Donnerstag, 30. April 2015

Ein Ort voller Geschichte

Nach den Osterferien stellte ich fest, dass ich nur noch sechs Wochen in Schottland sein würde. Diese Zeit muss natürlich sinnvoll genutzt werden. Deswegen war ich letzte Woche Freitag in Stirling. Ich war zwar schon zweimal da, aber habe es beide Mal nicht geschafft, das Wallace Monument und das Castle zu besuchen.
In früheren Zeiten war Stirling die Hauptstadt von Schottland und zwei wichtige Schlachten in der schottisch-englischen Geschichte fanden in oder nahe Stirling statt. Die Schlacht von Stirling Bridge (1297) und die Schlacht von Bannockburn (1314). Beide Male waren die Schlachten mit den schottischen Unabhängigkeitskriegen verbunden und beide Schlachten wurden von den Schotten gewonnen.
Stirling Bridge
In der Schlacht von Stirling Bridge hat sich William Wallace besonders hervor getan. Rein zahlenmäßig hätten die Engländer gewinnen müssen. Aber die Taktik der Schotten war besser. Die Engländer überquerten die Stirling Bridge, um zum Schlachtfeld zu kommen, aber anstatt dass die Schotten dort auf die Engländer warteten, fingen die Schotten an, sie auf der Brücke zu bekämpfen und ihnen den Rückweg abzuschneiden. Außerdem war mit den Pferden auf sumpfigen Gebiet nicht so viel anzufangen. Die Engländer, die die Brücke noch nicht gesehen hatten, sahen ein, dass sie nicht gewinnen konnten und zogen sich zurück. William wurde zum Guardian of Scotland ernannt. Später hat ihn aber der englische König Edward I. gefangen genommen und wegen Hochverrat ziemlich ausführlich hingerichtet. Eine Schülerin der P5 erklärte es mir vor Ostern folgendermaßen: "They tortured him and then they hung him. And because he wasn't dead, they chopped off his head. And then they sliced his stomach and took out all the stuff inside while he was still alive so he could see himself die. Well... of course that was before they cut his head off..." ("Sie folterten ihn und dann erhängten sie ihn. Und weil er noch nicht tot war, haben sie seinen Kopf abgehackt. Und dann haben sie seinen Bauch aufgeschlitzt und die Innereien rausgenommen, während er noch gelebt hat, damit er sich beim Sterben beobachten konnte. Nun... das war natürlich bevor sie seinen Kopf abgehackt haben..."). Denjenigen, die Braveheart gesehen haben, wird das Ganze bekannt vorkommen.
Die Stirling Bridge steht noch und ich bin darüber gegangen. Bannockburn habe ich aber nicht besucht. Als ich mit Amelie, ihrer Schwester und Freund in Stirling war, sind wir daran vorbei gefahren, aber wir sind nicht ausgestiegen. Der Anführer der Schotten in dieser Schlacht war Robert the Bruce. Sein Denkmal ist natürlich in Bannockburn.
Außerdem hat Stirling neben London (Westminster Abbey) die einzige noch erhaltene Kirche, in der Königskrönungen stattgefunden haben und zwar die Church of the Holy Rude. Ja, genau, das ist die Kirche, bei der ich mich im November-Stirling-Post darüber aufgeregt habe, dass sie meinen Namen nie richtig schreiben. ;-) James VI. von Schottland (Sohn von Mary Stuart) wurde dort im Kindesalter gekrönt.

Genug mit der Geschichte, zurück zu meinem Ausflug. Amelie hatte mir vom Wallace Monument erzählt und dass man von dort eine gute Aussicht habe. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Die Tage vorher hatten wir richtig tolles Wetter, aber dann meinte eine Frau beim Zumba, dass es am Wochenende schlechter werden sollte. Ich guckte mir die Wettervorhersage an und weil das Wetter am Freitag besser sein sollte am Samstag entschied ich mich für Freitag - und fühlte mich hinterher veräppelt, weil es Samstag sehr viel schöner war. Am Freitag war es nicht direkt schlecht, aber recht bewölkt.
Am Bahnhof in Stirling angekommen, nahm ich den Bus zum Monument. Netterweise stand auf einem Plakat, welche Busse man dorthin nehmen konnte. Leider wusste ich, erstmal im Bus,  nicht, wo ich aussteigen sollte. Das altbekannte Problem. Wenn man nicht weiß, wie der Zielort aussieht, ist das Aussteigen wie Lotto spielen. Ich sah irgendwann das Wallace Monument und dachte, wir würden noch näher ran fahren, aber dann war es außer Sicht. Ich weiß nicht, ob der Bus vor der Endhaltestelle nochmal eine Schleife gedreht hätte und bin ausgestiegen und das Stück zurück gelaufen. Dass die hier auch keine Busfahrpläne in den Bussen haben und die Haltestellen vernünftig anzeigen!
Das Wallace Monument ist ein Turm auf einem Hügel. Am Fuß des Hügels kauft man die Eintrittskarte und kann dann entweder mit einem kleinen Bus hochfahren oder laufen. Ich bin gelaufen und habe die Strecke in zehn anstelle der angekündigten fünfzehn bis zwanzig Minuten gebraucht und fühlte mich toll.






Man kann den Turm besteigen. Eine enge Wendeltreppe mit läppischen 294 Stufen führt bis in die Krone. Zum Vergleich: Der Südturm des Kölner Doms hat 533 Stufen. Etwas anstrengend ist das Wallace Monument natürlich auch und man muss immer die Luft anhalten, wenn einem jemand auf der Wendeltreppe entgegen kommt. Auf einem Schild zu Beginn der Treppe steht "Bitte rechts halten" und ich dachte mir nur: "Soll ich auf einem Bein die Stufen hoch hüpfen?" Das Gute ist aber, dass drei Ausstellungsräume über die Höhe des Turms verteilt sind. Da kann man sich, wenn man vom Treppensteigen außer Atem ist, etwas ausruhen und sich informieren oder auch den Gegenverkehr ausweichen. Der erste Raum widmet sich der Geschichte der Schlacht von Stirling und man erfährt dort ungefähr das, was ich weiter oben geschrieben habe. Außerdem gibt es ein Video, in der sich William Wallace mit, ich glaube, Andrew de Morag, dem eigentlichen Heerführer der Schlacht, unterhält.
Andúril! Ups, das ist eine andere Geschichte
Im zweiten Raum wird die Frage gestellt, was eigentlich ein Held ist. Man kommt zu dem unglaublichen Schluss, dass das eine Frage der Perspektive ist. Es werden Büsten verschiedener (schottischer) Helden ausgestellt u.a. Robert Burns, Sir Walter Scott, John Knox und William Ewart Gladstone. Insgesamt habe ich festgestellt, dass die meisten dieser Helden aus dem 18. und 19. Jahrhundert kamen. Ich glaube, nur zwei stammten aus früheren Jahrhunderten. Außerdem kann man ein Schwert sehen, das angeblich William Wallace gehört hat. Das ist größer als ich!

