Sonntag, 31. Mai 2015

Die letzten Tage in Schottland

Denise ist am Sonntag nach Schottland gekommen, um hier ein paar Tage Urlaub zu machen. Am Dienstag fliegt sie zurück - und nimmt mich mit. Es ist schön, dass ich nicht alleine nach Deutschland zurückfliegen muss und jemanden dabei haben werde, die sehr gut versteht, warum ich traurig bin, dieses schöne Land zu verlassen.

Am Montag war Feiertag, also haben Denise und ich ihren Urlaub mit eineinhalb Tagen in Edinburgh begonnen. Mal wieder Edinburgh. Ich war in den letzten neun Monaten jetzt sicher vier oder fünfmal da. Einige Glaswegians würden mir das vermutlich schon als Verrat ankreiden. Glasgow und Edinburgh verbinden ähnliche Gefühle wie Düsseldorf und Köln. Ich kann nicht sagen, welche Stadt mir besser gefällt. Edinburgh ist wunderschön, keine Frage, aber ich finde die Stadt fast schon zu puppenstubenhaft und touristisch. Glasgow ist da irgendwie natürlicher. Ich liebe beide Städte. Deswegen sind Denise und ich Sonntag auch erstmal so durch die Stadt gestreift, bevor wir mit der Literary Pub Tour Bildung und Trinken verbunden haben. Ich habe die Tour schon vor zwei Jahren gemacht. An manche Sachen habe ich mich noch erinnert, andere sind mir wieder eingefallen und wieder andere sind entweder letztes Mal nicht gesagt worden (ganz besonders gegen Ende hatte ich das Gefühl, dass andere Schriftsteller erwähnt wurden), oder ich habe sie schichtweg nicht verstanden. Vor zwei Jahren hatte einer der beiden Schauspieler einen sehr starken schottischen Akzent. Dieses Mal wäre es mir vermutlich leichter gefallen, ihn zu verstehen, aber die Schauspieler sprachen sehr deutlich und kaum mit Akzent. Was auch anders zum letzten Mal war, war dass wir einen Mann und eine Frau war, was manchen Streitpunkten zwischen ihnen nochmal eine leicht andere Perspektive als beim letzten Mal gab. Ich fand die Tour wieder grandios und habe auch gemerkt, wie viele Sachen ich durch mein Studium und durch meine Staatsarbeit schon wusste und war stolz auf mich.
Montag waren Denise und ich zuerst im Castle. Wir hatten geplant, um halb acht aufzustehen und kamen uns damit sehr früh vor. Aber Jugendherbergen sind mittlerweile offenbar ein Ort für Frühaufsteher. Dass die ersten das Zimmer schon um vier Uhr verließen, bekam ich gar nicht mit. Allerdings waren es die anderen beiden Zimmermitbewohner, mit denen wir unseren Spaß hatten. Sie hatten einen Wecker gestellt, waren aber früher aufgestanden und hatten das Zimmer verlassen. Um sieben oder so klingelte also deren Handywecker und hörte nicht auf. Wir wurden sicher zehn Minuten beschallt, bis die zwei sich erinnerten, dass sie wohl was vergessen hatten...

Das Castle machte um halb zehn auf und als wir um zwanzig nach neun an der Esplanade ankamen, warteten da schon viele Menschen, die auch alle rein wollten. Wir kamen aber erstaunlich schnell voran und haben eine Führung mitgemacht. Auch hier erinnerte ich mich an ein paar Sachen vom letzten Besuch, habe aber auch einiges gehört, was ich vorher noch nicht wusste. Zum Beispiel ist James II. gestorben, weil er bei seiner Frau mit einer Kanone angeben wollte ("He liked the big guns.") und dann beim Abfeuern sich selbst so stark verletzte, dass er daran zugrunde ging. 
Diesmal habe ich auch die schottischen Kronjuwelen und den Stone of Scone gesehen. Schön sind die ja nicht unbedingt. Aber der Hauptzweck ist vermutlich, damit anzugeben. Und bescheiden sind Könige wohl nie.
In der Great Hall gab es ein Re-Enactment von einer Hofdame von Mary Queen of Scots, die die Lebensgeschichte der Königin erzählte und die neue Mode zeigte, die eben diese aus Frankreich mitgebracht hatte. "Shades of Green" waren in Frankreich der neuste Schrei, während unsere schottische Adelige noch in einem gelb-roten Kleid herumlief.
Wir haben noch einige Orte auf der Burg abgelaufen, die ich bei meinem letzten Besuch nicht gesehen hatte, darunter einen Raum mit netten Fensterbuchten, in die man sich bei Partys sicher gut zurückziehen und lästern könnte und die Kerker der Burg. Dort gab es ein paar Audio-Aufnahmen, auf denen Gefangene sprachen. Über den spanischen Akzent des einen mussten wir sehr lachen.
Nach der Burg gingen wir uns Writer's Museum und nach einer Mittagspause, liefen wir - weil wir noch nicht genug gelaufen waren - zum Parlament und Arthur's Seat, beschlossen aber, nicht bis ganz nach oben zu laufen. 

