Samstag, 17. Januar 2015

Sand und Eis

Mittlerweile hat nicht nur die Schule sondern auch die Uni wieder angefangen, was heißt, dass auch die ISUK-Touren weitergehen. Ich hatte schon ganz gespannt auf die Ankündigungen gewartet und mich gefreut, als ich gesehen habe, dass der erste Ausflug nach St Andrews gehen würde.
Amelie wollte nicht mit. Ich vermute, sie traute dem Wetter nicht. Auch Anabel, die ich gefragt habe, ob sie mitkommen möchte, hatte diese Bedenken. So ganz Unrecht hatten die beiden damit nicht. Schließlich hat es gestern in Glasgow geschneit und als ich heute zur U-Bahn gelaufen bin, war der Schnee überfroren, sodass der Weg eine lustige Rutschpartie wurde. Aber abgesehen von der Kälte war das Wetter heute ziemlich perfekt für einen Ausflug: kein Regen und zwischendurch sogar Sonnenschein.

Auf dem Weg nach St Andrews haben wir zwei Zwischenstopps gemacht. Zuerst hielten wir bei den Kelpies in Falkirk. Schon im Oktober habe ich einen Flyer gesehen, auf dem die Kelpies zu sehen waren und wollte unbedingt zu dem Ort, um die Statue in echt zu sehen. Kelpies sind pferdeartige Wasserdämonen, die Kinder in Gewässer locken und sie dort ertränken. Die Statue der Kelpies in Falkirk ist aus Stahl und zeigt zwei 30 Meter hohe Pferdeköpfe, eine Stute und einen Hengst, und soll nicht nur die Wasserdämonen darstellen, sondern auch daran erinnern, dass die Pferde früher in dem Gebiet um Falkirk wichtige und harte Arbeit geleistet haben, in dem sie schwere Lasten transportiert und Wagen gezogen haben. Ich fand die Pferde sehr eindrucksvoll. Besonders gut gefällt mir wie das eine seinen Kopf hochwirft.


Der zweite Halt war Queensferry oder genauer gesagt die Forth Bridge. Auch sehr eindrucksvoll. Architektur ist ja nicht so mein Steckenpferd, deswegen kann ich nie sagen, ob etwas jetzt architektonisch wertvoll ist oder nicht, ich weiß nur, ob es mir gefällt oder nicht. Diese Brücke ist aber wohl schon einer der architektonischen Höhepunkte Schottlands, jedenfalls ist sie auf den 20-Pfundscheinen zu sehen und die Leute, die das entscheiden, müssen es ja wissen. Mir hat die Brücke gefallen, weil ich die Form ungewöhnlich und die Farbe schön finde.
Sie wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebaut und hat fast 100 Menschen das Leben gekostet. Das finde ich allerdings auch wenig verwunderlich, wenn man sich ansieht, wo sie steht: In luftiger Höhe führt sie über den Firth of Forth, der an dieser Stelle etwa zwei Kilometer breit ist. In den 1880er Jahren hatten sie außerdem sicherlich noch nicht die gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie wir sie heute haben.
Das Foto von mir an der Forth Bridge hat übrigens eine finnische Medizinstudentin gemacht, die meinte, dass wir ja im Grunde aus der gleichen Ecke Europas kämen. Na ja... wenn man Deutschland jedes Mal an den Rand des Gebiets legt, könnte man auch sagen, dass Deutschland, Frankreich und Spanien in der gleichen Ecke Europas liegen, genauso wie Deutschland, Polen, Tschechien und die Slowakei...
Nachdem wir die Brücke ausgiebig bewundert hatten, wollten sämtliche Insassen aller drei Busse gleichzeitig Kaffee trinken. Das eine Café direkt an der Brücke war wegen einer Beerdigung für die Öffentlichkeit geschlossen, also strömten alle in das andere. Da griff dann einer der Reiseleiter ein (der, der bei einer der letzten Touren ununterbrochen geredet hat und den ich heute taktisch vermieden habe) und sagte uns, dass ein weiteres Café im Dorf (zwei Gehminuten entfernt) gäbe und dass 100 Meter weiter auch noch ein Laden sei, wo wir etwas Heißen zu trinken kriegen könnten. Es lief also darauf hinaus, dass ich mit in dem Biker-Laden 100 Meter weiter eine heiße Schokolade und ein Brötchen holte, weil ich morgens nicht zum Frühstücken gekommen war. Auch mal eine Erfahrung.