Der letzte Raum informiert über den Bau des Denkmals. Es wurde im 19. Jahrhundert gebaut. Der erste Entwurf zeigte einen schottischen Löwen, der einen englisches Typhon (ein schlangen-/ drachenartiges Wesen aus der griechischen Mythologie), wurde aber abgelehnt, weil es dann doch zu anti-englisch war. Das Wallace Monument ist größer als das Scott Monument in Edinburgh, aber kleiner als die Freiheitsstatue (die wiederum kleiner als Big Ben ist). Und apropos Edinburgh: Sowohl Edinburgh als auch Glasgow hätten gerne das Wallace Monument gehabt. Stirling war dann ein Kompromiss zwischen den beiden Städten. Außerdem  ist die Tatsache, dass die Battle of Stirling Bridge in Stirling stattgefunden hat, natürlich ein starkes Argument.
Die Krone des Monuments ist bei zu viel Wind geschlossen, aber ich hatte Glück und konnte von dort die Aussicht genießen.

Stirling Castle auf dem Hügel
Mein zweites großes Ausflugsziel war Stirling Castle. Es liegt auf einem Hügel über der Altstadt und ich fand es ziemlich beeindruckend. der größte Teil des heutigen Schlosses wurde im 16. Jahrhundert von den Königen James IV. bis VI. gebaut. Kurze historische Information: James IV. war mit Margaret Tudor (Tochter des englischen Königs Henry VII.) verheiratet und starb im Krieg gegen England. England war in Frankreich einmarschiert, was dummerweise mit Schottland verbündet war... Damit war er der letzte König in ganz Großbritannien, der in einer Schlacht ums Leben kam. Sein Sohn, James V., wurde mit 17 Monaten zum König gekrönt. Er heiratete zwei französische Frauen (die eine starb sieben Wochen, nachdem sie nach Schottland gekommen war) und hatte drei Kinder mit Marie de Guise, von denen nur eins überlebte - Mary, Queen of Scots. Die kleine Mary wurde im Alter von sechs Tagen Königin, obwohl ihre Mutter Mary of Guise erstmal die Regierungsgeschäfte übernahm. Wie es mit Mary, Queen of Scot, endete, wissen vermutlich die meisten. Sie musste zugunsten ihres Sohns James VI. abdanken und wurde in England hingerichtet. James VI. wurde dann der erste gemeinsame König von England und Schottland, weil Elizabeth I. keine Kinder hatte. (Ich musste damit jetzt etwas angeben, schließlich hat es etwas gedauert, bis ich bei der Audioguideführung durch die ganzen James und Marys durchgeblickt habe.)
Der Audioguide zum Schloss war ziemlich gut. Während man durch den Königspalast geführt wurde, hörte man nicht nur Informationen über das Gebäude und die historischen Hintergründe, sondern immer auch eine kleine Szene, in der Schauspieler Dialoge sprachen, die die geschichtlichen Begebenheiten untermalten.


Das Schloss ist zumindest teilweise so restauriert worden, dass es wieder wie zu den Zeiten von James V und Marie de Guise aussieht. Dadurch sieht man, wie farbenfroh es damals war. Wenn man sich heute Schlösser anguckt, kommt man nicht auf den Gedanken, dass die Great Hall von außen in einem strahlenden Gelb hätte angestrichen sein können, so dass sie ein bisschen wie ein kitschiges Schloss im Phantasialand aussieht, oder dass die Decke im Schlafzimmer und Audienzzimmer des Königs so bunt angemalt worden sein könnten, dass ich mich fragte, ob das ein schlechter Scherz sei. Die knalligen Farben haben mich etwas an einen Kindergarten erinnert. Vermutlich liegt es daran, dass ich Schlösser anders (ohne die damalige Bemalung) gewöhnt bin. Trotzdem war mir das zu viel Farbe. Die Holzdecke in der großen Halle gefiel mir aber sehr gut und auch die Vorhänge an der Wand passten eher in meine Vorstellung wie ein Königspalast auszusehen hat.
Great Hall