Auf dem Weg zurück zum Hostel kamen wir an einem Bus vorbei, in dem eine Mini Kunst/ Design-Ausstellung war. Ich habe kaum etwas von der Ausstellung gesehen, weil ich mich die ganze Zeit mit einem Videospiel beschäftigte, bei dem man einen Vogel über eine leere Leinwand fliegen lassen und Erdbeeren einsammeln lassen musste. Dort, wo der Vogel lang flog, entstand ein Bild, das im nächsten Level farbig ausgemalt und noch einen Level später weiter ergänzt wurde. Das war wunderbar entspannend und Denise musste mich förmlich davon los reißen.

Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hatte ich Schule und Denise musste ich alleine beschäftigen.
Mittwoch war bei mir in der Schule ein internationales Sportfest für die Erstklässler, eine Kooperation von mindestens Sport, Deutsch und Kunst. Die Schüler wurden in verschiedene Ländergruppen unterteilt (u.a. Deutschland, Schottland, Malaysia und Kenia) und traten in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Ältere Schüler sagten die Disziplinen und die Gewinner auf Deutsch an und eigentlich hätten die Schüler Sätze in den jeweiligen Landessprachen ("Hallo", "Ich komme aus...", "Viel Glück" usw.) lernen sollen, aber unser Suaheli- und Chinesisch-Kenntnisse waren dann doch zu schlecht, um das glaubhaft unterrichten zu können. Stattdessen haben sie die Sätze auf Deutsch gelernt. Die Kunstlehrerin hatte für Fahnen und Plakate gesorgt.
Ich durfte beim Sportfest dabei sein und habe die meiste Zeit bei den Schülern verbracht, die die Ansagen gemacht haben, und habe ihnen geholfen, die Wörter auszusprechen. "800m Mittelstreckenlauf" ist wirklich schwierig. Als Muttersprachlerin habe ich mich dann auch verpflichtet gefühlt, ab und zu etwas Deutsch zu sprechen und habe völlig willkürlich den Schülern "Los! Beeil dich!" oder "Gut gemacht!" zugerufen. Es war schon irgendwie lustig. Weniger lustig war, das auf dem Weg zurück zu Schule der Bus erst nicht ansprang, so dass 30 Schüler aus unserem Bus umgeladen wurden und der Rest auf den Mechaniker warten musste, und der Bus, als er dann endlich fuhr, rauchte und die Schüler aus der letzten Reihe nach vorne zu den Lehrern trieb, weil es hinten so stank, und wir alle froh waren, zur Schule zurückzukehren ohne dabei in die Luft zu fliegen.
Donnerstagabend haben Denise und ich Emily zum Essen getroffen. Ich muss mich schließlich nach und nach von alle den netten Menschen hier verabschieden. Aber ich hoffe ja, sie alle wiederzusehen.

