenn ich ein Einhorn sehe.
Ich bin auch zum Castle gegangen, aber da sind irgendwelche Büro-Räume und das Gericht drin, deswegen habe ich es gar nicht erst versucht hineinzugehen. Vor dem Castle steht auch eine Statue von Flora MacDonald. Als die Jacobiter 1746 die Schlacht von Culloden nahe Inverness verloren, half Flora MacDonald Bonnie Prince Charlie zur Flucht. Ich hätte mir das Schlachtfeld von Culloden (auch eine wichtige Schlacht in der schottischen Geschichte) ansehen können, allerdings hätte ich dafür wohl am besten ein Auto gebraucht und dachte mir, dass das den Aufwand nicht wert sei.
Danach war im Inverness Musuem and Art Gallery und habe wieder viel Spaß mit den Kinder-Aktivitäten gehabt. Piktische Muster zeichnen, einen Mantel in der Mode des 14. Jahrhunderts anprobieren... Sowas eben. Im Erdgeschoss des Museums ging es vor allem um die frühe und mittelalterliche Geschichte Schottlands und das schottische Wildlife. 
Man durfte ausgestopfte Füchse, Dachse und andere Tiere anfassen. Das habe ich dann aber doch nicht gemacht. Ein bisschen irritierend fand ich auch, dass in den Glaskästen, die den Lebensraum der Tiere darstellten, auch Müll lag. Eine Getränkedose, kleine Plastikteile usw. Ich weiß nicht, ob das auf die Umweltverschmutzung aufmerksam machen sollte oder ob Museumsbesucher es geschafft haben, Müll in die Kästen zu werfen.
In der zweiten Etage habe ich gelernt, dass es ein Tree Alphabet gibt. Ich weiß nicht, wofür das nützlich ist, aber der Baum, der zum Buchstaben R gehört, ist Holunder (Elder im Englischen - ich frage mich, warum im siebten Harry Potter-Buch immer von Elder-Stab gesprochen wird, wenn es doch eigentlich Holunder sein sollte). Auf dem Schild wurde extra erwähnt, dass Holunder häufig mit Magie verbunden wird. Passt also.
Der Kunstteil des Museums beschäftigte sich mit Kurzfilmen, die ich übersprungen habe. Stattdessen bin ich direkt in die Abteilung gegangen, die sich mit Leben und Identität in den Highlands beschäftigte. Es wurden einige Gegenstände aus dem Alltag in Inverness zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert ausgestellt. Außerdem gab es Tafeln, die sich mit Liedern, Legenden und Traditionen beschäftigten und zu dem Schluss kamen, den ich schon aus der Uni kannte: Viele Traditionen sind invented traditions und gar nicht so alt wie wir denken.
Als ich aus dem Museum kam, regnete es so stark, dass ich mich entschied, wieder in den schönen Secondhand-Buchladen zu gehen, in dem ich schon bei meinem ersten Besuch in Inverness war. Ich habe den Laden mit drei Büchern wieder verlassen.
Danach habe ich im Hostel eingecheckt. Leider hatten die Leute vor mir ihren Schlüssel nicht abgegeben, deswegen bekam ich keinen. Zum Glück war abends eine andere Frau an der Rezeption, die mir den Schlüssel der Putzfrauen gab, sonst wäre das sehr blöd geworden. Ich habe mich kurz ausgeruht und mich dann wieder auf den Weg gemacht (so einladend war das Zimmer nicht).
Ich bin am Fluss Ness spazieren gegangen, bis anfing zu regnen und ich zurück ins Hostel gegangen bin. Es war noch früh, aber ich war schon müde und fand es ganz nett, alleine im Zimmer zu sein. Ich habe gelesen und ziemlich früh (für meine Verhältnisse) geschlafen. Die Ankunft der zwei Tamilen, die mit mir im Zimmer waren habe ich noch mit bekommen, aber den vierten Zimmermitbewohner habe ich erst am nächsten Morgen kennengelernt.