Zimmer des Königs
Die Räumlichkeiten von James V sind nie fertig gestellt worden, weil er vorher starb. Die der Königin aber schon und da ihre Räume architektonisch die des Königs spiegeln, kann man sich schon vorstellen, wie die Räume des Königs ausgesehen hätten. Ich kann mich nicht erinnern, ob die Decken in den Gemächern der Königin auch so knallbunt waren, aber wenn das der Fall war, nahmen die reichbestickten Wandteppiche und die prunkvollen Möbel den Farben die Kraft. In diesen Räumen standen Mitarbeiter von Historic Scotland in  historischen Kostümen und machten dem Audioguide Konkurrenz. 
Das prächtige Bett, so der Mann im Schlafzimmer der Königin, habe nur eine symbolische Bedeutung gehabt und sei zum Kinder gebären da gewesen. Das eigentliche Bett der Königin habe in einem kleinem Nebenraum gestanden. Außerdem ist in diesem intimsten Raum der Königin ein Fußball gefunden worden, was zu der Vermutung geführt hat, dass die kleine Mary noch-nicht-Queen of Scots in den Räumen getobt hat. Sie war später auch eine gute Reiterin und Bogenschützin. Das Audienzzimmer war größer als das Schlafzimmer. Die Wandteppiche zeigten eine Einhornjagd. Dieses Motiv steht metaphorisch für die Passionsgeschichte Jesu, wie ich Freitag gelernt habe. Im ganzen Schloss sieht man ziemlich viele Einhörner, weil der schottische königliche Wappen einen Löwen und ein Einhorn zeigt.
Die Führung des Audioguides endete mit dem Königspalast, aber es gab noch viele verschiedene Stationen und Geschichten, die ich mir anhören und ansehen konnte. Die Küchen (die echt gut nachgestellt sind), Deckenschnitzereien, die einfach alles und jeden (von römischen Kaisern bis Frauen in der aktuellen Mode) zeigen, Mord und Totschlag in einem sonst ziemlich ruhigen Garten, ein Mann, der dachte, er könne sich selbst Flügel basteln und davon fliegen... Aber irgendwann lässt die Aufmerksamkeit nach.
Ich wollte auch eigentlich nicht mehr in das Argyll's Lodging gehen. Das Haus aus dem 17. Jahrhundert gehörte dem neunten Earl of Argyll, Archibald Campbell. Aber es war im Ticket zum Schloss enthalten und die Mitarbeiter haben mich mehr oder weniger reingezogen. Im Vergleich zum Schloss ist das Haus natürlich winzig, aber teilweise fand ich es prächtiger eingerichtet als den Palast. Aber auch das lag vermutlich daran, dass Teile des Königspalast nie fertig gestellt wurden. 
Nach einem langen Tag voller Bildung bin ich dann wieder zurück nach Glasgow gefahren.

Freitag, 17. April 2015

Eine Insel mit zwei Bergen - oder so ähnlich (Orkney Tag 5)

Die ersten Tage während meines Urlaubs auf Orkney habe ich die Inseln alleine erkundet. Am letzten Tag allerdings hatte Marit frei und wir sind zusammen nach Hoy gefahren. Nur damit hier keine falschen Schlüsse gezogen werden: Der Name der Insel kommt aus dem altnordischen Ha-ey, was "hohe Insel" bedeutet und nicht etwa vom spanischen Wort für "heute" (auch wenn ich mir das Wortspiel "Hoy estamos en Hoy" irgendwie nicht verkneifen konnte). Hoy liegt südlich von Mainland und ist die zweitgrößte Insel der Inselgruppe Orkney. Allerdings unterscheidet sich Hoy stark von den anderen Inseln. Das Gestein ist anders; Hoy hat ein großes Hämatitvorkommen, also ist die Erde rötlich (spontane Assoziationen mit Edom blieben da irgendwie nicht aus) und im Gegensatz zu Rest-Orkney ist Hoy sehr bergig.
Man erreicht die Insel mit der Fähre von Stromness aus. Also mussten Marit und ich mit dem Bus dorthin fahren. Auf dem Weg zum Bus merkte Marit, dass wir den Walking Tours Guide nicht dabei hatten. Sie joggte also zurück zur Wohnung, während ich die Aufgabe hatte, den Bus aufzuhalten. Allerdings hatte der Bus Verspätung und Marit war lange vor der Abfahrt an der Haltestelle.
In Stromness hatten wir eine Stunde Zeit, bevor die Fähre abfuhr. Wir setzten uns ans Wasser in die Sonne, unterhielten uns und kuschelten mit einer Katze, die ebenfalls die Sonne genoss und sich nicht so ganz entscheiden konnte, ob sie mit Marit, mir oder unseren Rucksäcken schmusen wollte.
Zu Marits Verwunderung war die Fähre diesmal ein sehr kleines Boot, das uns übersetzte. Später erfuhren wir, dass die eigentliche Fähre einen Motorschaden hatte und deswegen nicht fuhr. Als wir einstiegen, warnte uns der Kapitän, dass wir vielleicht nicht die Fähre um halb fünf (wie wir ursprünglich geplant hatten) nehmen können würden, weil eine Schulklasse für diese Zeit gebucht hatte.
Wir kamen auf Hoy an und wurden von zwei mächtigen schwarz-braunen Bergen begrüßt. Einer dieser Berge ist die höchste Spitze Orkneys. Man könnte auf den Berg steigen, aber wir hatten etwas anderes vor. Wir sind der Straße von der Fährenanlegestelle in Richtung des Glens gefolgt, weil wir durch das Glen und dann zum Old Man of Hoy wandern wollten. Von den vielleicht 15 Leuten, die mit uns auf der Fähre gewesen waren, entschieden sich fünf fürs Laufen. Die anderen wurden von einem Taxi abgeholt.


Nach ein paar hundert Metern trafen wir auf vier Highland Cows und eine handvoll Shetlandponys. Ich musste anhalten und Ponys streicheln, habe die Kuschelphase aber eher kurz gehalten, damit wir weitergehen konnten. Noch ein Stückchen weiter legten wir eine erste Pause ein, schließlich war das Frühstück eine ganze Weile her, und wurden von zwei Männern überholt, die mit uns auf der Fähre waren und uns fragten, ob es nicht etwas früh für den ersten Pitstop sei.
Schon die ganzen Tage vorher auf Orkney hatte ich sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt. Der Wind war kalt, aber es war fast immer sonnig und hat kaum geregnet. Auch am letzten Tag hatten wir überwiegend Sonnenschein, so dass der Weg durch das Glen besonders schön war. Es ging zwischen Heide und Gras hindurch. Ab und zu habe ich Schlüsselblumen entdeckt. Aber auch Hoy war stellenweise sehr matschig. An manchen Stellen konnten wir auf den Grasrand ausweichen, aber ein paarmal versank mein Fuß in einer Schlammpfütze.
Der Weg war recht schmal und Marit und ich mussten hintereinander her laufen. Außerdem lagen viele lose Steine herum. Ich musste an das Zitat aus dem Herrn der Ringe  denken "Es ist eine gefährliche Sache (...) aus deiner Tür hinauszugehen (...). Du betrittst die Straße und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen." (Auch wenn Bilbo weniger v or herumliegenden Steinen warnt) Ich dachte es und knickte um. Super. Aber zum Glück war es nicht so schlimm und ich konnte weiterlaufen.