Freitag waren wir in der Burrell Collection. In dem Museum werden Bilder, Statuen und anderer Kram gezeigt, den der reiche Unternehmer William Burrell gesammelt hat. Das Gebäude ist sehr cool, weil es eigentlich ein modernes Gebäude ist, aber immer wieder Torbögen oder Fenster aus alten Gemäuern eingebaut hat. 
Ein Teil der Ausstellung beschäftigt sich auch mit dem Leben im 16. und 17. Jahrhundert. Dort kann man die Handarbeitserzeugnisse junger Mädchen der Zeit sehen. Es war schon krass, was die damals gestickt haben. Nicht nur Kissen, sondern auch z.B. Bezüge für Spiegelrahmen. Und die Stickereien waren dann teilweise noch mit Perlen verziert oder mit speziellem Garn aufgepeppt. Eine Frau auf einem Kissen hatte zum Beispiel lockige Haare aus gekräuseltem Garn. Wahnsinn, wie viel Arbeit da drin steckt. Aber die Mädchen hatten damals wohl auch nicht viel zu tun.
Wir waren auch bei den Ställen und hatten diesmal Glück, denn wir haben die Shire Horses gesehen, die gerade zum Ausritt aufbrachen. Leider zeigte sich das Wetter am Freitag von seiner schottischsten Seite. Der Vormittag war sehr schön, aber gerade als wir zum Bus zurück laufen wollten, fing es an zu regnen. Und zu hageln. Wir liefen zurück zur Burrell Collection und stellten uns da unter.



Abends waren wir im Doctor Who Symphonic Spectacular im SSE Hydro. Ein Konzert, bei dem verschiedene Musik-Stücke vom Soundtrack der Serie von einem Orchester und Chor live vorgetragen wurden und auf einer Leinwand zusammengeschnittene Szenen gezeigt wurden. Außerdem kamen einige der Aliens auf die Bühne! Das Spektakel begann mit einer Durchsage der Cybermen, dass die Menschen gehorchen müssten und Blitzfotografien nicht kompatibel mit der cyber technology seien. Peter Davison, der fünfte Doktor, führte durch das Programm und stellte gleich zu Beginn fest, dass Glasgow  eine besondere Bedeutung für Doctor Who hat, weil mehrere Mitglieder der Produktion in Glasgow geboren seien (wenn man den Großraum Glasgow etwas wohlwollend dehnt, stimmt das sogar) und sagte, dass er einen Algorithmus entwickelt habe und 87 zukünftige Doctors und 149 zukünftige Produzenten im Publikum säßen und Doctor Who somit für die nächsten 200 Jahre gesichert sei. 
Zwischendurch kamen die Daleks auf die Bühne und versuchten, dem Orchester und dem Dirigenten ihren Willen aufzuzwingen, aber zum Glück hatte der Dirigent einen Sonic Baton (baton = Taktstock). Auch die Ood tauchten mehrmals auf der Bühne auf. Genauso wie The Silence und andere Geschöpfe aus der Serie. Das Konzert war unglaublich cool und ich habe mich sehr gefreut, dass auch das Lied der Ood gespielt wurde.
Es war auch lustig, die anderen Zuschauer zu beobachten. Die richtigen Hardcore-Fans hatten Plätze im Parkett und wurden von Daleks und Cybermen umrundet. Ein Dalek fuhr sogar direkt in die Menge. Ich weiß nicht, ob das ein Versehen oder Absicht war. Um uns herum auf den Rängen saßen eher die gemäßigten Fans, die meistens nur Doctor Who T-Shirts trugen, wobei der Fes auch ein beliebtes Fan-Kleidungsstück war.

Für gestern hatten wir eigentlich geplant, ans Loch Lomond zu fahren, aber weil das Wetter im Moment so unberechenbar sind, haben wir uns dann doch entschieden, in Glasgow zu bleiben. Im Endeffekt hatten wir dann so gutes Wetter, dass wir doch zum Loch Lomond hätten fahren können, aber das konnten wir ja nicht wissen. Wir waren stattdessen im West End. Im Kelvingrove Museum haben wir und die Dinosaurier-Ausstellung angesehen und sind dann an der Uni vorbei zum Botanischen Garten gegangen, um da zu Mittag zu essen. In einem Secondhandladen habe ich mir noch einen Ladies Kilt gekauft und von dort sind wir in die Innenstadt geschlendert. Ein Tag mit viel Laufen und gutem Wetter zum Abschied nehmen von einigen der schönsten Ecken Glasgows.

Heute habe ich gepackt und festgestellt, dass ich zu viel Kram habe. Einige Pullis und Bücher (!) habe ich schon zum Charity Shop gebracht und werde auch meinen Anorak und Schuhe hier lassen. Es ist unglaublich, was man in neun Monaten alles so ansammeln kann. Zum Glück ist in Denises Koffer noch ein bisschen Platz für meine Sachen.

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