Dienstag, 12. Mai 2015

Harry Potter und die Versammlung der Botschafter

Am ersten Mai-Wochenende war ich wieder in London. Die FLA/ ELA Ambassadors haben sich getroffen, um über ihre Projekte zu sprechen und die Zeit als Botschafter zu evaluieren. Meine Projektpartnerin Amy und ich wurden sogar gefragt, ob wir unser Projekt als Beispiel für eins der besonders Gelungenen vorstellen wollten. Das hat uns sehr gefreut. Ich hatte vorher gar nicht das Gefühl gehabt, dass unser Projekt so herausragend war. Wir haben viel positives Feedback bekommen und nachdem, was ich von anderen Projekten gehört habe, hatten Amy und ich einerseits viel Glück mit unseren (Betreuung-) Lehrerinnen, die uns bei dem Projekt unterstützt aber nicht zu sehr bemuttert oder eingeschränkt haben, und haben andrerseits auch gut zusammengearbeitet.
Außer uns beiden haben noch fünf andere Projektgruppen vorgestellt. Die ersten vier haben am Freitag vorgestellt, die anderen beiden (dazu gehörten Amy und ich) am Samstag. So hatte ich genug Zeit, mir Gedanken zu machen, dass die bereits vorgestellten Projekte alle viel besser seien als unseres. Die restliche Zeit des Evaluationseminars haben wir in Kleingruppen darüber gesprochen, welche Probleme aufgetreten sind, wie wir die gelöst haben, wie nachhaltig unsere Projekte sind usw. Es war schön, die anderen wiederzusehen. Allerdings waren einige auch nicht mehr dabei. Ich weiß nicht, ob sie einfach keine Zeit hatten oder ausgestiegen sind.
Freitagabend war ich mit mehreren FLAs und ELAs was trinken. Es hat etwas gedauert, bis unsere große Gruppe sich entschieden hatte, wo wir hin wollten, aber letztendlich haben wir einen Pub gefunden. Eine Gruppe ELAs hat es sich einfacher gemacht und hat einfach Alkohol im Supermarkt gekauft. Wir fühlten uns aber zu alt, um wie Schüler auf Klassenfahrt heimlich irgendwo Alkohol zu trinken - wobei mich die Vorstellung, die Ambassador-Beauftragte von UK-German Connection würde wie die Lehrer Zimmerkontrolle machen, amüsiert hat. Aber wir haben es auch nicht übertrieben (wir sind ja vernünftig) und waren am nächsten Morgen wieder einsatzbereit.
Wir haben sogar so hart gearbeitet, dass wir kaum etwas von der Geburt der kleinen Prinzessin mitbekommen haben. Denise hatte mir morgens geschrieben, dass es so unfair sei, dass ich in London sei (und sie nicht), da doch die Geburt kurz bevor stünde. Meine Zimmermitbewohnerin und ich haben kurz darüber gescherzt, dass wir zum Krankenhaus gehen könnten, aber das war es dann auch. In der Tee-Pause machte es dann die Runde, dass Prince George eine Schwester habe. Alle holten ihre Handys raus. Bilder der rosa-angestrahlten Tower Bridge, der Seeleute der Royal Navy, die das Wort "sister" bilden und des BT Towers, der "It's a girl" verkündete, wurden herumgezeigt. Aber sonst? Nichts. Gut, die ELAs diskutierten direkt, ob man die Monarchie nicht abschaffen sollte, aber angesehen davon wurde die Geburt von Platz vier der britischen Thronfolge nicht erwähnt. Wir hätten doch wohl mal zum Buckingham Palace gehen und ein Gruppenfoto mit der Verkündigung machen können...
Eigentlich wollte ich mit ein paar anderen nach Ende des Seminars zur Tower Bridge. Angelina, Lena, Melanie und ich hatten beschlossen, am Sonntag in die Harry Potter Studios zu gehen. Also hatten wir Zeit. Allerdings wollten wir erst zum Hostel, um unsere Koffer wegzubringen, und bekamen dann von Katharina eine SMS, dass die Brücke mittlerweile nicht mehr angestrahlt wurde. Schade.
Ursprünglich hatte wir, die Harry Potter-Gruppe, Katharina und Elisabeth (die Gruppe, mit der ich im November Mockingjay gesehen habe), auch überlegt, uns ein Musical am Samstagabend anzusehen. Leider kamen wir mit der Planung nicht in die Pötte und haben keine Karten mehr bekommen. Im Endeffekt sah es dann so aus, dass Katharina und Elisabeth sich mit einer Freundin von Katharina trafen, Lena sich mit einer anderen FLA Matilda ansah und Angelina, Melanie und ich Karten für Miss Saigon kauften. Es handelt von einer Vietnamesin, die sich in den letzten Wochen des Vietnamkriegs in einen amerikanischen Soldaten verliebt und ein Kind von ihm bekommt. Sie werden aber durch den Abzug der Soldaten getrennt und er weiß nichts von seinem Sohn... Sehr dramatisch das Ganze. Aber die Sänger waren gut. Ab und zu hätte ich mir ein bisschen mehr geschichtliches Wissen über den Vietnamkrieg gewünscht. An einer Stelle war ich total verwirrt, es klärte sich aber alles durch einen Rückblick auf.

