Dienstag, 13. Januar 2015

Jahreswechsel - Es könnte alles so einfach sein

Kaum war meine Familie wieder in Deutschland, bekam ich schon den nächsten Besuch: Nina, eine Deutsch-Assistentin, die ich in London kennengelernt habe, und Sahla, eine Freundin/ französische Assistenten-Kollegin von Nina. Die beiden wollten in den Weihnachtsferien Schottland bereisen und ich hatte ihnen angeboten, ein paar Nächte in Glasgow zu übernachten. Ich war ein bisschen geschafft vom Familienbesuch - wir mussten ja die letzten vier Monate aufholen - aber Nina und Sahla waren vorbildliche Gäste. Einen Tag lang habe ich ihnen Glasgow gezeigt, aber abgesehen davon haben sie ihr Programm selbst gestaltet und ich konnte mich um Sachen wie Wäsche waschen kümmern, was man eben so zwischen Weihnachten und Silvester macht.

Silvester war eine komplizierte Angelegenheit dieses Jahr. Ganz eigentlich wollten zwei Freundinnen aus Deutschland kommen und mit mir Hogmanay (= das hippe schottische Wort für Silvester) in Edinburgh feiern. Daraus wurde aber leider nichts. Also fragte ich Hélène, ob ich mit ihr und ihren französischen Freunden feiern könnte, was grundsätzlich kein Problem war, allerdings wollten sie zu einer Party, die mir, nachdem ich mir die Fotos aus dem letzten Jahr angesehen hatte, nicht unbedingt zusagte. Und dann war da noch Marit, die ebenfalls Hogmanay in Edinburgh feiern wollte, da ein Zimmer in einem Hostel gebucht hatte und spontan einen Platz frei hatte.
Nun wollten Nina und Sahla aber auch gerne an Silvester nach Edinburgh und hatten keine Unterkunft. Drei Leute auf einem Schlafplatz für eine Person ist ein bisschen schwierig, aber nach einigem Hin und her hatte Marits Vermieterin Mitleid mit uns und sagte, wir könnten ebenfalls eine Nacht bei ihr verbringen, wenn wir Schlafsäcke mitbrächten. Die konnten organisiert werden, also fuhren wir zu dritt nach Edinburgh.

Als wir dort ankamen, war der Busverkehr in der Innenstadt schon so gut wie umgeleitet, so dass wir eine Weile bis zum Hostel laufen mussten und das erste Feuerwerk verpassten. Es gab nämlich jeweils ein Feuerwerk um neun, um zehn, um elf und um zwölf Uhr.
Während Nina und Sahla sich nur das Feuerwerk von einem der Hügel ansehen wollten, gingen Marit und ich zur Hogmanay Street Party. Die Princes Street war eine Partymeile, an der es in regelmäßigen Abständen Fish and Chips Stände, Alkoholzelte und Buden mit heißen Getränken und süßen Teilchen standen. Außerdem gab es alle paar Meter einen Bildschirm, auf dem alte Michael Jackson-Lieder und die Weather Girls zur Karaoke einluden. Wer nicht selber singen wollte, konnte zu einer der Bühnen gehen, wo Konzerte stattfanden. Marit und ich gingen zur Waverley Station, wo wir uns Twin Atlantic und eine andere Band anhörten. Mir hat die Musik nicht so gut gefallen, aber möglicherweise lag das daran, dass die Verstärker komisch eingestellt waren und bei uns sehr viel Bass und sehr wenig Melodie ankam. So im Nachhinein auf Youtube finde ich sie ganz gut.

Mit ein bisschen Fantasie sieht man das Castle ;-)
Zuerst haben Marit und ich versucht, möglichst nah an die Bühne zu kommen, aber es wurde irgendwann seeeehr eng und die Leute waren angetrunken und machten so viel Blödsinn (inklusive Plastikflaschen werfen), dass wir wieder den Rückzug antraten - nur um dann vor dem Techniker-Zelt zu stranden und nicht weiter zu kommen. Von da hatten wir aber eine ziemlich eine gute Sicht auf das Schloss und das letzte Feuerwerk und weil es sowieso schon kurz vor Mitternacht war, beschlossen wir, da stehen zu bleiben. Das Feuerwerk vor der Schloss-Kulisse war schön, aber für deutsche Verhältnisse etwas kurz. Gut, wir sind eben in Schottland, da wird ja auch ganz offiziell schon vor zwölf Uhr geböllert. Nach dem Feuerwerk und einem gemeinsamen "Auld Lang Syne" mit überkreuzten Armen und Händereichen (etwas, das ich gerne live erleben wollte ;-)) verlief sich die Streetparty ziemlich schnell. Die meisten Menschen gingen in Richtung Ausgang. Marit und ich machten noch einen Abstecher auf den Weihnachtsmarkt und stießen mit deutschem Glühwein auf das neue Jahr an.
Ich fand Hogmanay sehr lustig und könnte mir vorstellen, das in nächster Zeit nochmal zu machen. Dann bräuchte ich aber definitiv einen Tier-Onsie, eine Mütze, die wie ein Tier aussieht oder zumindest einen Haarreifen mit verrückten Dekorationen. Irgendwie schien das der Dress Code bei der Party gewesen zu sein. ;-)