Der nächste Morgen begann auch viel zu früh. Um Viertel nach fünf wurde ich zum ersten Mal wach, weil jemand aufstand, seine Sachen packte und ging. Eine Weile später wurde gequatscht und jemand versuchte, das Schließfach im Raum zu nutzen. Und um acht sagte der vierte Mann, ein ca. 50-jähriger Alt-Hippie, zu mir: "Are you STILL sleeping?" Ich war kurz davor zu antworten: "It is f*cking eight o'clock on a f*cking Saturday morning. What do you think I'm doing?!" Ich habe mich damit begnügt, ihn darüber zu informieren, dass ich mittlerweile wach sei und die Rezeption und Küche doch eh erst um acht aufmachten. Er sagte, es gäbe aber auch schon im Gemeinschaftsraum Kaffee, und erzählte mir von seiner Thailand-Reise, bei der er immer umsonst im Tempel gegessen habe. Ich tat so, als hörte ich zu und war sehr froh, als er den Raum auf der Suche nach Kaffee verließ. Ich beschloss, nicht im Hostel zu frühstücken und setzte mich in ein Café. Durch das Fenster konnte ich Inverness erwachen sehen. Es ist ja nicht so, dass dort derartig der Bär steppen würde, dass man unbedingt morgens um sechs aus dem Bett springen muss...
Ich bin wieder ein bisschen durch die Stadt gewandert, habe mir den Victorian Market (eine schöne Markthalle aus dem 19. Jahrhundert) und die Kathedrale angesehen und dann mit dem Bus zum Urquhart Castle gefahren. 
Als ich ganz neu in Glasgow war, meinte meine deutsche Mitbewohnerin (mit der ich nur zwei Wochen zusammen gewohnt habe), bis zum Ende meine Assistentenzeit würde ich so oft zum Urquhart Castle fahren, dass es mir irgendwann zum Hals raushinge. Nun ja, ich war jetzt zum ersten Mal. Es ist eine Burgruine direkt am Loch Ness. Schon zum St Columbas Zeiten (6. Jahrhundert) hat ein Pikten-Oberhaupt an dieser Stelle gewohnt und wurde auf dem Sterbebett von St Columba zum Christentum konvertiert (laut der Legende). Im Mittelalter war die Stelle am Ufer des Lochs ein strategisch wichtiger Punkt. Es wurde eine Burg gebaut, die durch verschiedene Hände gegangen ist; nach der Schlacht von Culloden gehörte sie auch zwischendurch den Engländern. Im 16. Jahrhundert hat der MacDonald Clan bei einem Raubzug das Schloss komplett leer geräumt (als ich das gelesen habe, erinnerte ich mich, dass uns im Schottlandseminar erzählt wurde, dass die Clans sich gerne gegenseitig die Rinder geklaut haben). 1690 wurde das Castle aufgegeben und in die Luft gejagt, damit die Jacobiter nicht einziehen konnten.
Samstag war wieder so ein four-seasons-in-one-day-Tag. Innerhalb der zwei Stunden, in denen ich da war, haben Regen und Sonne sich sicher dreimal abgewechselt. Aber dafür habe ich sowohl Fotos vom Loch Ness in der Sonne als auch im Dunst machen können. Und weiterhin habe ich kein Anzeichen von Nessie gesehen...




Ich bin nach Inverness zurückgefahren und hatte eigentlich zu viel Zeit übrig. Um die Zeit zu nutzen, bin ich noch einmal durch die Stadt gebummelt, habe dann aber entschieden, mich einfach in den Busbahnhof zu setzen und zu lesen.


Donnerstag, 14. Mai 2015

Ein Wochenende mit dem National Trust

Die letzte Woche war komisch. Durch einen Bank Holiday und eine britische Version des pädagogischen Tags hatte ich nur zwei Tage Schule. Ich habe zwar viel Zeit des langen Wochenendes für meine Bewerbung für das Referendariat genutzt - und musste dafür sogar noch Edinburgh zum Konsulat fahren, um mir eine, nennen wir es, Identitätsbescheinigung für den Antrag auf das polizeiliche Führungszeugnis ausstellen zu lassen (was für ein Spaß, aber immerhin habe ich dafür die Station Haymarket kennengelernt, bei der ich dank Ian Rankin und meiner Staatsarbeit immer daran denken muss, dass "getting off at Haymarket" (angeblich) Edinburgher Slang für Coitus interruptus ist...) - aber ich habe mir auch ein paar Häuser des National Trust for Scotland angesehen. Uff, entschuldigt bitte den Bandwurm-Satz.
Kurz vor meinem 26. Geburtstag bin ich schnell dem National Trust und Historic Scotland beigetreten (damit ich noch den Studententarif bekomme). Beides sind Organisationen, die sich für die Erhaltung historischer Gebäude und die Denkmalpflege einsetzen. Bisher habe ich meine Historic Scotland-Mitgliedschaft viel mehr ausgenutzt, weil ich finde, dass die die interessanteren Gebäude haben (viele der Sachen auf Orkney, die Schlösser in Edinburgh, Stirling und Urquhart etc.), aber ich wollte meine National Trust-Mitgliedschaft nicht ungenutzt lassen und eins der Häuser, das Tenement House in Glasgow, wollte ich schon seit meiner Ankunft hier sehen. Leider ist der National Trust ziemlich streng, was das Fotografieren angeht und ich konnte kaum Fotos machen.

