Sonntag, 30. November 2014

Home is behind, the world ahead

Der November war noch nie mein Monat. Die dreißig Tage zwischen meinem Geburtsmonat und der Weihnachtszeit fand ich schon als Kind ziemlich überflüssig. Im Ausland ist der November dann immer die Zeit, in der mich das erste Heimweh packt. Die Euphorie vom Anfang ist verflogen, der Alltag ist eingekehrt und damit kommen erste Enttäuschungen und Frustrationen sowie die Tatsache, dass ich meine Leute in Deutschland einfach vermisse.
Nach einem anstrengenden Tag in der Schule, der von Gedanken wie "Bitte frag nicht, was 'Mittagessen' heißt! Bitte frag nicht, was... mist" begleitet wird, bin ich manchmal schon desillusioniert. Wenn ich mir dann überlege, dass in Essen gerade der Weihnachtsmarkt stattfindet und ich nicht mit euch hingehen kann, stimmt mich das traurig. Und nach einer Zumba-Stunde mit fremden Liedern oder - noch schlimmer - bekannten Liedern mit unbekannten Choreos sowie zehn Minuten Maikäfer auf der Matte wünsche ich mich oft zu meinem Zumba-Kurs zuhause zurück. Ich werde sogar melancholisch, wenn meine Tandempartner sich mit ihren Freunden über Uni und Dozenten unterhalten und ich daran denke, dass das mittlerweile bei mir ein Ende hat...

Was tun gegen Heimweh? Etwas unternehmen, sich beschäftigen, in Arbeit stürzen... Ich habe verschiedene Sachen ausprobiert. Wenn man einen Adventskalender für sechs Klassen bastelt, bleibt einem nicht besonders viel Zeit, Trübsal zu blasen und die Reaktion der Lehrerinnen verdrängt auch die Frustration über Stunden, die nicht so gut gelaufen sind. Außerdem: Je anstrengender der Tag war, desto schneller schlafe ich ein und desto weniger kann ich im Bett nachdenken.
Ausflüge sind auch eine gute Art, gegen Heimweh anzukämpfen. Neues entdecken ist super und manche Ziele sind fast wie in Deutschland. Heute war ich mit Emily, Matthew und drei ihrer Freunde in Edinburgh auf dem Weihnachtsmarkt (Bericht folgt). Es gab Glühwein, Bratwurst und gebrannte Mandeln. Fast wie zuhause also. Aber gerade, wenn es sich so ähnelt, merkt man, finde ich, umso mehr, dass es eben doch nicht ganz Zuhause ist und da wäre es mir zwischendurch fast lieber gewesen, der Weihnachtsmarkt wäre weniger deutsch gewesen.
Leute treffen ist sowieso immer gut. Wenn man alleine ist, brütet man zu sehr vor sich hin. In den allermeisten Fällen hilft es mir. Manchmal habe ich zwischendurch trotzem einen Durchhänger. Auch wenn ich hier wirklich einige liebe Menschen kennengelernt habe, sind meine Familie und Freunde zuhause eben nicht zu ersetzen (das wäre ja auch schlimm).
Und wenn gar nichts mehr geht, hilft nur noch ein Herr der Ringe-Marathon. ;-) In den letzten zwei Tagen habe ich alle drei Filme gesehen (und habe eine Zeile des Liedes "Edge of Night" als Titel auserkoren).

