Sonntag, 11. Januar 2015

Weihnachten in Schottland

Während alle anderen FLAs über Weihnachten nach Hause gefahren sind, habe ich es andersrum gemacht: Ich habe meine Familie überzeugt, mich in Schottland zu besuchen. Zuerst stieß mein Vorschlag auf wenig Begeisterung, aber dann freundeten sich meine Eltern und meine Schwester doch irgendwie mit dem Gedanken an und so hatte ich ab dem 22. Dezember Familienbesuch.
Ich war natürlich aufgeregt und wollte meiner Familie so viel wie möglich von Glasgow zeigen, ein schönes Weihnachtsfest feiern und es am liebsten allen recht machen, was sich alles drei zusammen als Mammutaufgabe erwies und mich doch etwas gestresst hat.

Nachdem der Flug meiner Familie eine Stunde Verspätung hatte und sie das Auto, dass sie eigentlich gebucht hatten, am Flughafen nicht vorgefunden hatten, haben wir am 22. nicht besonders viel gemacht. Ich bin zu ihnen in die Ferienwohnung gekommen, wir haben Tee getrunken, geredet und sind dann irgendwann in die Innenstadt gegangen, waren erstmal in einem Pub essen und sind dann ein wenig über die Buchanan Street gelaufen.

Abgesehen von einem Besuch an meiner Schule waren die nächsten zwei Tage vor allem durch Weihnachtsvorbereitungen und der Planung des restlichen Aufenthalts meiner Familie geprägt. Ein Auto für die ganze Woche zu bekommen, war angesichts der Feiertage nicht möglich, also buchten wir eins für den 27. nur um drei Stunden später einen Anruf zu bekommen, dass die Buchung von neun auf dreizehn Uhr verschoben werden musste, weil sie nicht garantieren können, dass morgen schon alle Autos wieder da seien. Nach kurzer Überlegung haben wir die Bestellung wieder zurück genommen und uns überlegt, am 27. eine Bustour durch die Highlands zu machen, der Mirjam zuerst ziemlich skeptisch gegenüber stand. 
Abends am 23. waren wir in einem Konzert in der Royal Concert Hall (ich hatte meinen Christmas Jumper an und fühlte mich sehr britisch), bei dem ein Orchester und zwei Chöre (einer davon ein Kinderchor) Weihnachtslieder spielten. Ich hatte ziemlich Spaß daran, den Kinderchor zu beobachten, dem es nicht ganz leicht fiel, still zu sitzen und immer wieder mit den Beinen wackelten oder auf dem Stuhl runterrutschten und dann von der Chorleiterin non-verbal ermahnt werden mussten. Der Tenor, der ein paar Lieder mit Orchesterbegleitung sang, war aber ziemlich schmalzig. Aber immerhin hat er das Ave Maria von Schubert auf Deutsch gesungen. Ich habe schon überlegt, ob ich das mal im Unterricht erwähnen sollte, so unter der Kategorie "Berufe, für die man Deutsch können sollte"...
Ab und zu durfte das Publikum mitsingen und ich musste feststellen, dass Mirjam mindestens genauso viele englischsprachige Weihnachtslieder kennt wie ich, weil sie im Chor viele davon gesungen hat. Auswendig kannten wir sie aber beide nicht, also war es ganz gut, dass unsere Nachbarn und eine nette Person fünf Reihen hinter uns einen ihrer Liedzettel an uns weiterreichten. Als letztes wurde "Twelve Days of Christmas" gesungen. Inklusvie passender Bewegungen bis Strophe fünf. Danach wurden die Bewegungen aufgeteilt, was für alle noch viel verwirrender war, glaube ich. Der Kinder mussten z.B. bei "Ten Lords a-Leaping" alle in die Luft springen, was der Dirigent dann als Kinder-Ermüdungs-Methode bezeichnete. Ich fand das Ganze sehr lustig, weil ich das Lied ja schon kannte. Meine Familie schien etwas überfordert.

Heiligabend war dann einerseits schön und andrerseits komisch. Kein Weihnachtsbaum, aber eine Zimmerpalme mit Kugeln, das Bäumchen mit Kunstschnee von Laura mit Strohsternen, meinem Adventskranz und immerhin Josef, Maria, das Jesuskind und ein Engel unserer Holzkrippe von zuhause. Wir haben Raclette machen, eins der Essen, das wir häufig an Heiligabend machen. Victoria hatte uns netterweise ihren Ofen geliehen. Außerdem gab es Christmas Cracker und Mince Pies. Es war also ein deutsch-schottisches Weihnachtsfest.
Wir saßen bei mir in der Küche, Papa las die Weihnachtsgeschichte (Luther-Übersetzung, schon etwas merkwürdig, aber sie ist kostenlos als E-Book zu haben) von meinem E-Book Reader vor - nachdem ich mir ein paar spitze Bemerkungen von Mama anhören musste, weil ich bei diesem Buch aus irgendwelchen Gründen nicht in das Inhaltsverzeichnis gehen konnte und das Dokument nach "Lukas" durchsuchen musste, weil die Alternative gewesen wäre, über tausend Seiten einzeln umzublättern. Dann haben wir ein paar Weihnachtslieder gesungen, die wir auswendig konnten, und haben Geschenke ausgepackt. Für mich wurde es ein Weihnachten der Bücher (ich habe mir richtige Bücher gewünscht, weil mich das Lesen am E-Book Reader nicht wirklich motiviert) und der Socken (Dumbledore's größter Traum :-P). Ich habe mich wohl ein bisschen oft über kalte Füße geäußert. Die werde ich aber jetzt Dank Mirjam, Mama und Amelies Oma nicht mehr haben.
Meine Eltern haben sich etwas typisch Britisches gewünscht, also bekamen sie von mir Christmas Jumpers. Der eine zeigt einen Schneemann mit hervorstehender Nase, der andere einen Weihnachtsmannkopf, bei dem der Pommel auf den Pulli genäht und nicht nur eingestrickt ist. Nach dem Kauf habe ich mir erst ein paar Gedanken gemacht, wie meine Eltern das Geschenk wohl finden würden, aber nachdem sie zwei Tage lang ganz viele Menschen in solchen Pullis gesehen haben, fanden sie die witzig.