Von Queensferry aus sind wir dann nach St Andrews gefahren. Die Stadt stand schon länger auf meiner To Do-Liste für Schottland (eine Liste, die im Grunde kein Ende hat...). St Andrews ist eine die älteste Universitätsstadt Schottlands (die wo die Royals auch hingehen und William Kate kennengelernt hat - diese Info ist wichtig, ihr werdet später noch rausfinden, warum), die Heimat des Golfs und war lange auch das religiöse Zentrum Schottlands. Der Name kommt vom heiligen Andreas, dessen Knochen dort vergraben sein sollen. Unsere Reiseleiterin erzählte uns noch eine Alternativgeschichte zu der Namensgebung, nämlich die, dass ein früher schottischer König gegen die Pikten kämpfte und das Andreaskreuz in einer Wolkenformation sah und das als Zeichen betrachtete, dass er die Schlacht gewinnen würde. Er hat sie gewonnen und die Stadt nach dem heiligen Andreas benannt.
Wir hatten vier Stunden Zeit St Andrews zu erkunden. Ich wusste zuerst nicht, wo ich hingehen sollte (geschweige denn, wie rum ich die Karte halten sollte), also bin ich erstmal den studentischen Reiseführern gefolgt, die uns an einem Golfplatz entlang zu den West Sands (Strand) führten. Dort bin ich ein bisschen spazieren gegangen und habe die Zeit und die Gruppe aus den Augen verloren. Irgendwann stand ich da nämlich ziemlich alleine (= ohne Gruppe), aber das war nicht weiter schlimm. Ich fand den Strand toll. Trotzdem habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht und bin einer Gruppe Reiter begegnet, die den Strand entlang galoppierten. Da bin ich schon ein bisschen neidisch geworden. Am Meer entlang zu reiten muss es Spaß machen. Ich hätte Lust, mal wieder zu reiten, aber ich fürchte, ich habe zu viel verlernt, um das unbeaufsichtigt zu machen.
Pavillon und Memorial später am Tag
Da die Karte von ISUK mich nach wie vor verwirrte (was vermutlich an der Kopie lag, denn ich konnte die Küstenlinie darauf nicht erkennen), folgte ich einfach den Hinweisschildern in der Stadt. Ich nahm einen Weg, der mehr oder weniger an der Küste entlang führte. Ganz zu Beginn des Wegs steht ein Pavillon, der mich an Burgos erinnert hat. Kurz danach kam ich an dem Martyrs Memorial vorbei, das an die Protestanten erinnert, die während der Reformation in Schottland ermordet wurden.
Der Weg führte mich zum Museum of the University of St Andrews, in das ich vor allem ging, um mich aufzuwärmen und die Toilette zu benutzen. Aber trotzdem war das Museum ganz spannend. Klein aber recht umfassend. Ich habe z.B. erfahren, dass das St Mary's College (heute Teil der Uni) zur Zeit der Schottischen Reformation gegründet wurde, um diese aufzuhalten und dass St Andrews sich im 19. Jahrhundert stark dafür eingesetzt hat, dass auch Frauen eine Universität besuchen dürfen. Außerdem ist eine jahrhundertelange Tradition, dass die Undergrad Students rote Roben tragen. Laut recht aktuellen Fotos scheinen sie das immer noch zu tun (wobei ich vermute, dass das nicht die alltägliche Bekleidung ist, sondern nur zu besonderen Anlässen getragen wird - wobei, man weiß ja nie, es ist Schottland). 
Etwas hinter dem Museum liegt das Castle von St Andrews. Ich habe erst überlegt, reinzugehen, aber war dann doch zu geizig, den Eintritt zu bezahlen. Stattdessen bin ich die Treppe neben dem Castle zu einem kleinen süßen Strand herunter gegangen, der mich irgendwie fasziniert hat.
Das Schloss vom Strand aus