Ein Tenement House ist ein Mietshaus. Die meisten tenements in Glasgow stammen aus dem 19./20. Jahrhundert, als die Bevölkerung in Glasgow (und Edinburgh) aufgrund der Industrialisierung boomte. Sie sind aus schönem roten oder gelben Sandstein, was zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aber keine Rolle gespielt haben wird, weil die Luft in Glasgow so dreckig war, dass alles schwarz gefärbt wurde. Es gab sie in zwei Varianten: Küche mit Bettnische für Arbeiterfamilien oder die Luxusvariante mit einem oder zwei Räumen plus Küche für die Mittelklasse. 
Das Tenement des National Trust ist eine dieser Luxusvariante - es hat sogar ein eigenes Bad in der Wohnung. Es wurde von Agnes Toward und ihrer Mutter bewohnt. Das Großartige an der Wohnung ist, dass ihre  Bewohnerin alles aufgehoben und kaum Sachen in der Wohnung geändert hat bis sie 1965 in ein Altenheim umziehen musste. Bis in die 1950er oder so hatte sie nicht einmal Gas in der Wohnung. Sie hat auf einem Kohleofen gekocht, obwohl sie sechs Tage die Woche gearbeitet hat und das mit der Kohle sicher länger gedauert hat als mit Gas. Die Wohnung zeigt also ziemlich gut das Leben der Glaswegian Mittelklasse zu  Beginn des 20. Jahrhunderts.
Im Erdgeschoss des Hauses gibt es eine Mini-Ausstellung sowie einen kleinen Shop, aber die eigentliche Wohnung liegt im ersten Stock. Man muss klingeln und wird von einem Mitarbeiter vom National Trust reingelassen. Als ich da war, war die Bude ziemlich voll mit schätzungsweise zehn bis fünfzehn Besuchern und drei Damen vom National Trust, die über das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts plauderten und sogar mir sagten, dass ich, wenn ich weitere Geschichten wüsste, die gerne beisteuern könnte. Das konnte ich zwar nicht, aber dafür wurde mir der Kohleofen erklärt, mir  erzählt, dass Agnes Toward und ihre Mutter einen Untermieter hatten, damit sie sich die Wohnung leisten konnten und selten im Salon waren, um so Heizkosten zu sparen. Irgendwie fragt man sich dann schon, warum sie nicht direkt die Variante genommen habe, die aus Küche mit Bettnische bestand... Vermutlich hätten sie dort das Klavier nicht unterbringen können und das war eins der wenigen Hobbies Agnes Towards.

Einen Tag später habe ich mich auf den Weg in den Pollok Country Park gemacht, den mir Hélène schon stark ans Herz gelegt hatte, und habe mir da auch das Pollok House angesehen. Was für ein Kontrast zum Tenement House! Es ist ein Adelshaus und laut dem National Trust Schottlands Antwort auf Downton Abbey. Abgesehen von alten Möbeln und einem Scrapbook aus dem 18. oder 19. Jahrhundert (ich will übrigens auch ein Scrapbook von Schottland machen, wenn ich zurück komme) konnte ich viele viele Bilder von Goya, El Greco und anderen spanischen Künstlern sehen. Besonders hervorgehoben wurde ein Bild El Grecos, das eine junge Frau mit einem Pelzkragen zeigt. Man ist sich nicht sicher, wer die junge Frau auf dem Bild ist. Die Spekulationen gehen von El Grecos Tochter bis hin zu der spanischen Prinzessin. aber völlig abgesehen von der Frage, wer auf dem Bild abgebildet ist; die größte Überraschung ist vermutlich, dass sich in einem nicht so wichtigen schottischen Haus eine beträchtliche Sammlung spanischer Kunstwerke befindet. Aber einer der Bewohner des Hauses war einer der ersten schottischen Kunsthistoriker, der sich mit Spanien beschäftigt hat und deswegen auch eine Sammlung Gemälde verschiedener Künstler angelegt hat.




Die Gärten des Pollok Houses sind auch toll. Leider waren einige Blumen schon ab- und die nächsten noch nicht aufgeblüht, aber ich fand die Anlage trotzdem sehr schön. Wenn ich Glück gehabt hätte, hätte ich auch Shire Horses sehen können. Die Frau im Pollok House hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Leider standen die Pferde nicht auf der Weide. Dafür habe ich sehr  viele Highland Cows gesehen. Der ganze Pollok Park scheint von ihnen bevölkert zu sein. Das ist schon verrückt. Da haben Amelie und ich uns so verrückt gemacht, auf den ISUK-Touren Highland Cows zu sehen und hätten einfach nur in einen Park in Glasgow fahren müssen... Wer hatte gedacht, dass es so einfach sein könnte?