Freitag, 28. November 2014

Mixing with the locals

Bevor ich hier hingekommen bin, habe ich mir ein paar Gedanken gemacht (natürlich - aber wer macht sich das nicht?), unter anderen darüber, ob ich hier schnell nette Menschen kennenlernen würde. Solche Sorgen sind meistens unberechtigt, denn irgendwen findet man ja immer.
Das Schöne am Assistenten-Sein ist, dass es ähnlich wie beim Erasmus-Semester eine Gruppe von Leuten gibt, die in der gleichen Situation wie man selber ist. Das schafft eine erste Basis. Dank sozialer Netzwerke kann man sich auch vorher austauschen und Treffen vereinbaren. Gut, es gibt immer solche wie Andreas, die sich aus der FLA-Gruppe ziemlich rauszuhalten scheinen (es muss ja auch niemand mitmachen), aber man ist nicht alleine.
In der ersten Zeit habe ich auch ziemlich viel mit den französischen Assistenten unternommen. Im letzten Monat hat das aber etwas abgenommen. Ein paar Französinnen sehe ich noch im Ceilidh-Kurs und Anabel und Gillen habe ich vor zwei Wochen bei einem Planungstreffen für Schulprojekte getroffen - das war zwar Arbeit und nicht Vergnügen, aber es ist nett, bei sowas Menschen zu treffen, die man kennt.
Ein bisschen schwieriger fand ich es, Leute außerhalb des Assistenten-Kreises kennenzulernen. Die Frauen in meinem Zumba-Kurs sind alle etwas älter und zu meinen Kolleginnen ist die Beziehung zwar gut, aber nicht so gut, dass wir uns außerhalb der Schule treffen würden. Was habe ich also gemacht? Ich bin verschiedenen Societies der Uni Glasgow beigetreten: der German Society, der Creative Writing Group und der Ceilidh-Kurs ist auch über eine Society organisiert. Ich hatte gehofft, über die Societies auch ein paar Briten kennenzulernen. Die internationale Gruppe ist zwar schön und gut, aber irgendwie möchte man ja doch auch Kontakt mit den Muttersprachlern haben. Gerade, wenn es darum geht, Fragen zur Sprache zu stellen, die ich nicht unbedingt mit den Lehrerinnen diskutieren will (zumal die ja eh kaum Zeit haben).
Über die German Society habe ich zwei Tandempartner organisiert bekommen. Emily und Matthew. Lustigerweise kennen beide meine Mitbewohnerin. Ich treffe mich regelmäßig mit ihnen, wir sprechen Deutsch und Englisch und trinken Kaffee/ Tee oder gehen shoppen (letzteres mit Emily ;-)). Morgen fahren wir zusammen nach Edinburgh zum Weihnachtsmarkt. Die German Society ist auch die, in der ich am meisten socialise. Beim Ceilidh tanze ich nur und gehe am Ende nicht mit in die Kneipe (ich habe am nächsten Morgen nämlich immer früh Schule) und zum kreativen Schreiben gehe ich nur vereinzelt hin, weil ich irgendwie keinen richtigen Draht zu den Leuten kriege, allerdings immer gute Inspirationen für Geschichten mitnehme. Wenn man dann mal die Zeit hätte, zu schreiben...
Zum Stammtisch der German Society versuche ich möglichst regelmäßig zu gehen. Abgesehen von den wöchentlichen Treffen gibt es auch ab und zu Filmabende, Partys oder Kaffeekränzchen. Letzte Woche fand eine Party statt, bei der deutsche Musik gespielt werden sollte. Die Ankündigung hat mir zuerst etwas Angst gemacht, aber bei der Facebook-Veranstaltung wurden dann viele anständige Liedvorschläge gemacht und ich war ja schon neugierig. Also bin ich hingegangen, auch wenn am nächsten Tag Schule war (zum Glück erst spät). Die ersten Lieder, die gespielt wurden, kannte ich gar nicht und gefielen mir auch nicht besonders. Dann schlug jemand dem DJ "Disko Pogo" vor. Gut, das kannte ich, hob das Niveau aber nicht wirklich. Danach wurde es aber langsam besser und ich habe mich einfach köstlich amüsiert, wenn ich mir die Reaktionen der Nicht-Muttersprachler ansah (völlig Unverständnis, warum wir alle bei "Skandal im Sperrbezirk" so abgingen - und ja, ich musste an meine besondere Beziehung zu diesem Lied denken ;-)) oder mir überlegte, was sie wohl gerade dachten. Wie man auf die Idee kommen konnte, die deutschen Versionen von "Waterloo", "Downtown" und "Let it go" aufzulegen, ist mir jedoch schleierhaft. Ich hatte Spaß und für die Deutschstudenten war es sicher lehrreich kulturell und intellektuell wertvolle Lieder wie "Willst du mit mir Drogen nehmen" und "Moskau" kennenzulernen.
Diese Woche habe ich mit der German Society "Der Schlussmacher" gesehen. Ich kannte den Film noch nicht und habe auch eigentlich nicht besonders viel davon erwartet, aber er war ganz lustig. Nach dem Film fragte entweder Emily oder eine ihrer Freundinnen: "How do you say 'threesome' in German?" Für solche Fragen braucht man einen Tandempartner. ;-) Die andere Deutsche, die dabei stand, und ich haben dann auch bereitwillig Auskunft gegeben und auch das dazugehörige Verb genannt.

Sonntag, 16. November 2014

Ein Tag in den Highlands (schon wieder)

Der ISUK-Ausflug gestern ging wieder in die Highlands. Diesmal aber in einen Teil, den ich zumindest zum größten Teil nicht kannte - Stirling, Dunkeld Cathedrale, Pitlochry und the Queen's View am Loch Tummel. Das ganze nannte sich Highland Experience Day und beinhaltete auch einen Stopp in einer Whisky Destillerie.
Da Amelie gerade Besuch von ihrem Freund hat, war der natürlich bei der Tour mit dabei. Nach einer kurzen Schmollphase, nachdem Amelie mir gesagt hatte, dass die Konsequenz daraus sei, dass sie im Bus nicht nehmen mir sitzen würde, (und nein, das schmollen war nicht ernst gemeint) hatte ich mich schon freut, diesmal zwei Sitze für mich zu haben. Aber Pustekuchen. Diesmal war unsere Gruppe so klein, dass wir nur einen Bus hatten. Der war dafür dann aber vollgepackt bis obenhin und ich hatte einen Sitznachbarn.
Ich habe jetzt schon vier verschiedene Reiseleiter kennengelernt, aber der, den wir gestern hatten, war mit Abstand der nervigste. Obwohl auf dem Itinerary immer eine kurze Beschreibung zu den Orten steht, wären ein paar mehr Informationen manchmal nicht schlecht. Der Reiseleiter gestern redete aber definitiv zu viel. Egal, was er sagte, er nutzte mindestens doppelt so viele Worte als notwendig gewesen wäre und sprach jeden seiner Gedanken laut aus. "Ich glaube, ich gebe euch hier 30 Minuten. Obwohl... wir liegen gut in der Zeit. Wollt ihr lieber 40 Minuten haben? Aber wenn wir noch bei Tageslicht zur Queen's View wollen, sollten wir nicht so viel Zeit verlieren. Also doch besser 30 Minuten. Was meint ihr?" Grundsätzlich ist es zwar nett, dass er uns in die Entscheidung miteinbeziehen wollte, aber bei einem Bus mit ca. 100 Leuten eine demokratische Abstimmung durchführen zu wollen, wenn die Hälfte des Busses eh noch halb im Tiefschlaf ist, macht wenig Sinn. Die fünf Minuten, die dafür draufgehen, hätte er uns lieber vor Ort geben sollen... Zwischendurch überlegte ich schon, ob wir ihn nicht einfach irgendwo vergessen oder ihn auf andere Weise los werden könnten.