Ich verbinde Strände immer mit warm, aber sowohl an den West Sands als auch an diesem zweiten war der Sand stellenweise gefroren und kleine Eiskristalle glitzerten zwischen den Sandkörnern. Die Felsen waren teilweise grün von kleinen Algen und teilweise weiß vom Eis bzw. Raureif. An anderen Felsen hingen diese längeren braunen Algen. Es war nicht kalt genug, um die komplett durchzufrieren, aber sie standen trotzdem etwas steif von den Steinen ab. Irgendwie verrückt. Eine völlig neue Stranderfahrung. Dieser Strand heißt übrigens Castle Sands, was mich dann aber doch eher an A Song of Ice and Fire erinnert hat.

Hier ein paar Eindrücke vom Strand:
Die Kathedrale von St Andrews ist die größte Kathedrale Schottlands, wobei es vermutlich angebrachter wäre, von ihr in der Vergangenheit zu schreiben, denn sie ist seit dem 16. Jahrhundert nur noch eine Ruine, weil sie als katholische Kirche während der Reformation zerstört wurde. Ich mag Ruinen, aber trotzdem frage ich mich, warum sich nach der Reformation niemand bemüßigt gefühlt hat, aufzuräumen. Auch in Dunkeld ist die Kathedrale zur Hälfte kaputt, weil nur ein Teil als protestantische Kirche wieder aufgebaut wurde. Man muss ja nicht alles wieder aufbauen, aber warum lässt man die Rest in der Gegend rumstehen? Aber ich will mich nicht beschweren, die Kathedrale hat mir sehr gut gefallen.