Da aller guten Dinge drei sind, habe ich am letzten Wochenende noch ein drittes Gebäude des National Trusts besichtigt. Es ist das Hill House in Helensburgh, das von Charles Rennie Mackintosh, Glasgows Lieblingsarchitekten (ich hatte ihn im Oktober schon mal erwähnt) und seiner Frau entworfen wurde. 
Von außen sieht es nicht besonders aus und ich hatte ja schon mal gesagt, dass ich seine Möbel äußerst unpraktisch finde. Mal im Ernst: Was bringt die ein Schreibtisch, der wie ein Triptychon aufgebaut ist und ein japanische Frau im Kimono zeigt, wenn man die Schreibfläche erstmal suchen muss? Was mir aber gut gefallen hat, war eine Art Alkoven, der ein bisschen wie ein Schiff aussah und bei den Kindern, die in dem Haus gelebt haben (verständlicherweise) sehr beliebt war. Außerdem fand ich die Überlegung, die Kinderzimmer nach Osten auszurichten, weil die sowieso morgens schon früh auf den Beinen sein und so das Morgenlicht ausnutzen konnten, sehr logisch. 
Helensburgh an sich ist eine kleine Stadt am Firth of Clyde. Als ich mit der Bahn ankam, dachte ich mir: "Schön ist anders", aber ich glaube, das lag vor allem an der Nachbarschaft des Bahnhofs. Von einer genaueren Erkundung des Orts habe ich aber abgesehen, weil es mal wieder regnete und ich keine Gummistiefel anhatte.

Außerdem habe ich an dem Wochenende zwei Sachen gemacht, die nicht National Trust-bezogen waren. Zum einen war ich im Glasgow Police Museum (ja, was es nicht alles gibt). In einem Raum wird die gesamte Geschichte der Glasgow City Police von 1779 bis 1975 (als sie mit der Strathclyde Police verschmolz) dargestellt. Zunächst bestand die Polizei nur aus einer Art Patrouille oder Nachtwächtern, aber - so berichtete der Museumsführer mit Stolz geschwellter Brust - diese Notwendigkeit einer Polizei und die Einstellung der Constables geschah 50 Jahre bevor in London die Metropolian Police gegründet wurde. Man muss auf jeden Vorsprung den Engländern gegenüber stolz sein, wie es scheint. 
Zuerst hatte ich den Eindruck, das Museum würde jeden einzelnen Fall, den die Polizei je aufgeklärt hat, beschreiben, aber ganz so ausführlich war es dann doch nicht. Man konnte sich verschiedene Schlagstöcke und Uniformen der Polizei im Wandel der Zeiten ansehen. Außerdem gab es Fotos von frühen Police Boxes (Tardis ;-)), wichtigen Polizisten und den ersten Frauen bei der Polizei, die zuerst nur für Verbrechen, in die Frauen oder Kinder irgendwie verwickelt waren, oder für den Begleitschutz von Frauen und Kindern zuständig waren. Einige bekannte Verbrechen wurden auch dargestellt. Darunter war der Bibel John-Fall, der in Ian Rankins Black and Blue erwähnt wird (Über das Buch haben eine Kommilitonin  ich im Schottland-Seminar an der Uni ein Referat gehalten. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich später nochmal von Bible John lesen würde.)

Die andere Nicht-National-Trust-Aktion war das Katzenjammerkonzert im Òran Mór (der Pub, der mal eine Kirche war und der auch einen Club im Keller - oder sollte ich Krypta sagen? - hat). Ich war zwar bei meinem Heimatbesuch im März bei einem Konzert in Bielefeld, aber das Òran Mór-Konzert konnte ich mir schon allein wegen der Venue nicht entgehen lassen. Außerdem stellte ich fest, dass der Rahmen des Konzerts sehr viel kleiner war die in Deutschland, was sehr schön war. Wenn man von den zwei Betrunkenen absieht, die immer mal wieder reingerufen haben, war das Konzert auch wirklich sehr schön. Mittlerweile kann ich mich auch zumindest mit einem Teil der neuen Lieder anfreunden, auch wenn ich die alten nach wie vor besser finde.
Nach dem Konzert bin ich mit ein paar Leuten, von denen ich zwei von Konzerten in Deutschland kannte, noch was trinken gegangen. Wir waren in einem Irish Pub im West End, wo noch Live Musik gespielt wurde und wo wir eine Irin getroffen haben, die die langen Haare eines der männlichen Mitglieder unserer Gruppe sehr toll fand (und unbedingt anfassen musste) und uns alle zum tanzen aufforderte. Muss ich erwähnen, dass sie ziemlich angetrunken war? Ich fand es sehr amüsant. Alles in allem ein sehr gelungener Abend und ein gelungenes Wochenende.