Vielleicht etwas langsamer gingen wir weiter und wurden von den beiden Männern, die uns vorher überholt hatten, vorbei gelassen, weil sie sich entschieden hatten, dass wir jünger und besser in Form  als sie seien. Wir kamen in Radwick, einer kleinen Ansammlung von Häusern von wo aus wir uns auf den Weg zum Old Man of Hoy machen wollten, an. Als das Tal sich vor uns öffnete hatten wir eine tolle Sicht auf die Bucht, an der Radwick liegt. Blauer Himmel, das Meer in verschiedenen Blau- und Grüntönen, grüne Wiesen und sehr beeindruckende Klippen, an denen ein leichter Dunstschleier hing. Wunderschön.

Der Weg zum Old Man of Hoy ging einen begrasten Hügel, auf dem Schafe wiedeten, hinauf.  Irgendwann war die Weide zu Ende und wir mussten ein paar (bzw. ein paar mehr) Steinstufen nach oben steigen, bis wir auf den Klippen ankamen. Mit Schildern, auf denen "dangerous cliffs" stand, wurden wir gewarnt, nicht zu nah an den Rand zu gehen. Aber erst mal auf den Klippen war der Weg ziemlich gerade und man konnte den Old Man schon von Weitem sehen. 
Manche fragen sich mittlerweile vielleicht, wer oder was der Old Man of Hoy eigentlich ist. Es ist ein 137m hoher Felsenturm vor den Klippen von Hoy. Er ist aus roten und braunen Steinen und sieht schon ein bisschen wie eine Person aus (wenn man auf den Klippen steht, sieht man ihn von hinten). Vögel flogen um ihn herum und saßen auf ihm. Am Fuß des Felsen brauste die Brandung und das Wasser ringsherum war wunderbar klar und glitzerte in der Sonne. Leider kann man so etwas nicht gut auf einem Foto festhalten.









Wir verbrachten unsere Mittagspause beim Old Man und lagen eine Weile in der Sonne (es war sogar so warm, dass wir unsere Jacken ausziehen und nur im Pulli liegen konnten). Dann machten wir uns wieder an den Abstieg nach Radwick. Marit schlug vor, den etwas abenteuerlicheren Weg querfeldein zu nehmen. Aber ich hatte Schiss und wollte lieber wieder den gleichen Weg zurück nehmen. Ich sah es schon kommen, dass ich die Hälfte des abenteuerlichen Wegs auf dem Po rutschend bewältigen und während der anderen Hälfte "Wir werden beide sterben!" (zumindest innerlich) schreien würde. Und dann wäre ich vermutlich unbeschadet unten angekommen und hätte festgestellt, dass es gar nicht so schlimm war. Wie auch immer. Wir haben den sicheren Weg genommen und sind in Radwick noch ein bisschen an den Steinstrand gegangen. Wir trafen eine Frau, die uns erzählte, dass zum ersten Mal seit über 100 Jahren wieder Adler auf Hoy nisten. Aus diesem Grund waren ziemlich viele Vogelfreunde auf Hoy und hofften, einen der Adler zu sehen.
In Radwick wurden wir von einem Taxi abgeholt, das uns zurück zur Fähre bringen sollte. Eigentlich wollten wir noch am Dwarfie Stane, einem weiteren Felsengrab, in das jemand arabische Schriftzeichen geritzt hat, halten, aber weil auf der Insel so viel los war, konnte der Taxifahrer uns erst eine halbe später als Marit und ich geplant hatten, abholen und wir hatten keine Zeit mehr für Dwarfie Stane, es sei den, wir hätten eine spätere Fähre genommen. Wir entschieden uns, aber zu versuchen, die halb fünf-Fähre zu bekommen. Der Taxifahrer versprach, zu warten und uns zum Dwarfie Stane zu bringen, sollten wir es nicht auf die Fähre schaffe. Wir passten dann aber noch mit auf die Fähre drauf und fuhren mit 30 Grundschülern, drei Lehrern und den beiden Männern, die uns erst überholt und dann vorgelassen hatten, zurück nach Stromness.

Nachts fuhr ich mit der Fähre zurück nach Aberdeen. Weil ich über Nacht fuhr und schlafen wollte, hatte ich mir vorher einen Sleeping Pod, eine Mischung aus Schlafsessel und Strandkorb mit Leselampe und USB-Anschluss, gebucht. Ein Kissen, eine Decke und eine Schlafmaske waren im Preis inbegriffen. Zuerst dachte ich mir, dass ich gar nicht schlafen können würde, weil ein paar Reihen hinter mir ein Mann mit einer Beatmungsmaschine saß, die einen ziemlichen Krach machte. Aber kaum hatte ich mich in meiner Strandkorb-Mutation eingerollt schlief ich auch schon ein und bekam von der ganzen Überfahrt nichts mit, bis der Kapitän und morgens um sechs per Durchsage weckte.

Donnerstag, 16. April 2015

Irgendwie gestrandet (Orkney Tag 4)



Am vierten Tag habe ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft Mainland verlassen. Die Orkney Islands bestehen ja aus vielen kleinen Inseln. Allerdings existieren zwischen Mainland, Burray und South Ronaldsay die sogenannten Churchill Barriers, die Winston Churchill während des zweiten Weltkriegs hat errichten lassen, damit die Deutschen nicht die Orkneys erobern und von dort aus Großbritannien angreifen konnten. Die Barrieren waren ursprünglich dafür gedacht, den Seeweg zwischen den Inseln zu schließen. Im Meer um diese Blockaden liegen deswegen auch immer noch Schiffswracks aus dem zweiten Weltkrieg. Mittlerweile kann man aber über Dämme fahren und so von Insel zu Insel kommen, ohne eine Fähre zu nutzen. Allerdings ist es bei bestimmten Wetterlagen zu gefährlich, über die Barriers zu fahren. Auf den Hinweisschildern steht auch eindeutig, dass das Befahren auf eigene Gefahr ist und als Fußgänger kann man das Überqueren sowieso vergessen (zu viele Autos und zu wenig Bürgersteig).
Zum Glück gibt es Busse, wenn auch nicht zu zahlreich. Einer hat mich zu meinem ersten Ziel gebracht: die Italian Chapel. Als ich davon im Reiseführer gelesen habe, war ich ziemlich baff, was denn eine italienische Kapelle auf einer winzigen Insel zwischen Mainland und anderen kleinen Inseln zu suchen hat. Ich dachte, es sei eine Kapelle im italienischen Stil und dass irgendein Laird aus dem 19. Jahrhundert oder so Spaß gehabt hatte, sich so ein Ding in den Garten zu setzen. Knapp daneben ist auch vorbei.