Wie auch immer, unsere erste Station war Stirling. Wir kamen um neun Uhr an, dementsprechend war in dem Städtchen noch nichts los. Das Castle (mit ohnehin völlig überteuertem Eintritt) war noch zu und in der Innenstadt sah man kaum Menschen. Amelie, ihr Freund und ich sind über den Friedhof unterhalb des Castles geschlendert, der eine kleine Pyramide hat (wie der Cementerio Acottolico in Rom ;-)) und dessen ältestes Grab aus dem 16. Jahrhundert stammt, vorbei an der Church of the Holy Rude (dass sie es aber auch nie hinkriegen, meinen Namen richtig zu schreiben!). Die Gemeinde wurde im 12. Jahrhundert unter David I. gegründet. Die Kirche wurde aber im 15. Jahrhundert neu gebaut.





Danach ging es viele steile Straßen herunter - habe ich schon mal erwähnt, dass Schottland verdammt hügelig ist? - in die Fußgängerzone, wo wir uns einen Tee geholt haben und dann wieder zurück zum Bus gelaufen sind.
Der nächste Halt war Dunkeld, ein weiterer kleiner Ort in den Highlands. Diesmal waren es aber östlichen Highlands. Die gefielen mir nicht ganz so gut wie Glencoe und die Gegend um Inverness. Die Stadt liegt am Fluss Tay. Kommt der Name jemanden bekannt vor? Richtig, "Die Brück' am Tay" von Fontane. Aber die Brücke, auf die sich das Gedicht bezieht, ist nicht in Dunkeld. 
"Wann treffen wir drei wieder zusammen?"

In Dunkeld gibt es eine Kathedrale, in der sich die Reliquien des Heiligen Columba befanden, bis die Kirche im 16. Jahrhundert im Zuge der Reformation zerstört und teilweise durch eine protestantische Kirche ersetzt wurde. Andere Teile der Kathedrale sind weiterhin beschädigt - das Schiff hat z.B. kein Dach. Während des Highland Rising fand in Dunkeld auch eine Schlacht der Jacobiter gegen William of Orange statt. Sie wurde von den Convenanters (den Nicht-Jacobitern) gewonnen.




Abgesehen von der Kathedrale, die leider zum Teil gesperrt war, weil Historic Scotland Restaurationsarbeiten daran durchführt, und dem Fluss gab es in Dunkeld nicht besonders viel zu sehen. Ein kleines Denkmal in der Mitte des Ortes, an dem ein kleiner Drache hochklettert. Mehr aber auch nicht. Aber am Busbahnhof gab es öffentliche Toiletten, für die man eine Art Eintrittskarte, ein kleines orangenes Stück Papier, auf dem "Perth & Kinross Council - 30p" drauf steht, kaufen musste. Später in Pitlochry gab es eine ähnliche Toilette, so dass wir gescherzt haben, ob wir nicht versuchen sollten, da mit unserer Eintrittskarte aus Dunkeld reinzukommen, und ob es nicht vielleicht Angebote wie "buy one, pee one free" geben könnte.
Eigentlich wollten wir uns die Blair Athol Distillery in der Nähe von Pitlochry ansehen. Unser Reiseleiter hatte eine Führung für uns organisiert. Aber leider stand die Destillerie an dem Tag unter Wasser und wir konnten nicht hin. Stattdessen fuhren wir zu der Aberfeldy Distillery und bekamen da für einen Aufpreis von 5,40 Pfund eine Führung inklusive Kostprobe. Der größte Unterschied bei Whisky besteht zwischen blended und single malt whisky. Ersterer ist aus verschiedenen Whiskys zusammengemischt, der zweite kommt aus einem Fass, ist also rein. Für Whisky braucht man drei Zutaten: Gerste, Wasser und Hefe. Das ganze wird zusammen geschmissen, lange stehen gelassen, gefiltert, erhitzt, abgekühlt, wieder erhitzt und abgekühlt und zum Schluss jahrelang in einem Eichenfass liegen gelassen.


Die Destillerie wurde von John Dewar's & Sons gebaut und auf diese Familien-Verbindung wurde auch in der Ausstellung (inklusive Film) besonders viel Wert gelegt. Die Ausstellung fand ich auch ganz nett, da nachdem der Fokus bei der Führung (natürlich) auf dem Herstellungsprozess lag, dort die gesellschaftlichen Aspekte, Vermarktung usw. eine Rolle spielten.
Alle schienen sich am meisten auf die Kostprobe zu freuen. Wir konnten zwischen drei Whiskys wählen. Ich habe von sowas ja keine Ahnung und habe mich dann für den entschieden, der in der Destillerie auch tatsächlich gebrannt wurde. Er schmeckte... sagen wir es mal so: Whisky und ich sind keine Freunde.
Nach dem Besuch in der Destillerie kamen wir endlich nach Pitlochry, wo wir zu Mittag gegessen haben. Ich war ja schon zu den Highland Games in Pitlochry, aber Amelie und ihr Freund kannten es noch nicht. Wir sind zuerst zum Damm über den Fluss Tummel gegangen und danach über die Hauptstraße geschlendert. Pitlochry hat mir wie schon im September sehr gut gefallen. Der Ort ist einfach niedlich.
Kurz bevor es dunkel wurde, haben wir es tatsächlich noch zur Queen's View am Loch Tummel geschafft. Ich wäre auch sehr ungemütlich geworden, wenn wir das nicht mehr geschafft hätten. Die Sicht war richtig toll. Ich war sehr froh, dass wir es noch geschafft haben. 1866 besuchte Queen Victoria diese Stelle, allerdings ist der Ort nicht nach ihr, sondern nach Queen Isabella, der Frau von Robert the Bruce benannt, die dort gerne Rast machte, wenn sie auf Reisen war. Unser Reiseleiter hat uns diese Info übrigens falsch erzählt. Er sagte, der Ort sei nach Queen Victoria benannt. Dabei stand auf der Reiseroute, die er uns gegeben hatte, dass Queen Isabella die Namensgeberin war.