Dienstag, 12. Mai 2015

Harry Potter und die Versammlung der Botschafter

Am ersten Mai-Wochenende war ich wieder in London. Die FLA/ ELA Ambassadors haben sich getroffen, um über ihre Projekte zu sprechen und die Zeit als Botschafter zu evaluieren. Meine Projektpartnerin Amy und ich wurden sogar gefragt, ob wir unser Projekt als Beispiel für eins der besonders Gelungenen vorstellen wollten. Das hat uns sehr gefreut. Ich hatte vorher gar nicht das Gefühl gehabt, dass unser Projekt so herausragend war. Wir haben viel positives Feedback bekommen und nachdem, was ich von anderen Projekten gehört habe, hatten Amy und ich einerseits viel Glück mit unseren (Betreuung-) Lehrerinnen, die uns bei dem Projekt unterstützt aber nicht zu sehr bemuttert oder eingeschränkt haben, und haben andrerseits auch gut zusammengearbeitet.
Außer uns beiden haben noch fünf andere Projektgruppen vorgestellt. Die ersten vier haben am Freitag vorgestellt, die anderen beiden (dazu gehörten Amy und ich) am Samstag. So hatte ich genug Zeit, mir Gedanken zu machen, dass die bereits vorgestellten Projekte alle viel besser seien als unseres. Die restliche Zeit des Evaluationseminars haben wir in Kleingruppen darüber gesprochen, welche Probleme aufgetreten sind, wie wir die gelöst haben, wie nachhaltig unsere Projekte sind usw. Es war schön, die anderen wiederzusehen. Allerdings waren einige auch nicht mehr dabei. Ich weiß nicht, ob sie einfach keine Zeit hatten oder ausgestiegen sind.
Freitagabend war ich mit mehreren FLAs und ELAs was trinken. Es hat etwas gedauert, bis unsere große Gruppe sich entschieden hatte, wo wir hin wollten, aber letztendlich haben wir einen Pub gefunden. Eine Gruppe ELAs hat es sich einfacher gemacht und hat einfach Alkohol im Supermarkt gekauft. Wir fühlten uns aber zu alt, um wie Schüler auf Klassenfahrt heimlich irgendwo Alkohol zu trinken - wobei mich die Vorstellung, die Ambassador-Beauftragte von UK-German Connection würde wie die Lehrer Zimmerkontrolle machen, amüsiert hat. Aber wir haben es auch nicht übertrieben (wir sind ja vernünftig) und waren am nächsten Morgen wieder einsatzbereit.
Wir haben sogar so hart gearbeitet, dass wir kaum etwas von der Geburt der kleinen Prinzessin mitbekommen haben. Denise hatte mir morgens geschrieben, dass es so unfair sei, dass ich in London sei (und sie nicht), da doch die Geburt kurz bevor stünde. Meine Zimmermitbewohnerin und ich haben kurz darüber gescherzt, dass wir zum Krankenhaus gehen könnten, aber das war es dann auch. In der Tee-Pause machte es dann die Runde, dass Prince George eine Schwester habe. Alle holten ihre Handys raus. Bilder der rosa-angestrahlten Tower Bridge, der Seeleute der Royal Navy, die das Wort "sister" bilden und des BT Towers, der "It's a girl" verkündete, wurden herumgezeigt. Aber sonst? Nichts. Gut, die ELAs diskutierten direkt, ob man die Monarchie nicht abschaffen sollte, aber angesehen davon wurde die Geburt von Platz vier der britischen Thronfolge nicht erwähnt. Wir hätten doch wohl mal zum Buckingham Palace gehen und ein Gruppenfoto mit der Verkündigung machen können...
Eigentlich wollte ich mit ein paar anderen nach Ende des Seminars zur Tower Bridge. Angelina, Lena, Melanie und ich hatten beschlossen, am Sonntag in die Harry Potter Studios zu gehen. Also hatten wir Zeit. Allerdings wollten wir erst zum Hostel, um unsere Koffer wegzubringen, und bekamen dann von Katharina eine SMS, dass die Brücke mittlerweile nicht mehr angestrahlt wurde. Schade.
Ursprünglich hatte wir, die Harry Potter-Gruppe, Katharina und Elisabeth (die Gruppe, mit der ich im November Mockingjay gesehen habe), auch überlegt, uns ein Musical am Samstagabend anzusehen. Leider kamen wir mit der Planung nicht in die Pötte und haben keine Karten mehr bekommen. Im Endeffekt sah es dann so aus, dass Katharina und Elisabeth sich mit einer Freundin von Katharina trafen, Lena sich mit einer anderen FLA Matilda ansah und Angelina, Melanie und ich Karten für Miss Saigon kauften. Es handelt von einer Vietnamesin, die sich in den letzten Wochen des Vietnamkriegs in einen amerikanischen Soldaten verliebt und ein Kind von ihm bekommt. Sie werden aber durch den Abzug der Soldaten getrennt und er weiß nichts von seinem Sohn... Sehr dramatisch das Ganze. Aber die Sänger waren gut. Ab und zu hätte ich mir ein bisschen mehr geschichtliches Wissen über den Vietnamkrieg gewünscht. An einer Stelle war ich total verwirrt, es klärte sich aber alles durch einen Rückblick auf.