Die Italian Chapel stammt aus der Zeit während und nach dem zweiten Weltkrieg, als die winzige Insel in Lager für italienische Kriegsgefangene war. Sie haben im Lager viele Sachen aus Beton gebaut (u.a. Bänke, damit sie, wenn das Wetter es zuließ, draußen essen konnten) und fanden irgendwann, dass ihnen eine Kapelle fehlte. Also bauten sie eine Kapelle. Von vorne sieht die Fassade wirklich wie eine Kapelle aus, aber von der Seite ist es ein tunnelförmiges Betongebäude. Auch die Statue vom Heiligen Georg vor der Kapelle ist aus Beton. Außerdem haben die Gefangenen Treibgut – vor allem Holz – verwendet. Das Interessante ist aber, dass die Kapelle von innen so ausgemalt wurde, dass sie tatsächlich wie eine Kapelle aussieht. Steinmauer, Altarbild, Säulen… Alles ist sehr realistisch dargestellt. Das ist wirklich sehr beeindruckend.
Allerdings war ich trotzdem nach einer Viertelstunde mit der Besichtigung fertig und musste 45 Minuten auf den Bus warten. Ich hatte mir zwei Spaziergänge aus dem Walking Tour Guide ausgesucht und fuhr bis Burray, um von dort die unbewohnte Insel Hunda zu besuchen. Ich sollte am Littlequoy Workshop den Causeway (Damm) nehmen, um auf die Insel zu kommen. Diesen Workshop musste ich erstmal finden. Ich bin zwanzig Minuten lang zwischen Bauernhöfen rumgelaufen (es gab nur eine Straße, also wusste ich, dass ich irgendwann ankommen würde) und dachte, dass der Workshop doch irgendwann mit einem Schild gekennzeichnet sein müsste, da er ja anscheinend leicht zu erkennen sein sollte. Ich habe ihn dann gefunden, in dem ich die Insel, die ich besuchen wollte, erkannt habe. Man musste fragen, ob man über den Damm gehen darf, weil oft Schafe darüber getrieben werden. Es war aber nichts für den Tag geplant.
Als ich die Insel betrat, wurde ich von verschiedenen Vogelstimmen begrüßt. Man hatte einen tollen Blick auf die Buchten und auf der Insel wechselten sich braune Heide und grünes Gras ab. Teilweise war es etwas matschig und manchmal musste ich mittendurch, weil es keine Möglichkeit gab, außen rumzugehen. Wie gut, dass meine Wanderschuhe sowieso braun sind.




Nach dem Spaziergang auf Hunda wollte ich eigentlich weiter nach South Ronaldsay fahren und dort zu einem Strand laufen, aber ich hatte leider nicht mit der Lücke im Busfahrplan gerechnet. Marit hatte ich gewarnt. Ich hatte sogar morgens den Busfahrplan fotografiert, aber dummerweise nicht drauf geguckt bevor ich auf Burray aus dem Bus gestiegen bin. Somit habe ich den letzten Bus vor der zweieinhalbstündigen Pause knapp verpasst und das zu spät gemerkt als dass ich den letzten Bus in die andere Richtung hätte nehmen können. Also habe ich zuerst eine Stunde am Straßenrand gewartet. Immerhin schien die Sonne, auch wenn es windig war. Danach bin ich ein Stückchen die Straße entlang gelaufen und habe mich dann in das Wartehäuschen an der Bushaltestelle gesetzt. 
Ja, ich hätte irgendwo zur Küste runtergehen können und mich ans Meer setzen; schließlich war ich auf einer Insel. Aber zuerst dachte ich ja, dass ein Bus kommen würde und wollte den nicht verpassen und später war ich der Meinung, dass es sich nun auch nicht mehr lohnen würde. Zu Fuß gehen konnte ich auch nicht, weil es wie gesagt ziemlich gefährlich wäre, die Churchill Barriers ohne Fahrzeug zu überqueren. Ich habe mich ziemlich über mich selbst geärgert. Aber wer nicht hören will, muss fühlen - oder in meinem Fall warten.

Mittwoch, 15. April 2015

Maeshowe und Inganess Bay (Orkney Tag 3)

"Sag dem Busfahrer, dass du bei Maeshowe aussteigen willst und dann hält er da." Wie? Einfach so?