Das Café und Informationszentrum an der Queen's View spielt mit der Verbindung der beiden Königinnen und stellt die Namensgebung unter der Überschrift "Tea for two?" dar. Ich frage mich, ob die Diskussion darüber, ob der Ort jetzt nach Victoria oder Isabella benannt ist, auch eine Frage nach Scottishness ist - schließlich ist Isabella die Frau eines der schottischen Nationalhelden, während Victoria mit England verbunden ist. Da kann Queen's View doch nur nach Queen Isabella benannt sein. 
Außerdem findet sich ein Zitat von Queen Victoria im Informationszentrum: "...it was raining... we could hardly see anything" (was für eine bezaubernde Persönlichkeit Victoria doch war ;-)) und der Weg zur Toilette ist auch auf lustige Art und Weise ausgeschildert.

Ich bin königlich ;-)

Der Highland Experience Day war nicht unbedingt mein liebster Ausflug mit den ISUK Tours und es ist auch erstmal mein letzter. Nächstes Wochenende bin ich London, bei Treffen der FLA und ELA Ambassadors (ein Programm, das den Fremdsprachenassistenteneinsatz noch etwas ausweitet - dazu ein anderes Mal mehr) und im Dezember finden wegen des Wetters sowieso keine Ausflüge statt. Trotzdem war der Tag schön und besonders Loch Tummel hat sich gelohnt.

Heute Abend war ich zusammen mit Amelie, ihrem Freund und Fabian bei einem Konzert der Band eines Mathelehrers unserer Schule (Amelie hat die ersten Wochen bei ihm gewohnt). Das fand in einer Bar statt, in die ich sonst nie reingegangen wäre. Aber es war sehr nett. Beim nächsten Konzert in Glasgow sind wir wieder dabei. Wir haben schon überlegt, Groupie-Poster zu machen. ;-)

Dienstag, 11. November 2014

Noch mehr Erinnern

Während zuhause man heute entweder zu denen gehört, die in bunten Kostümen und  Alkohol in Plastikbechern in der Innenstadt schunkeln, um beim Sessionsbeginn warm zu bleiben, oder zu denen, die über die Erstgenannten belustigt bis verärgert den Kopf schüttelt, war heute im Vereinigten Königreich Remembrance Day (auch Poppy Day genannt). Dieser Tag erinnert an die getöteten Soldaten seit dem ersten Weltkrieg. An den Kenotaphen im ganzen Land werden Kränze mit roten Mohnblumen (poppies) niedergelegt. Diese Blume wurde in Bezug auf das Gedicht "In Flanders Fields" von John McCrae gewählt. In diesem Gedicht steht der Mohn gleichzeitig für das Blut der gefallenen Soldaten als auch für die Hoffnung, dass das Leben weitergeht. In allen Supermärkten, Institutionen und teilweise auch auf der Straße kann man für Veteranen spenden und bekommt eine Plastikmohnblume, die man an der Jacke tragen kann. Mindestens jeder zweite, den ich den letzten Tagen gesehen habe, trug so eine Blume. Sonntag gab es in London einen großen militärischen Aufmarsch, die Queen und wichtige Politiker legten Kränze nieder und es gab eine Schweigeminute. Alles im allen also eine ganz andere Stimmung als beim ausgelassenen Karneval und auch anders als St. Martin (den Guten wollen wir ja mal nicht unter den Tisch fallen lassen).
Der Remembrance Day soll, wie ich Donnerstag beim Besuch in der Grundschule gelernt habe, keineswegs den Krieg verherrlichen, sondern den Menschen danken, die ihr Leben für ihr Land riskiert oder verloren haben. Das ist eine ziemliche Gratwanderung, wie ich finde. Im Post über den Ausflug in die Highlands habe ich ja schon meine Skepsis über die War Memorials zur Sprache gebracht. Ähnliche Gefühle habe ich hierbei. Wenn man den Krieg nicht glorifizieren will, warum erinnert man dann nur an die "Kriegshelden" und nicht allgemein an die Grausamkeiten den Krieges und alle jene, die darunter zu leiden hatten? Die Grundschullehrerin hat mir erzählt, dass sie die Kinder immer Gedichte zum Remembrance Day schreiben lässt und dass in den letzten Jahren oft Gedichte dabei waren, die den Krieg als positiv darstellten. Das wundert mich nicht. Aber vielleicht sehe ich das ja zu pessimistisch. In diesem Jahr wollte die Lehrerin diesen Auswüchsen von Gedichten entgegen wirken, in dem sie verschiedene Gedichte über den Krieg mitgebracht hat (u.a. "Dulce et Decorum est" von Wilfried Owen), was zur Folge hatte, dass einer der Jungen in Tränen ausbrach...
In Frankreich erinnert man übrigens auch an die "Armistice" (Waffelstillstand - am 11.11.1918 wurde der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen). Hélène war ziemlich überrascht, dass der Tag in Deutschland nicht wichtig ist. Aber wann sollten wir denn sonst die Session eröffnen? Nein, im Ernst, ich denke ja, dass es etwas damit zu tun hat, dass Deutschland den Ersten (und Zweiten) Weltkrieg verloren hat.