Sonntag ging es dann nach Hogwarts! Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz in den letzten neun Monaten schon geschrieben habe. :-D Hogwarts ist an so vielen Orten. Die Harry Potter-Studios nehmen da nochmal einen besonderen Stellenwert ein, denn sie sind sozusagen die Essenz von Harry Potter (also der Filme). Aber andrerseits hatte ich in Alnwick Castle oder Durham eher das Gefühl, wirklich in Hogwarts zu sein. Die Studios sind riesige Hallen, in die Szenenbilder und Requisiten gestopft sind. Man kann den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, den Jungenschlafsaal, Dumbledores Büro, die Zaubertränke-Kerker und das Haus der Weasleys sehen. Überall stehen Statuen, Porträts und Puppen mit den Kostümen der Schauspieler. Die Zauberstäbe, der Feuerkelch, die Horkruxe, eine Tafel mit Quidditch-Taktiken, Umbridges Kätzchenteller, der Stein der Weisen und vieles mehr sind ausgestellt. Auf mich wirkten die Studios wie der Raum der Wünsche. Aber gleichzeitig werden die Filme entzaubert, wenn erklärt wird, wie bestimmte Szenen gedreht wurden, wie der computergesteuerte Seidenschnabel entstanden ist, und welche Tricks angewandt wurden, um Harry unsichtbar zu machen oder auf einem Besen fliegen zu lassen. Trotzdem fand ich die Tour toll. Es gab nur auch Abteilungen, die ich mich weniger interessiert haben.
Obwohl wir früh aufgestanden waren, kamen ziemlich spät in Euston am Bahnhof an und verpassten den Zeitpunkt, für den wir eigentlich die Führung gebucht hatte. Aber das war zum Glück kein Problem und wir konnten an der nächsten teilnehmen. Wir mussten ohnehin anstehen. Die Führung war aber gar nicht soooo spektakulär. Im Grunde war es ein Herzlich Willkommen und eine Erklärung, wie das Ganze aufgebaut ist und wie wir uns verhalten sollen. Es gab einen Film, in dem die Schauspieler erzählten, was die Studios für sie bedeuten und was es heißt, einen Film zu sehen. Zum Schluss gab es eine Überraschung, die ich hier natürlich nicht beschreiben werden und danach wurden wir in die große Halle geführt.
Dort waren zwei Haustische aufgebaut und verschiedene Hogwartskostüme aller Häusers und einiger Lehrer ausgestellt. Faszinierend fand ich, dass der Fußboden aus echten Steinen war und im Stil der mittelalterlichen Kathedralen gebaut worden ist. Die Gästeführerin sagte, dass die Setbauer wussten, dass diese Boden lange würde halten müssen und sich deswegen entschieden haben, etwas Dauerhaftes zu bauen und nicht irgendwelche weniger stabile Materialien zu nehmen, die man leichter aufbauen kann und die vermutlich billiger sind. Es gab keine verzauberte Decke oder fliegenden Kerzen, die wurden beim Filmen später digital ergänzt.


Ich kann nicht sagen, was mein Highlight des Studios Tour ist. Die Überraschung zum Beginn war schon ziemlich großartig. Genauso wie der Gryffindor Schlafsaal und Gemeinschaftsraum. Und Dumbledores Büro. Und der Fuchsbau... Über Knöpfe konnte man das Strick selber stricken und das Gemüsemesser selber schneiden lassen. Und im Regal waren Cheeri Owls!
Es waren viele Kleinigkeiten, die man im Film nicht unbedingt gesehen hat, die ich ganz toll fand. Im Gryffindorgemeinschaftsraum hängt ein Porträt der jungen Minerva McGonagall. Überhaupt waren die Porträts ganz toll. Ich habe mir da keine Gedanken darüber gemacht, dass die ja auch alle gemalt werden mussten. Einige der Abgebildeten waren Leute, die hinter den Kulissen am Film mitgewirkt haben.
Rons Bett
Der Schlafsaal war mit persönlichen Gegenständen der Jungen dekoriert. Ein Fußballschal und -fahne für Dean, Chudley Cannons Fanartikel und eine bunte Strickdecke für Ron. In Dumbledores Büro  konnten wir die Porträts der schlafenden Schulleiter und Schränke voller merkwürdiger Gegenstände bewundern. Das Büro konnte man tatsächlich betreten. Zumindest mehr oder weniger. Mit ein bisschen Fantasie war es tatsächlich so, als wäre man in seinem Büro - wenn die gesichtslose Puppe im Dumbeldore-Kostüm einen nicht auf so merkwürdige Art und Weise ohne Augen angestarrt hätte.