Ja, einfach so. Am dritten Tag meiner Zeit auf Orkney stand das neolithische Grab Maeshowe auf dem Plan. Es gibt keine richtige Bushaltestelle, aber wenn man dem Busfahrer Bescheid sagt, dass man nach Maeshowe möchte, hält der da und lässt einen raus. Ich hatte eine Führung für elf Uhr gebucht (ohne Führung kommt man nicht rein) und kam kurz nach elf an. Eine Mitarbeiterin hatte den Bus ankommen gesehen und hat mich schnell über die Straße gebracht, wo ich mich der Führung anschließen konnte.
Es war gut, dass wir einen Gästeführer hatten. Ansonsten hätte ich vermutlich nur einen Grashügel mit ein paar Schafen, einem Tunnel und drei Grabkammern um einen viereckigen Raum, der mit unserer etwa 20 Leute-starken Gruppe ziemlich gut gefüllt war, gesehen. Man betritt das Grab durch einen sehr niedrigen Gang, in dem sich sogar die Kinder ducken mussten. Im Winter, wenn die Sonne tief steht, scheint sie durch den Tunnel und wirft ihre Strahlen genau auf eine der Grabkammern. 
Und das nicht die einzige architektonische Raffinesse. Eine Art Steintür (ein dicker Stein, der gedreht werden konnte) verschloss den Eingang und unser Gästeführer erzählte uns, dass eine seiner Kolleginnen als Zehnjährige die Tür einmal aus Versehen zugemacht hat, weil ihr langweilig war und sie alles einmal anfassen musste. Ein 5000 Jahre altes Grab und trotzdem kann ein kleines Mädchen die schwere Steintür bewegen. Außerdem hat er das Dach hervorgehoben. Das ist das Einzige an dem Grab, das nicht mehr Original ist. Als die Wikinger einige Jahrhunderte nach den eigentlichen Erbauern von Maeshowe nach Orkney kamen und gerne in das Grab rein wollten, stellten sie fest, dass der Eingang versperrt war und machten kurzerhand ein Loch in das Dach. Das Dach hielt dann noch gut hundert Jahre, bis es komplett einstürzte. Im Victorian Age wurde dann ein neues Dach für das Grab gebaut, allerdings ist das nicht so gut wie das Originaldach.
In den Ecken des Grabs steht jeweils ein Standing Stone, der keine tragende Funktion hat, also wird davon ausgegangen, dass die Erbauer die Kraft der Steinkreise auf das Grab übertragen wollte. Die Steine wurden extra dorthin transportiert, was damals ein großer Aufwand gewesen sein muss. Es stehen auch zwei Standing Stone im Eingang hinter dem Tunnel. Einer der beiden ist zerbrochen und man kann wohl anhand des Musters erkennen, dass er beim Bau zerbrochen sein muss. Unser Gästeführer meinte dazu: "We can only imagine the neolithic swear words..."
Die einzelnen Grabkammern waren begehbar und die Knochen wurden immer mal wieder herausgeholt oder umgeschichtet. Es war keine Bestattung in unserem Sinne, bei der man den Leichnam dauerhaft irgendwo hin legt. In dem Raum in der Mitter wurden vermutlich Zeremonien abgehalten, bei der die Ahnen verehrt wurden. Der Gästeführer meinte, er könne sich vorstellen, dass die Leute bei diesen Zeremonien auch draußen vor dem Grab standen und der Tunnel als eine Art Lautsprecher funktionierte, um die Menschen an der Zeremonie teilhaben zu lassen.
Irgendwann verließen die Menschen die Stätte aber. Man weiß nicht genau warum. Alles, was man weiß, ist, dass die Lebensumstände schwieriger wurden und sich viel in der damaligen Gesellschaft änderte. Sie versperrten den Eingang sehr penibel mit Steinen, also war ihnen die Stätte schon noch wichtig genug, dass niemand sie anderweitig verwenden sollte. Einige Jahrhunderte war da also Ruhe und dann kamen die Wikinger und stiegen wie gesagt durchs Dach ein.
Von den Wikinger stammt auch ganz viel Graffiti, das in die Wände eingeritzt ist. Das meiste sind Runen (futhark), aber es sind auch ein paar Bilder dabei. Der Gästeführer hat uns ein paar der Ritzereien übersetzt und ich kann sagen, dass die Menschen damals auch nicht geistreicher in ihren Botschaften an die Nachwelt war. Mein Favorit ist "Ich (Name) habe diese Inschrift hier ganz oben angebracht". Diese Runen befinden sich in gut zwei Metern Höhe. Ganz viele Runen berichteten auch von Schätzen, die die Verfasser gefunden und mitgenommen hätten. Das sind, laut dem Gästeführer, aber vermutlich Wikinger-Scherze, um andere zu ärgern, denn die ursprünglichen Erbauer des Grabs gaben keine Grabbeigaben. Wenn die Wikinger  tatsächlich etwas gefunden haben, dann müssen andere Wikingerstämme das Grab zwischendurch verwendet haben. Ein Wikinger-Graffiti erwähnt auch Ragnar Lodbrok, "Hairy Breeches" (haarige Hosen), der in der Serie Vikings vorkommt. Der Gästeführer fragte, ob irgendjemand die Serie sehen würde. Es gab niemanden in der Gruppe, was ihn etwas traurig machte, weil er die Touristen so gerne spoilert. Also Achtung Spoilergefahr (zum Lesen bitte markieren): Ragnar Lodbrok hatte den Spitznamen "Hairy Breeches", weil seine Frau ihm eine Fellhose gemacht hatte, die ihn vor allen Waffen schützen sollte. Deswegen war er im Kampf unbesiegbar - bis er in ein Schlangenest gestoßen wurde. Er wurde von einer Schlange gebissen und starb.
Eine weitere Anekdote, die uns der Gästeführer erzählte, ist, dass angeblich eine Gruppe von 100 Wikinger-Kriegern Schutz vor einem Schneesturm suchte und in das Grab ging. Sie verfolgten einen anderen Wikingeranführer, den sie töten wollten. Wie gesagt, sie endeten in dem Grab, dicht gedrängt und mussten dort drei Tage ausharren. Der Gästeführer konnte echt gut erzählen. Er sagte, er könne es sich bildhaft vorstellen, wie die 100 breitschultrigen Krieger sich in der Kammer drängeln und irgendeiner sagt: "Whose great idea was that? We could have just forced our entry into one of the farmhouses!" Als sie das Grab nach drei Tagen verließen, war der Mann, den sie töten wollten, natürlich über alle (nicht vorhandenen) Berge. Aber sie konnten ihn bei einer anderen Gelegenheit töten. "So the story had a happy ending." (O-Ton Gästeführer).

Vom Maeshowe aus ist es nicht weit zu den Standing Stones of Stennes, ein weiterer Steinkreis, bei dem aber nur noch drei Steine überlebt haben. Außerdem gibt es ein paar einzeln stehende Steine. Einer wird als Watchstone bezeichnet. In der Nähe sind die Überreste eines weiteren Steinzeithauses, ähnlich wie die Häuser in Skara Brae, aber längst nicht so gut erhalten.
Als sich am Himmel dunkle Wolken zusammenzogen, beschloss ich, dass es vernünftig sei, nach Kirkwall zurückzufahren und machte mich wieder auf den Weg nach Maeshowe, um den Bus anzuhalten, wenn er vorbei kommen sollte. Ich musste ewig auf den Bus warten (es ist schon doof so ganz ohne Bushaltestelle und Fahrplan), aber zum Glück regnete es nicht und ich kam zum Mittagessen bei Marit an.