Aber da wir gerade beim Erinnern sind - Sonntag war ja der 25. Jahrestag des Mauerfalls. Ich habe im Fernsehen ein paar Bilder aus Berlin gesehen und ein Mädchen aus der German Society war bei den Feierlichkeiten dabei und hat Fotos in die Facebook-Gruppe gestellt. Bei den Beiträgen im Fernsehen hat es mich überrascht, dass die interviewten Deutschen alle Englisch sprachen (auch der kleine Junge im DDR-Museum). Das hat mir nochmal gezeigt, wie verbreitet Englisch ist und vielleicht auch wie gut der Englischunterricht bei uns ist ;-) (wobei die meisten der Befragten doch so alt waren, dass sie vor etwa 40 Jahren in der Schule waren - seitdem hat sich einiges geändert).
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in der Schule nichts zum Mauerfall gemacht habe. Irgendwie hat es sich nicht ergeben und ich war voll mit der Stunde zu St. Martin bei den Erstklässlern beschäftigt. Amelie und ich haben beide eine Laterne gebastelt und wir haben ihnen "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" beigebracht. Zu unserer großen Freude haben die Lehrerinnen die Laternen auch beim Tag der offenen Tür den Eltern gezeigt. Das hat uns wiederum gezeigt, dass unsere Arbeit geschätzt wird.

Sonntag, 9. November 2014

Hogwarts - what else?

Gestern war ich in Hogwarts! Wirklich! Die Ausflüge der International Students machen's möglich. Die Ausflüge am Wochenende sind für Amelie und mich schon fast eine Tradition geworden. Dieses Mal waren wir in Newcastle und Durham, also wieder England.
Newcastle kannte ich ja schon durch meinen Ausflug mit den Spaniern. Ich habe mir die Brücken über den Tyne nochmal angesehen, aber das Museum für moderne Kunst haben Amelie und ich uns geschenkt. Auf dem Weg zum Fluss herunter begegnenten wir auch einem Affen mit einer Gruppe Bananen im Schlepptau. Pia, ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass wir auf solch spaßige Verkleidungen bei deinem Jungesellinnenabschied verzichtet haben. ;-) 
Wir sind am Schloss und am Schwarzen Tor (ich kann mich immer noch darüber amüsieren) vorbei zur Kathedrale gegangen. Nach einem Mittagessen zu Füßen von Queen Victoria haben wir uns auf die Suche nach dem Stadium gemacht. Dabei haben wir China Town passiert, an deren Eingang ein irisches Kulturzentrum liegt. Sehr passend... Außerdem haben wir einen verwunschenen Friedhof entdeckt. Beides kannte ich noch nicht.

Pünktlich wie wir nun mal sind, kamen wir ein paar Minuten zu früh wieder am Bus an. Die meisten anderen auch. Die Betonung liegt auf "die meisten". Wie bei jeder Fahrt war uns eingeschärft worden, ja pünktlich am Bus zu sein. In Newcastle fehlte einer. Er kam auch nicht fünf Minuten später. Die Reiseleiter telefonierten hinter ihm her, aber es dauerte etwas, bis sie herausfanden, wo er steckte. Er hatte sich verlaufen. Mit einer Viertelstunde Verspätung kam er schließlich an. Zu dem Zeitpunkt waren Reiseleitung, Busfahrer und wir alle extrem genervt. Ich hätte ja die Drohung wahr gemacht und wäre, ohne ihn gefahren. Es wurde uns oft genug gesagt, dass wir pünktlich sein müssen und dass man uns zurück lassen würde, sollten wir zu spät kommen. Das nimmt doch jetzt niemand mehr ernst.

Mit einer Viertelstunde Verspätung ging es dann endlich in Richtung Durham - der Grund, warum ich an diesem Ausflug teilnehmen wollte. Der Kreuzgang der Kathedrale in Durham war nämlich eine Kulisse in den ersten beiden Harry Potter Filmen und das Chapter House der Kathedrale war das Verwandlungsklassenzimmer in der "Kammer des Schreckens". Keine Frage also, dass ich da hin musste. Diesmal hatte ich auch meinen Ravenclaw-Schal dabei und um den Hals. Für's Foto habe ich ihn auch an Amelie verliehen. Ich bin ja nicht so. ;-)
Vom Bus aus wurden wir (immerhin sicher 100 Leute) im Gänsemarsch zur Kathedrale getrieben und hatten auf dem Weg kaum Zeit, uns umzusehen. Vor der Kathedrale wurden wir dann zum Glück in die Selbständigkeit entlassen. In der Kirche durfte man nicht fotografieren und ich habe mich daran gehalten, weil überall Aufseher herum liefen und gerade eine Veranstaltung zum Remembrance Day stattfand. Mein Ziel war ohnehin der Kreuzgang. Der Rasen war leider mit Arbeitsgeräten vollgestellt und ein Teil des Kreuzgangs war mit Brettern beschlagen, aber abgesehen davon sah es wirklich wie im Film aus. Mit hunderten Leuten, die gleichzeitig in den Bereich stürmten, war es etwas schwierig, ein Foto zu machen, aber es ist uns gelungen.