Young McGonagall







Tolle Details gab es auch im Zaubertränkeklassenzimmer, auch wenn man lieber nicht allzu genau wissen wollte, was sich in den Gläsern mit den eingelegten Tieren befindet, und den Ausbildungserlassen von Umbridge. Besonders schön fand ich "Boys must be seen to keep their hands on the outside of their school capes." Ohne Worte. Allerdings fand ich schon im Film die scheinbare Fixierung Umbridges auf "sexuelle" Handlungen etwas übertrieben. Ich glaube, sie hatte ganz andere Sachen zu beanstanden. Auch das Heuler-Verbot fand ich etwas out of character. Wenn Umbridge drakonische Strafen wie Sätze mit dem eigenen Blut schreiben gutheißt, sollte eine Demütung vor der ganzen Schule im Form einen schreienden Briefs ihr doch eigentlich gut ins Konzept passen. Vor allen, weil sie sich dann nicht die Mühe machen muss, den Brief vorher zu lesen. Außerdem fand ich den Glasschaukasten mit den für den Film angefertigten Schriftstücken faszinierend. Bücher, Zeitungen, Briefe... Was hätten wir nicht für eine Ausgabe des Tagespropheten gegeben! Aber vermutlich wäre der, genau wie die Karte des Rumtreibers, völlig überteuert gewesen. In dem Schaukasten konnte man auch Umbridges "Letter of Concern" über Harry an McGonagall lesen. Der war sowas von großartig: "I would like to bring to your attention the insolent behaviour in class of Mr Potter." und eine Auflistung seiner Vergehen. Ich habe keine Briefe gelesen, die meine Kolleginnen an die Eltern unserer Schüler schreiben, aber so in etwa stelle ich mir das vor. Das passt auch so gut zu dem, was einer der Regisseure über die Harry Potter Bücher gesagt hat; nämlich, dass sie trotz Drachen und Magie immer noch eine britische Schulgeschichte sind. Ich fand das beim ersten Lesen etwas herablassend und habe mich gefragt, warum er dann überhaupt als Regisseur für die Filme angefangen hat (es war entweder der vom fünften oder vom sechsten Film und dem habe ich eh nicht verziehen, was er aus den Büchern gemacht hat), aber irgendwie stimmt es ja schon. Ich kann doch recht viel Schulalltag aus meiner Schule mit Hogwarts verbinden (oder zumindest mehr als mit meinem eigenen Schulalltag in Deutschland) - auch wenn Hogwarts natürlich viel cooler ist - und dieser Brief zeigt das trotz rosa Katzenbriefpapier sehr gut.

Für die Snape-Fans und Slytherins unter euch

Ein weiteres Highlight war natürlich auch der Hogwartsexpress. Ja, der Zug wurde ausgestellt! Es gibt immer einen wechselnden Teil der Ausstellung und wir haben eben den Hogwartsexpress gesehen.
Eigentlich wollte ich schon in Kings Cross ein Foto am Gleis 9 3/4 machen, aber mittlerweile machen die das Foto da professionell und man muss 10 Pfund bezahlen. Das habe ich nicht eingesehen, zumal ich ja auch eins aus den Anfangszeiten habe. Allerdings hätte ich gerne eins mit meinem Ravenclaw-Schal gemacht. In den Studios hatten sie auch Gepäckkarren in einer langen Reihe in der Wand stecken und Leute, die Fotos von einem machen. Ich habe auch eins von mir machen lassen, aber ein Foto kostet 12 Pfund. Vier bekommt man für 24, aber auch das fand ich extremst übertrieben. Zum Glück hat Melanie auch ein Foto von mir am Gleis gemacht, auch wenn ich nicht in ihre Richtung gucke.
Der Hogwartsexpress beendete den ersten Teil der Ausstellung. Als wir dort fertig waren, hatten wir schon drei oder vier Stunden in den Studios verbracht. Wir stärkten uns mit einem Sandwich und Butterbier, süßer Eischnee auf einer Art Apfelschorle. Butterbier ist überhaupt nicht empfehlenswert und ich bezweifele ernsthaft, dass das auch nur irgendwie an JKR Idee ran kommt. Es fängt schon damit an, dass es nicht heiß ist.
Nach dem Essenstop gab es ein paar Ausstellungsstücke draußen u.a. den fahrenden Ritter und die Brücke, auf der Harry und Lupin über Lily sprechen. Für ein Gruppenfoto stürmten Melanie, Angelina und ich fröhlich die Brücke und wurden von einer Aufseherin zurecht gewiesen, weil wir durch den Ausgang reingegangen waren. Ups. Die lustigsten  Fotos draußen sind aber im Ford Anglia und auf Hagrids Motorrad samt Beiwagen entstanden.