Nachmittags habe ich einen Spaziergang gemacht. Marit hatte mir einen Walking Tours Guide geliehen, in dem mir gesagt wurde, ich solle zuerst zum Parkplatz mit Picknickplatz an der Inganess Bay gehen. Es hat länger gedauert, als ich dachte, zu der Bucht zu gelangen, aber sie war sehr schön. Es lag vielleicht auch an der Sonne, aber das blaue-grüne Meer und die grünen Steine (Algen) sahen wirklich toll aus und auch das Schiffswrack hatte irgendwie etwas Malerisches. 
Der sogenannte Parkplatz hat meine Erwartungen allerdings untertroffen. Ich kam am Strand an, sah den Flughafen von Kirkwall und dachte: "Irgendwo muss doch dieser Parkplatz sein!", nur um dann festzustellen, dass die freie Fläche in der Nähe des Strandes der Parkplatz und eine Bank der Picknickplatz war. Aber ich wollte ja auch nicht picknicken. Auf einem Schild stand nochmal die Route, die auch in meinem Guide beschrieben war. Zuerst würde es durch eine Area of Wetland gehen, dann durch Woodland und zum Schluss um einen Bauernhof herum. Klang simpel.
 Durch ein Tor ging ich in die Area of Wetland, die wie der Name schon sagt, ziemlich nass und matschig waren. Der Weg führte an einem Flüsschen entlang und ich sah einige schöne Frühlingsblumen. Danach musste ich eine Straße überquere um in die Area of Woodland zu kommen. Da es in Orkney grundsätzlich sehr wenige Bäume gibt, war ich nicht überrascht, dass auch die Bäume im Woodland recht kleine Vertreter waren. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie natürlich gewachsen sind oder gepflanzt wurde. Ich vermute mal letzteres. Auch der Woodland-Weg war sehr matschig. Einige Holzstege lagen scheinbar willkürlich verteilt herum, so dass man nicht komplett im Schlamm versank.




Danach ging es über verschiedene Feldwege und Felder. Dabei sind mir viele Schafe begegnet. Ab und zu musste ich über Stacheldrahtzäume klettern. Aber es gab immer eine Art Trittbrett, das das Überqueren des Zauns möglich gemacht hat. Es ist im Grunde eine Mini-Brücke über den Zaun, die aus zwei Stufen und einer Planke zum Festhalten besteht. Diese Kletterhilfe überzeugte mich auch immer wieder davon, dass ich mich noch nicht ganz verlaufen haben konnte und nicht gerade über private Grundstücke latschte und eventuell im nächsten Moment einem wütenden Bauer Maggot, der glaubt, ich würde seine Pilze stehlen, über den Weg laufen würde.
Irgendwann musste ich dann aber feststellen, dass ich doch irgendwo eine Abzweigung verpasst haben musste. Ich kam einfach nicht da aus, wo ich dem Guide nach hätte landen sollen. Also habe ich die große Straße gesucht und bin von meinem Handy geführt ziemlich lange an dieser Straße entlang gelaufen (nachdem ich vorher erstmal in die falsche Richtung gegangen war). Ich glaube, ich war noch nie so froh, einen (und in diesem Fall den St. Magnus) Kirchturm zu sehen, weil der die letzte Bestätigung war, dass ich die richtige Richtung gewählt hatte. Trotzdem dauerte es nach der Kirchturmsichtung noch recht lange, bis ich Marits Wohnung erreichte. Kirkwall ist größer als ich dachte.

Dienstag, 14. April 2015

Mit dem Rad in die Steinzeit (Orkney Tag 2)

Nachdem ich am ersten Tag Kirkwall ausführlich bewundert hatte, bin ich am zweiten Tag nach Stromness gefahren, die zweitgrößte Stadt auf Orkney. Mit dem Bus dauert das ungefähr eine halbe Stunde. Marit hatte mir vorgeschlagen, dass ich mir ein Rad in Stromness mieten und damit nach Skara Brae fahren könnte. Die Idee gefiel mir ganz gut. Besser als ständig auf irgendwelche Busse zu warten. 

Stromness Habour mit Blick auf die Stadt


Es hat etwas gedauert, bis ich gemerkt habe, dass da NICHT Harry Potter steht

Rein theoretisch sind die Orkney Islands ein ganz guter Ort zum Radfahren, weil sie relativ flach sind (übrigens gibt es auch kaum Bäume). Praktisch gibt es aber eine Sache, die das Radfahren deutlich erschweren: Es ist ziemlich windig. Ich hatte mir die Wettervorhersage angesehen; laut der sollte es etwas bewölkt mit ein paar Sonnenstrahlen werden und mit Wind zwischen 20 und 25 Meilen pro Stunde. Marit meinte, das sei gar nicht so stark. Sie habe auch schon mal 70 Meilen pro Stunde gehabt.
Nun ja, die angekündigte Windgeschwindigkeit reichte dann schon, um das Radeln zu einer Herausforderung zu machen. Der Wind war nämlich äußerst unkooperativ und kam immer von der falschen Seite (vorne oder halb vorne). Manchmal hat er mich fast auf die andere Fahrbahn gedrückt. Außerdem war es eine merkwürdige Erfahrung, dass die Nase lief aber der Wind den Schnodder wieder hochdrückte (sorry, wenn das etwas ekelig ist). Ansonsten klappte das mit dem Radfahren aber gut. Ich bin nur einmal aus Versehen auf der rechten Straßenseite gefahren - aber zum Glück auf einer Straße, auf der sonst nichts los war - aber abgesehen davon war der aktive Linksverkehr (als Fußgänger ist es ja recht egal, wo man lang läuft) nicht sonderlich verwirrend. Nur beim Rechtsabbiegen musste ich aufpassen. 
Die Orte, zu denen ich hin wollte, waren auch gut ausgeschildert. Aber manchmal waren die Schilder ein bisschen entmutigend ("Ich habe jetzt doch sicher schon die Hälfte der Strecke hinter mir." *Schild* "Wie? Immer noch vier Meilen?! Verdammt!"). Ab und zu bin ich auch einfach abgestiegen und habe geschoben.