Für ein besseres Foto bin ich auch auf den Rasen geklettert, wurde aber nach einiger Zeit von einer Aufseherin im McGonagall-Tonfall dazu aufgefordert, SOFORT wieder in den Kreuzgang zu kommen. Ich dürfe nicht auf den Rasen. Sie musste auch viele anderen aus unserer Gruppe ermahnen. Vermutlich dachte sie sich auch: "Immer diese doofen Fans!" Allerdings muss ich auch anmerken, dass es wenig Sinn macht, das Verbotsschild an komplett anderen Ende des Kreuzgangs aufzustellen. Ich habe es erst entdeckt, nachdem ich den Gang zu dreiviertel umrundet hatte. McGonagalls Klassenzimmer war leider nicht für Besucher geöffnet. Ich konnte nur durch das Fenster reinlinsen.
Im Giftshop der Kathedrale konnte man neben Postkarten und Nippes auch einen Lego-Stein kaufen, um die Kathedrale aus Lego nachzubauen. Ich fand das eine schöne Idee und habe mit einem quadratischen beigen Lego-Stein - den ich nach genauer Anweisung der Freiwilligen in der dazu vorgesehenen Lücke platziert habe - meinen Beitrag geleistet.
Das ist bisher geschafft
Nach dem Besuch in der Kathedrale wollten Amelie und ich eigentlich in das Schloss nebenan, aber das hatte schon nicht mehr geöffnet. Also sind wir durch Durham gelaufen. Das ist wirklich ein niedliches Städtchen! Viele alte Häuser in der Innenstadt und der Marktplatz hat auch in der Dämmerung und bei Nieselregen Charme. Aber es ist uns aufgefallen, dass alle Städte, die wir bisher besucht haben, irgendwie steiler sind als gedacht. Ständig müssen wir Berge oder Treppen hochlaufen. Aber Straßen wie die auf dem folgenden Foto lassen doch wirklich erahnen, was JKR im Kopf hatte, als sie die Winkelgasse beschrieben hat.
Und das Schaufenster dieses Tea Rooms hat es mir auch angetan. Nein, nicht weil er rosa ist. So gut müsstet ihr mich kennen. 
Alice!

Übrigens war ich so in Harry Potter Stimmung, dass ich bei diesem Laden dachte: "Irgendwie haben die 'Quidditch' hier aber gehörig falsch geschrieben. Amateure!" Man mag es mir nachsehen. Ich war auf dem Weg nach Hogwarts. Wohin sonst? ;-)

Mittwoch, 5. November 2014

Remember, remember...

1605 beschloss eine Gruppe englischer Katholiken, unter ihnen Guy Fawkes und ihr Anführer Robert Catesby, dass König James I. (von England) bzw. VI. (von Schottland) abgeschafft gehörte und mit ihm zusammen das ganze Parlament. Nachdem König Henry VIII. seine religiöse Ego-Tour durchgezogen hatte (Bruch mit dem Papst aufgrund seiner Ehe mit Anne Boleyn), gab es in England - England und Schottland waren zu diesem Zeitpunkt benachbarte Königreiche - starke Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten/ Anglikanern. Nachdem Elizabeth I. (Henry VIII.s) Tochter kinderlos starb, bestieg ihr Neffe, der schottische König James VI., den englischen Thron und wurde James I. von England. James I./ VI. war Protestant, was den Katholiken nicht besonders gut gefiel, sie bevorzugten einen katholischen König.
Deswegen positionierte Guy Fawkes am 5. November 1605 eine Menge Schießpulver im Keller von Westminster, um das Gebäude in die Luft zu jagen. Unglücklicherweise für Guy Fawkes und seine Mitverschwörer des sogenannten Gunpowder Plots wurde er entdeckt und die Verschwörer wurden gefangen genommen und später hingerichtet.
In Großbritannien wird bis heute am 5. November an den Gunpowder Plot mit einem bonfire (sowohl Freudenfeuer als auch Scheiterhaufen) und einem Feuerwerk gedacht. Auf dem Scheiterhaufen werden dann häufig Guy Fawkes-Puppen verbrannt. In der Vergangenheit kam es dann auch oft zu anti-katholischen Stimmungen, bei denen nicht nur Guy Fawkes sondern auch der Papst in Puppenform ins Feuer geworfen wurde.

Das ist das, was man an der Uni lernt. Heute habe ich eine Bonfire Night selber miterlebt. Ich war sehr gespannt darauf und bin mit Amelie zur Veranstaltung in Glasgow Green gegangen. Eigentlich wollten wir noch andere GETs treffen, aber wir haben sie im Getümmel dann nicht gefunden. Ganz Glasgow schien da zu sein und sich entweder an den Essensständen zu verpflegen, sich auf einem Karussell zu vergnügen und ihr Glück beim Enten/ Pu der Bär/ Tüten-Angeln zu versuchen. Letzteres scheint eine sehr beliebte Attraktion hier zu sein. Wir haben mehrere Stände dazu gesehen.
Ein Bonfire gab es in Glasgow nicht. Ich hätte es interessant gefunden, das zu sehen, hätte das aber auch ziemlich gruselig gefunden. Dafür gab es aber ein schönes Feuerwerk mit musikalischer Untermalung, das tausende Menschen fasziniert betrachtet haben. Hélène meinte später, das Thema des Feuerwerks sei Superhelden gewesen. Das ist mir nicht aufgefallen, aber es hat mir trotzdem gefallen.