Eine Attraktion, die auf jeden Fall ein heißer Favourit für das ultimative Highlight des Ausflugs hat, ist die Winkelgasse. Das Schöne an ihr ist, dass man tatsächlich durchlaufen kann. Bei vielen anderen Orten wie dem Fuchsbau, Hagrids Hütte oder dem Schlafsaal kann man nur hinter einer Absperrung stehen und reingucken. In der Winkelgasse konnten wir tatsächlich zwischen den Läden her spazieren und die Schaufenster betrachten. Das war unheimlich cool. Die Geschäfte konnte man nicht betreten, aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen. Ich habe mich vor Flourish & Blotts fotografieren lassen und habe dann festgestellt, dass nur Lockhartbücher im Schaufenster liegen... Die Apotheke informiert darüber, dass der Handel mit Einhornblut illegal ist und Weasleys Zauberhafte Zauberscherze ist natürlich auch ein Hingucker.


Nachdem wir die Winkelgasse hinter uns gelassen hatten, kamen wir in Räume, in denen die Planungen ausgestellt waren. Skizzen und Modelle der Gebäude und gemalte Bilder, mit deren Hilfe Filmszenen geplant wurden. Manche fand ich besser gelungen als die eigentliche Szene. Außerdem gab es ein niedliches Bild von einem Plüschtier-Hippogreifen.
Den Schluss der Ausstellung bildet ein sehr großes Modell von Hogwarts. Es ist "nur" ein Modell, aber die Stimmung im Raum war toll und deswegen ist das auch ein Highlight-Anwärter. Zuerst ist man allein von der Größe des Modells fasziniert. Dazu gibt es eine ruhige Musik und es wird abwechselnd Tag und Nacht. Bei Nacht leuchten kleine Lämpchen an den Wegen. Ich hatte Gänsehaut. Es war auch einfach so toll, Teile von Hogwarts nicht nur aus den Filmen sondern auch von den Drehorten wiederzuerkennen. Den Kreuzgang der Durham Cathedral habe ich sofort entdeckt und nach kurzer Suche auch Alnwick Castle. Das Film-Hogwarts existiert komplett ja nur als Modell, weil es in vielen verschiedenen alten Gebäuden gefilmt wurde.



Unser Besuch endete im Souvenirladen. Wo sonst? Ich habe mich aber zurückgehalten und mir kein T-Shirt gekauft. Ich war versucht, aber Ravenclaw hat im Film die falschen Farben, ein anderes Haus wollte ich nicht, die Pixies waren mir zu verspielt und irgendwie habe ich es bezweifelt, dass ich tatsächlich in einem Chudley Cannons T-Shirt herumlaufen würde. Ein T-Shirt hat mir ziemlich gut gefallen. Es war schwarz mit einem roten Thestral (ja, etwas merkwürdige Farbwahl) und Lunas Zitat, dass Harry genauso wenig verrückt wie sie selber ist. Aber das T-Shirt gab es nur noch in S und damit hatte sich die Überlegung ganz schnell erledigt. Aber ich habe mir eine tolle Ravenclaw-Tasse und Postkarten gekauft.

Mein Zug nach Glasgow fuhr um zehn vor elf zurück. Die anderen haben noch lange mit mir am Bahnhof gewartet und ich war nicht sehr lange alleine, bis ich einsteigen konnte. Die Rückfahrt war allerdings eine Katastrophe. Ich hatte einen reclining chair im Nachtzug gebucht, konnte aber kaum schlafen, weil es kalt und unbequem war. In Edinburgh wurden wir morgens um sieben vor die Wahl gestellt, umzusteigen oder eine halbe Stunde Verspätung in Kauf zu nahmen (zusätzlich zu der Zeit, die wir planmäßig im Bahnhof rumstehen würden) und ich habe mich fürs Umsteigen entschieden. Ich dann letztendlich sogar eine Viertelstunde früher in Glasgow als ich ohne Verspätung mit dem anderen Zug gewesen wäre. Ich war total zerschlagen und am Ende, aber das war es definitiv wert.