Nach etwa einer Stunde kam ich in Skara Brae an. Laut Google Maps hätte ich nur eine halbe Stunde brauchen sollen, aber die hatten wohl Rückenwind. Skara Brae ist die am besten erhaltene neolithische Siedlung Europas. Sie ist älter als Stonehenge und die Cheops-Pyramide und wurde 1850 bei einem Sturm freigelegt. Man geht davon aus, dass von 3180 bis ca. 2500 vor Chr. Menschen in Skara Brae gelebt haben. Heute liegt die Siedlung direkt am Meer, aber zu dem Zeitpunkt der Besiedlung sah die Landschaft noch anders aus und die Küste war etwas weiter weg. Die Siedlung besteht auch acht Häusern, eins davon eine Werkstatt. Alle Häuser haben eine Feuerstelle in der Mitte, Bettrahmen (abgesehen von der Werkstatt), die früher mit Heide und Schaffellen gepolstert waren, und weiteren Möbeln aus Stein, wie einem Tisch und Regale. 




Ein Haus konnte man als Nachbau von innen besichtigen. Die Verantwortlichen haben sich viel Mühe gegeben, um das Ganze anschaulich zu gestalten und haben einen unechten Hummer und andere Lebensmittel auf den Tisch gelegt, um zu zeigen, was die Menschen damals gegessen haben. Sogar die eingeritzten Zeichen auf einem der Bettrahmen konnte man in der Nachbildung ansehen. Um diese Carvings zu schützen, wurde das entsprechende Haus in der Siedlung wieder mit einem Dach versehen. Zuerst hatte eine Glasplatte das Haus bedeckt, aber dadurch veränderte sich die Temperatur im Haus und die eingeritzten Zeichen begannen zu bröckeln - also das Gegenteil von dem, was man erreichen wollte. Deswegen befindet sich jetzt wieder ein Grasdach über diesem Haus.
In den Häusern hat man außerdem Steinbälle mit eingeritzten Mustern oder Runen gefunden. Allerdings weiß man nicht, wofür diese Bälle verwendet wurden oder war die Zeichen zu bedeuten haben. Kleine Klumpen Hämatit (rote Steine) lassen zudem vermuten, dass die Menschen in Skara Brae Kontakt mit Menschen auf Hoy, einer anderen Orkney Insel, hatten, weil Hämatit nur auf Hoy, aber nicht auf Mainland vorkommt.
Im Eintritt für Skara Brae war auch das Skaill House enthalten. Das ist ein Herrenhaus, dessen Besitzer Skara Brae entdeckt haben. Im Haus kann man Möbel und Habseligkeiten der Bewohner des Hauses bis ins 20. Jahrhundert sehen, u.a. das Geschirr von Captain Cooks Schiff.
Skaill House

Skaill Bay
Eigentlich wollte ich von Skara Brae nach Birsay weiterradeln. Diese Insel kann man bei Ebbe zu Fuß erreichen und muss sehr schön sein, denn sie ist mir von mehreren Leute empfohlen worden. Allerdings sagte Marit auch, dass es Glückssache sei, mit dem Bus dorthin zu kommen. Deswegen hielt ich es für eine gute Idee, auch dort mit dem Rad hinzufahren. Ich war etwas entmutigt, weil ich nach Skara Brae schon doppelt so lange  gebraucht hatte, wie gedacht und Birsay sollte nochmal eine Stunde entfernt sein - also zwei Stunden für mich. Aber entschlossen wie ich war, fragte ich den Mitarbeiter von Historic Scotland in Skara Brae nach dem Gezeitenplan für Birsay. Und stellte fest, dass der sichere Zeitraum, um trockenen Fußes nach Birsay zu kommen, in zwei Minuten enden würde. Der Mitarbeiter meinte dazu: "You could make it - if you are a strong swimmer." Ich kann schwimmen, aber ich bin ja nicht blöd. Also habe ich umgeplant.

Schon auf dem Weg nach Skara Brae hatte ich Schilder zum Ring of Brodgar gesehen und hatte überlegt, dahin zu fahren, aber eigentlich hatte ich das für den nächsten Tag geplant. Da ich jetzt aber überraschend Zeit hatte, habe ich mich dann doch entschieden, das nach vorne zu ziehen. Der Ring of Brodgar ist ein Steinkreis mit einem Durchmesser von etwas mehr als 100m und damit der drittgrößte auf den Britischen Inseln. Von den ursprünglich 60 Steinen haben 27 die Zeit überstanden. Im Gegensatz zu Stonehenge kann man zwischen den Steinen hindurch gehen und sie auch anfassen. Ich fand es faszinierend.
Welche Funktion der Steinkreis hatte, ist nicht ganz klar, aber man vermutet, dass er eine wichtige Rolle für zeremonielle Zwecke gespielt hat. Die Standing Stones of Stennes (ein weiterer Steinkreis) und das Grab Maeshowe befinden sich in der Nähe.


Die Rückfahrt nach Stromness war ziemlich anstrengend. Ich war müde und hatte kein großes Ziel mehr vor Augen. Außerdem beschloss der Wind weiterhin, mein Radfahren zu sabotieren. Ich musste mehrmals absteigen und schieben. Und kennt ihr die Frustration, wenn man bergab trampeln muss?
Völlig k.o. wieder in Stromness
In Stromness habe ich mein Rad abgegeben und hatte noch etwas Zeit, bevor ich den Bus zurück nach Kirkwall nehmen musste. Ich ging ins Pier Art Centre. Das meiste war moderne Kunst, mit der ich mich etwas schwer tue. Aber man hatte eine tolle Sicht auf den Hafen. Außerdem haben mich die Kommentare von Schulkindern über die Bilder, die auf den kleinen Schildern neben den Bildern standen, sehr amüsiert. Ein Mädchen sagte über ein überwiegend braun-graues Bild "a bit of it looks like a sock". Es gab auch einen Raum, in dem Bilder aus dem Kunstunterricht an Orkneys Schulen ausgestellt waren. Das fand ich eine sehr schöne Idee.