Am ersten Januar hatte Marit einen Ausflug (mit Übernachten) am Loch Lomond geplant, bei dem ich spontan noch mitkommen konnte. Sie hatte eine Zugverbindung rausgesucht, für die wir nur noch die Tickets kaufen mussten. Aber dann kamen wir am Bahnhof in Edinburgh an und die Frau an der Information sagte uns, dass Scotrail den ganzen Tag nicht fahren würde (Marit hatte auf der Scotrail-Seite nachgeguckt) und dass kein Zug weiter als Edinburgh fahren würde. Das hieß im Klartext: Kein Zug nach Glasgow und erst recht keiner nach Balloch (Loch Lomond).
Wir standen wir vom Donner gerührt da und konnten es nicht glauben. Ja, Neujahr ist ein Feiertag. Ja, am 25. Dezember fuhren auch keine Züge. Aber: Kein Feiertagsfahrplan? Wir konnten doch nicht die einzigen sein, die an diesem Tag von Edinburgh nicht in Richtung Süden aufbrechen wollten. Und überhaupt: Die Züge aus London, die normalerweise bis Glasgow fahren, fuhren - aber nur bis Edinburgh. Glasgow ist die größte Stadt Schottlands. Wie kann es sein, dass sie sich an einem Tag, ob nun Feiertag oder nicht, in etwas verwandelt, das kaum mehr als ein Kaff ist?
Zum Glück wusste ich, dass Überlandbusse fuhren. Also sind wir zum Busbahnhof weitergegangen. Dort wurde uns gesagt, wir könnten die Tickets nur direkt beim Busfahrer kaufen, wenn der noch Platz hätte. Er hatte noch Platz, aber wollte das Geld passend haben. Natürlich hatten wir die 22 Pfund nicht klein. Aber wir trafen einen Deutschen, der uns zwei Pfund schenkte. Wir konnten ihm im Gegenzug helfen und seinen 20-Pfundschein in kleinere Scheine wechseln.
So kamen wir immerhin nach Glasgow. Anstatt an den bonnie banks of Loch Lomond spazieren zu gehen, liefen wir zu meiner Wohnung (denn natürlich gab es keinerlei innerstädlichen Verkehr) und gingen abends ins Kino, um uns "The Theory of Everything" anzusehen. Ein netter Film, teilweise etwas zu vorhersehbar (Was passiert wohl, wenn die gestresste Ehefrau zum ersten Mal zum Kirchenchor kommt und den gutaussehenden Chorleiter trifft, der sie direkt bedeutungsvoll ansieht?), aber ich habe mich bisher kaum mit Stephen Hawking auseinander gesetzt und fand es spannend, so mal ein bisschen was über ihn zu erfahren. Außerdem hat Lupin mitgespielt. Das habe ich aber erst herausgefunden, als ich schon im Kino saß.

Am nächsten Tag fuhren alle Busse und Bahnen wieder normal und wir konnten zum Loch Lomond aufbrechen. Am Bahnhof angekommen, wussten wir nicht genau wohin und nahmen uns in Taxi zum Bed & Breakfast, was aber im Nachhinein nicht nötig gewesen wäre. Der Landlord im Bed & Breakfast war sehr nett. Es tat ihm furchtbar Leid, dass er uns das Geld für die eine Nacht, die wir absagen mussten, nicht zurückgeben konnte, aber bot uns an, Frühstück zu machen und abends Abendbrot für uns zu kochen. Das fanden wir eine gute Idee und stärkten uns mit leckeren Pilz-Käse-Crêpes.
Das Wetter war leider nicht das beste. Es regnete und hagelte immer mal wieder. Deswegen warteten wir erstmal eine Zeit ab und lasen bzw. schrieben, bevor wir es wagten, uns auf den Weg zu machen. Auf unserem knapp dreistündigen Spaziergang hatten wir alle Wetterlagen. Regen, Hagel, Sonne, Wind... Zwischendurch war es wirklich schön.


Auf dem Weg zurück zu unserer Unterkunft sahen wir auch noch einen Regenbogen. Wir liefen gewissermaßen direkt darauf zu unter unter ihm hindurch. Marit meinte, wir sollten doch mal gucken, ob wir den Goldtopf am Ende des Regenbogens finden. Aber es regnete. Also lieber keine Umwege.
Es war dann ein bisschen schade, dass wir nur eine Nacht bleiben konnte, vor allem, weil das Wetter am nächsten Tag (zumindest in Glasgow) viel besser war. Allerdings musste Marit noch bis auf die Orkneys reisen und ich war auch nicht böse darum, vor Schulbeginn immerhin noch eineinhalb Tage ohne Ausflug oder Besucher zu haben.

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