Das Skurrile ist aber, dass das Gelände, auf dem die Reste der Kathedrale stehen, auch als Friedhof genutzt wurde und ich teilweise den Eindruck hatte, dass die Grabsteine auch da standen, wo eigentlich das Kirchenschiff hätte sein sollen/ gewesen wäre. Ich musste in bisschen an Tintern Abbey denken, die Kirche in Wales, bei der die Wände noch stehen aber das Dach fehlt. In St Andrews fehlt aber ein bisschen mehr. Im Grunde ist die "Kathedrale" ein chaotischer Haufen aus Grabsteinen, Mauern, Bögen, einem halben Kreuzgang und eineinhalb Türmen. Gebaut wurde sie übrigens im 12. Jahrhundert.
Ich habe ja geschrieben, dass die Infos, dass Kate und William sich in St Andrews kennengelernt haben, noch eine Rolle spielen würde. Als einer der "places to go" wurde uns nämlich auch das Café empfohlen, in dem die beiden zusammen Kaffe (oder vielleicht auch Tee - ich weiß es nicht) getrunken haben. Zuerst wollte ich mir das Café nicht ansehen, weil ich den Hype darum ein bisschen lächerlich finde. Andrerseits war ich auch am Elephant House in Edinburgh, wo JKR Harry Potter geschrieben hat. Wo ist da der Unterschied? Und ich muss auch zugeben: Ein bisschen neugierig war ich schon zu sehen, wo Platz zwei der britischen Thronfolge seinen Kaffee trinkt. Also bin ich zu dem Café gegangen.
Gebt zu, ihr wollt es doch sehen! ;-)
Es ist unscheinbar bis zum geht nicht meht und sah von außen nicht so einladen aus, als dass ich reingegangen wäre. Im Schaufenster hängt natürlich ein Schild, auf dem steht, dass die beiden da waren. Wobei ich es interessant finde, dass das Schild aus Kates Perspektive geschrieben ist: "Where Kate met Wills (for coffee!)" Hier ist die vorher unbekannte Bürgerliche das Subjekt des Satzes und nicht der Prinz. Aber vermutlich liegt es daran, dass man weibliches Publikum anlocken möchte, die sich mit Kate identifizieren und ihren Traumprinzen treffen wollen. Ich war von dem Café nicht direkt enttäuscht, aber verwundert. Ich hätte nicht unbedingt etwas Superteures oder Romantisches erwartet, aber ich hätte schon gedacht, dass das Café mehr Charme als eine x-beliebige Standardcafeteria haben würde. Aber wer weiß, vielleicht täuscht der äußere Eindruck ja und es ist innen doch sehr gemütlich. Oder vielleicht ist der Kaffee auch einfach gut.
Ich frage mich eh, wie die erste Begegnung zwischen den beiden ausgesehen haben mag. "Hallo, ich bin William, der Prinz. Darf ich dich zu einem Kaffe einladen?" Hat Prince William eigentlich einen Nachnamen? Wo sind meine Adelsexperten?
Gut, genug Prinzen-Geschichten, zurück zu St Andrews. Ich die Straße, an der das Café liegt, weiter hoch gegangen und habe Teile der Universität gesehen. Schöne alte Gebäude, aber die University of Glasgow hat mich mehr beeindruckt. Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann an den Anblick alter Gebäude. Ich habe mir auch das mittelalterliche Stadttor angesehen und wollte eigentlich zum botanischen Garten gehen, habe es mir dann aber anders überlegt und bin in ein Café gegangen. Nein, nicht das von du-weißt-schon-wem sondern in eins, das, glaube ich, von der Student Union betrieben wird. Bei einer Kanne Tee und beim Klang der Spice Girls (aus irgendwelchen Gründen wurde da "Wannabe" gespielt) habe ich angefangen, meinen heutigen Blogeintrag zu schreiben.

Ein paar Uni-Gebäude im Dunkeln: 



St Andrews ist insgesamt ein sehr süßes Städtchen, das ich auf jeden Fall nochmal besuchen muss, wenn es etwas wärmer ist, damit ich auch etwas von den Stränden habe (dabei war ich heute nicht mal am Sandy Beach und am Pier, die besonders schön sein sollen). Während ich durch die Straßen gegangen bin, dachte ich, dass ich kein Problem damit hatte, dort als FLA zu arbeiten und habe mindestens zwei Häuser gesehen, in denen ich wohl wohnen wollen würde, wenn ich genug Geld hätte. Allerdings würde ich vermutlich nicht so viel von Schottland sehen, wie ich es jetzt tue, wenn ich tatsächlich in St Andrews (was laut Wikipedia übrigens eine secondary und drei primary schools hat) gelandet wäre. Mit gut 17.000 Einwohnern ist die Stadt gerade zu winzig und ein Drittel der Einwohner sind Studenten, was bedeutet, dass wirklich tote Hose in der Stadt sein muss, wenn die nicht da sind.
Es ist in Glasgow schon gut, dass so viele Busse und Züge in alle Richtungen abfahren - es sei denn, es ist Feiertag - und die Universität so viele Touren anbietet. Unsere Reiseleitung heute hat selber ein Jahr in St Andrews studiert und erzählte uns ein bisschen über das Studentenleben. Es ist nicht so, als würde dort nichts für die Studenten angeboten, aber die meisten Aktivitäten scheinen doch darauf angelegt zu sein, die Erstsemester möglichst betrunken zu machen. Da stellt sich die Frage, ob ich da als FLA überhaupt eine Chance gehabt hätte, reinzukommen, und ob ich überhaupt da rein gewollt hätte. Ich bin froh, dass ich in Glasgow die Möglichkeit habe, so viel zu unternehmen. Denise schrieb mir heute so etwas wie: "Du kommst echt rum!" Jaha und das ist super. :-)

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