 
















Am Ende war mir trotz Strumpfhose unter der Jeans und dicken Socken doch etwas kalt. Amelie und ich sind zurück in Richtung Innenstadt gegangen. Vor der St. Enoch U-Bahn-Haltestelle fand noch ein "Firewalk" statt. Die Scottish Association for Mental Health lud dazu ein, (gegen eine Spende) barfuß über glühende Kohle zu gehen und Ängste zu besiegen. Ich fand es aber eher eine dumme Idee, zuerst die Füße zu Eisklumpen gefrieren zu lassen (die Firewalker warteten ziemlich lange mit nackten Füßen), nur um sie dann unglaublich hohen Temperaturen auszusetzen... Aber gut, ich musste das ja auch nicht machen.

Zum Schluss noch der Kindervers, auf den ich im Titel angespielt habe:

"Remember, remember,
The fifth of November,
Gunpowder, Treason and Plot,
For I see no Reason
Why Gunpowder Treason
Shall ever be forgot" 





Dienstag, 4. November 2014

Halloween

Was Karneval in Deutschland ist, scheint Halloween in Großbritannien zu sein: Süßigkeiten für die Kinder (bei Über-zehnjährigen werden die Trick-or-treat-Rundgänge laut meiner Tandempartnerin als betteln angesehen), Alkohol für die Großen und Verkleidungen für alle. Das ist zumindest die Kurzfassung. Nein, es gibt, soweit ich weiß, keine Halloween-Sitzungen und keine großen Umzüge durch die Stadt - auch wenn ich am Freitag verkleidete Subway-Mitarbeiter ("The transportation, not the fast food") gesehen habe, die in gruseligen Verkleidungen Süßigkeiten verschenkten. Aber es gibt Unmengen Halloweenfeiern und jede Institution und jede Gruppe hat ihre eigenene Feier.
Ich habe zweimal Halloween gefeiert. Im Ceilidh-Kurs gab es einen Halloween-Abend, bei dem wir weniger hart gearbeitet und viel mehr einfach nur getanzt haben. Die meisten kamen verkleidet, das beste Kostüm wurde prämiert und in der Pause gab es orangene Muffins und gruselige Süßigkeiten. Es war lustiger Abend. Mich haben die beiden spanischen Mädels vom Hocker gehauen, die beide im flauschigen Kuhanzug zur Stunde kamen. Sie müssen sowas von geschwitzt haben. Mir war in meinem kurzärmeligen Kleid schon ziemlich warm. Den Preis für das beste Kostüm hat ein Spiderman im Kilt bekommen. Unsere Tanz-Lehrerinnen kamen als Japanerin, blauer Buntstift, Tardis und Anna aus Frozen (der Film ist hier sehr beliebt - bei allen Jahrgangsstufen). Eins der männlichen Komiteemitglieder hatte sich ganz grün angemalt und stellte einen Spielzeugsoldaten dar. Das Problem war allerdings, dass er abfärbte und die Leiter der Society die Pause auf den Knien verbrachten, um die grüne Farbe (und Schuhabdrücke anderer Teilnehmer) vom Turnhallenboden zu wischen. Die taten mir etwas Leid.

Im Grunde hätte ich die ganze Woche hindurch Halloween feiern können, da es offenbar niemand so genau mit dem Datum nahm. Allerdings bin ich nur zu der Party der Uni am Freitag gegangen. Amelie und drei weitere GETs waren auch mit dabei. Da der Eintritt vor neun Uhr frei war, gingen wir frühzeitig hin und mussten ein bisschen warten, bis es richtig los ging, aber mir hat es gut gefallen. Die Musik war gar nicht mal schlecht (auch hier wurde irgendwann "500 miles" gespielt - das war dann der Punkt, an dem Amelie und ich nach Hause gingen, allerdings unabhängig von dem Lied) und die Dekoration war auch schön gruselig. Im großen Disko-Raum der Union gab es einen Blood Bath Corridor, bei dem man mit Kunstblut bespritzt wurde, wenn man sich hindurch wagte. Wir haben es aber lieber sein gelassen. Es hieß zwar, die Farbe sei abwaschbar, aber man weiß ja nie. Später musste ich allerdings feststellen, dass meine Jacke trotzdem irgendwie rote Farbe abbekommen hat. Ich habe sie schon ein bisschen sauber gemacht, muss da am Wochenende aber nochmal richtig in Angriff nehmen (vorzugsweise dann, wenn ich mir einen Wintermantel gekauft habe und meinen Anorak einfach in die Waschmaschine stecken kann).

Rut trinkt Blut ;-)
Bei der Uni-Party habe ich viele tolle Verkleidungen gesehen. Besonders beliebt schien Wally aus Where's Wally? (im Deutschen Walter, der Junge mit dem roten Ringelpulli in den Wimmelbildern) zu sein - auch in einer weiblichen Variante. Aber auch Charaktere aus Filmen und Serien waren häufig zu sehen: Disney-Prinzessinnen rauf und runter, teilweise in knappsten Röcken und/ oder in der Zombie-Variante, einige Pipers aus Orange is the New Black, der Joker natürlich, Alice im Wunderland, der Doctor (ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ich keinen gesehen hätte), Mary Poppins (!) und ich habe zwei Mädchen gesehen, die sich als Daenerys Targaryen verkleidet haben. Das Kostüm der einen war echt gut. Sie hatte sogar einen kleinen Drachen auf der Schulter. Leider war ich ein bisschen zu schüchtern, um sie zu fragen, ob sie ein Foto mit mir macht. Ich war übrigens Rut, die Bakterien verschleudernde Vampirkönigin - ich bin immer noch erkältet.
Es waren auch ein paar gruselige Verkleidungen dabei (u.a. zwei Geister, die sich wirklich einfach nur ein Bettlaken übergeworfen hatten), aber eben auch viele ganz normale. Wie gesagt, Halloween scheint der britische Karneval zu sein.