Am ersten Weihnachtstag waren wir in der Kathedrale in Glasgow zu einem Gottesdienst mit Chor. Weil wir ein Taxi für den Weg bestellt hatten, kamen wir da viel zu früh an und bekamen sehr viel Aufmerksamkeit von den Elders, die uns begrüßten, Plätze zuwiesen, erklärten, wie der Gottesdienst ablaufen würde, dass wir gerne bei der Kommunion teilnehmen könnten und dass der Wein echter Wein und kein Traubensaft sei. Nach dem Gottesdienst sind wir über die Necropolis gelaufen, die zum Glück geöffnet war und danach zu Fuß durch die Merchant City in die Innenstadt gegangen, so dass ich meinen Eltern und Mirjam ein bisschen was von Glasgow zeigen konnte, bevor es zurück in meine Wohnung ging. Die Innenstadt war menschenleer, vielleicht 30 Leute in der gesamten Fußgängerzone und keine Autos abgesehen von ein paar Taxen. Das war fast unheimlich. Wegen des Feiertags konnten wir nicht viel machen und haben deswegen in meiner Wohnung Filme gesehen und gespielt.

Der zweite Weihnachtstag war auch sehr ruhig. Mirjam und ich haben lange geschlafen, bevor wir unsere Eltern abgeholt haben und mit ihnen ins West End gegangen sind. Eigentlich hatte ich gehofft, Mirjam ein paar der Läden zu zeigen, aber im Gegensatz zur Innenstadt waren auf der Byres Road fast nur die Cafés geöffnet. Immerhin habe ich ihnen Hogwarts die Universität von außen zeigen können. Nach einem späten Mittagessen gingen wir in den Botanischen Garten, den meine Eltern gerne sehen wollten. Leider wurde es schon dunkel und die Gewächshäuser waren geschlossen.

Am 27. stand unsere Bustour in die Highlands an. Wir führen mit Rabbies, bei denen nur 16 Leute in einen Bus passen. Dementsprechend waren wir eine schöne kleine Gruppe, die überwiegend aus Deutschen und Australiern bestand. Der Busfahrer trug einen Kilt und behauptete, dass er das trotz der Kälte gerne täte. Abgesehen von der Temperatur hatten wir aber tolles Wetter. Es hat nicht geregnet und zwischendurch kam sogar die Sonne raus.

Loch Awe

Kilchurn Castle
 Viele der Orte, die wir anfuhren kannte ich schon, aber es war schön, Luss und Oban ohne Regen zu sehen. Allerdings war es in Luss so glatt, dass ich Schwierigkeiten hatte, zu dem Steg am Loch Lomond zu kommen, ohne mich auf die Nase zu legen. Wir sahen auch zwei Schlösser, die für mich neu waren: Kilchurn Castle und ein anderes, dessen Namen ich vergessen habe. Das andere konnten wir aber auch nur aus der Ferne von einem Aussichtspunkt sehen. Die westlichen Highlands liebe ich ja sowieso und diesmal lag sogar stellenweise Schnee! In Glencoe waren nur die Bergspitzen weiß, aber wenig weiter lag genug Schnee für einen Schneeballaustausch mit den Fahrer - er hat mich getroffen, ich ihn nicht. 

Das andere Schloss :-D

Glencoe
Der Busfahrer war ohnehin sehr lustig. Er hatte einen starken schottischen Akzent, so dass meine Eltern nicht alles verstanden haben, aber er hat viele nette Anekdoten erzählt und uns eine Auswahl von schottischer und irischer Musik vorgestellt. Das Loch Lomond-Lied verfolgt mich. ;-) Diesmal war es aber eine Version von John Barrowman gesungen :-D (Er verfolgt mich auch), an deren Anfang noch für mich unerklärlicherweise "Amazing Grace" gestellt worden war.




Am Ende der Fahrt hielten wir noch an der Drover's Inn, einem sehr alten Pub aus dem Jahr 1705, in dem es - natürlich - spuken soll. Im Winter endet die Tour immer in diesem Pub, weil es zu dunkel ist, um noch etwas zu sehen. Ich hatte mich vorher schon gefragt, ob wir es noch schaffen würden, etwas von Glencoe zu sehen, weil mir aufgefallen war, dass es erst für den Nachmittag geplant war. Aber die Zeit war gut geplant. Es dämmerte zwar schon, aber es war noch genug Licht da, damit Mirjam das Foto von sich im Wollpulli vor den Bergen machen konnte, was ihr vor der Fahrt aufgetragen war. 

Am nächsten Tag flog meine Familie dann schon zurück. Es war über die Feiertage (und im Winter) natürlich ein bisschen schwierig, ihnen alles zu zeigen, was ich gerne gezeigt hätte, aber wir haben doch einiges geschafft und ich glaube, es hat ihnen auch gefallen. Außerdem wollten sie ja nicht nur ein Touristenprogramm machen, sondern mich auch besuchen. Oder zumindest hoffe ich das. ;-)

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