Montag, 3. November 2014

Geburtstag in der Ferne

Ich habe gerne Ende Oktober Geburtstag. Nicht nur, weil ich meine Geburtstagsfeier an Halloween/ gruselige Themen anlehnen kann, sondern auch weil ich den Herbst mag. Wenn die Blätter der Bäume sich langsam gelb und rot färben und später bunte Laubhaufen, in die man reinspringen kann, auf dem Boden liegen, finde ich das ganz toll. Natürlich habe ich als Kind auch schon Nachteile an dem Datum gesehen, wie z.B. dass ich nie eine Feier im Garten machen konnte. Im Studium habe ich einen weiteren Nachteil meines Geburtstags kennengelernt. Mit wem feiern, wenn man neu in der Stadt und der Geburtstag nicht mal drei Wochen nach Uni-Beginn ist?
Bisher habe ich meinen Geburtstag dreimal an neuen Orten gefeiert. In Essen habe ich mich für meine Mitbewohnerinnen entschieden, im Erasmus-Semester kamen die beiden Lisas an dem Wochenende nach meinem Geburtstag, so dass ich meinen Geburtstag einfach gedanklich um zwei Tage nach hinten verschoben habe. Hier war mein Geburtstag irgendwie ruhiger als vor vier Jahren in Spanien.
Bereits zur deutschen Mitternacht bekam ich die ersten Anrufe und (Sprach-) Nachrichten und eine Stunde später nochmal. Morgens hatte ich Schule. Die Lehrerinnen, oder zumindest Laura und Victoria, wussten, dass ich Geburtstag hatte (schließlich hatte ich das in der Vorstellung bei den Schülern mindestens zwölfmal gesagt, und ich hatte im Lehrerzimmer ein paar Sachen erzählt, die ich bis zu meinem Geburtstag noch erledigen musste) und als ich ins Lehrerzimmer kam, lagen da eine Karte und zwei kleine Geschenke. Total lieb! Die Geschenke mussten aber bis zur Pause warten, erstmal ging es in den Unterricht.
Die Viertklässler hatten irgendwie mitgekriegt, dass mein Geburtstag war, und haben mir eine Karte gebastelt, die sie mir zwischen zwei Kleingruppen in meinen Raum brachten. Sie hatten Laura gefragt, was ich denn gerne mögen würde und sie hatte ihnen Harry Potter gesagt, woraufhin sie die Karte Harry Potter-mäßig gestalteten, inklusive "You're a wizard, Rut". Soweit ich das sehen konnte, haben alle in der Karte unterschrieben. Sowas von süß, meine Schüler! Sie wollten auch in meinen Raum rüberkommen und mir ein Geburtstagslied singen, aber Laura hat es ihnen nicht erlaubt. Die anderen Klassen haben aber nicht rausgefunden, dass ich Geburtstag hatte.
In der Pause haben wir eine kleine Geburtstagsfeier im Lehrerzimmer gemacht. Ich hatte Kuchen gebacken und Laura und Victoria hatten Kuchen und Apfelsaft gekauft - "Ihr Deutschen trinkt doch so gerne Apfelsaft". Ich habe ihre Geschenke aufgemacht. Darin waren eine Tasse mit Sehenswürdigkeiten von Schottland und ein Memoryspiel mit schottischen Begriffen (also durchaus mit pädagogischen Anspruch ;-)). Ich habe mich sehr gefreut.
Nachmittags kamen die Spanier von dem Englandabenteuer und Amelie vorbei. Ich hatte außerdem meine Mitbewohnerinnen zu Tee und Kuchen eingeladen, aber Hélène war mit ihrem Besuch aus der Heimat unterwegs, so dass sich nur Vanessa dazu setzte. Es war eine sehr nette Runde. Wir haben viel geredet und sowohl meinen selbstgebackenen als auch den Kuchen, den die Lehrerinnen für mich besorgt hatten, verputzt und Unmengen Tee getrunken.

Jeder Geburtstag ist anders. Ich war mir nicht ganz sicher, wie dieser werden würde - ganz ohne Besuch von Freunden aus Deutschland oder der Familie.Vielleicht war das ein Grund, warum ich meinem Geburtstag dieses Jahr nicht so freudig entgegen geblickt habe wie sonst schon mal, und mich lange nicht entscheiden konnte, wie, mit wem und wann ich überhaupt feiere. Im Rückblick kann ich aber sagen, dass es ein schöner Geburtstag war. Es war nichts besonderes, einfach ein Beisammensein mit netten Menschen. Natürlich haben einige gefehlt, mit denen ich auch gerne gefeiert hätte. Aber ich fand es großartig, dass sich all die Leute, die da waren, Zeit genommen und sie mit mir verbracht haben. Ich komme so langsam in das Alter, in dem das Zeit nehmen das Wichtigste zu sein scheint, weil man irgendwie keine Zeit mehr hat.