Sonntag ging es dann nach Hogwarts! Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz in den letzten neun Monaten schon geschrieben habe. :-D Hogwarts ist an so vielen Orten. Die Harry Potter-Studios nehmen da nochmal einen besonderen Stellenwert ein, denn sie sind sozusagen die Essenz von Harry Potter (also der Filme). Aber andrerseits hatte ich in Alnwick Castle oder Durham eher das Gefühl, wirklich in Hogwarts zu sein. Die Studios sind riesige Hallen, in die Szenenbilder und Requisiten gestopft sind. Man kann den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, den Jungenschlafsaal, Dumbledores Büro, die Zaubertränke-Kerker und das Haus der Weasleys sehen. Überall stehen Statuen, Porträts und Puppen mit den Kostümen der Schauspieler. Die Zauberstäbe, der Feuerkelch, die Horkruxe, eine Tafel mit Quidditch-Taktiken, Umbridges Kätzchenteller, der Stein der Weisen und vieles mehr sind ausgestellt. Auf mich wirkten die Studios wie der Raum der Wünsche. Aber gleichzeitig werden die Filme entzaubert, wenn erklärt wird, wie bestimmte Szenen gedreht wurden, wie der computergesteuerte Seidenschnabel entstanden ist, und welche Tricks angewandt wurden, um Harry unsichtbar zu machen oder auf einem Besen fliegen zu lassen. Trotzdem fand ich die Tour toll. Es gab nur auch Abteilungen, die ich mich weniger interessiert haben.
Obwohl wir früh aufgestanden waren, kamen ziemlich spät in Euston am Bahnhof an und verpassten den Zeitpunkt, für den wir eigentlich die Führung gebucht hatte. Aber das war zum Glück kein Problem und wir konnten an der nächsten teilnehmen. Wir mussten ohnehin anstehen. Die Führung war aber gar nicht soooo spektakulär. Im Grunde war es ein Herzlich Willkommen und eine Erklärung, wie das Ganze aufgebaut ist und wie wir uns verhalten sollen. Es gab einen Film, in dem die Schauspieler erzählten, was die Studios für sie bedeuten und was es heißt, einen Film zu sehen. Zum Schluss gab es eine Überraschung, die ich hier natürlich nicht beschreiben werden und danach wurden wir in die große Halle geführt.
Dort waren zwei Haustische aufgebaut und verschiedene Hogwartskostüme aller Häusers und einiger Lehrer ausgestellt. Faszinierend fand ich, dass der Fußboden aus echten Steinen war und im Stil der mittelalterlichen Kathedralen gebaut worden ist. Die Gästeführerin sagte, dass die Setbauer wussten, dass diese Boden lange würde halten müssen und sich deswegen entschieden haben, etwas Dauerhaftes zu bauen und nicht irgendwelche weniger stabile Materialien zu nehmen, die man leichter aufbauen kann und die vermutlich billiger sind. Es gab keine verzauberte Decke oder fliegenden Kerzen, die wurden beim Filmen später digital ergänzt.


Ich kann nicht sagen, was mein Highlight des Studios Tour ist. Die Überraschung zum Beginn war schon ziemlich großartig. Genauso wie der Gryffindor Schlafsaal und Gemeinschaftsraum. Und Dumbledores Büro. Und der Fuchsbau... Über Knöpfe konnte man das Strick selber stricken und das Gemüsemesser selber schneiden lassen. Und im Regal waren Cheeri Owls!
Es waren viele Kleinigkeiten, die man im Film nicht unbedingt gesehen hat, die ich ganz toll fand. Im Gryffindorgemeinschaftsraum hängt ein Porträt der jungen Minerva McGonagall. Überhaupt waren die Porträts ganz toll. Ich habe mir da keine Gedanken darüber gemacht, dass die ja auch alle gemalt werden mussten. Einige der Abgebildeten waren Leute, die hinter den Kulissen am Film mitgewirkt haben.
Rons Bett
Der Schlafsaal war mit persönlichen Gegenständen der Jungen dekoriert. Ein Fußballschal und -fahne für Dean, Chudley Cannons Fanartikel und eine bunte Strickdecke für Ron. In Dumbledores Büro  konnten wir die Porträts der schlafenden Schulleiter und Schränke voller merkwürdiger Gegenstände bewundern. Das Büro konnte man tatsächlich betreten. Zumindest mehr oder weniger. Mit ein bisschen Fantasie war es tatsächlich so, als wäre man in seinem Büro - wenn die gesichtslose Puppe im Dumbeldore-Kostüm einen nicht auf so merkwürdige Art und Weise ohne Augen angestarrt hätte.


Young McGonagall







Tolle Details gab es auch im Zaubertränkeklassenzimmer, auch wenn man lieber nicht allzu genau wissen wollte, was sich in den Gläsern mit den eingelegten Tieren befindet, und den Ausbildungserlassen von Umbridge. Besonders schön fand ich "Boys must be seen to keep their hands on the outside of their school capes." Ohne Worte. Allerdings fand ich schon im Film die scheinbare Fixierung Umbridges auf "sexuelle" Handlungen etwas übertrieben. Ich glaube, sie hatte ganz andere Sachen zu beanstanden. Auch das Heuler-Verbot fand ich etwas out of character. Wenn Umbridge drakonische Strafen wie Sätze mit dem eigenen Blut schreiben gutheißt, sollte eine Demütung vor der ganzen Schule im Form einen schreienden Briefs ihr doch eigentlich gut ins Konzept passen. Vor allen, weil sie sich dann nicht die Mühe machen muss, den Brief vorher zu lesen. Außerdem fand ich den Glasschaukasten mit den für den Film angefertigten Schriftstücken faszinierend. Bücher, Zeitungen, Briefe... Was hätten wir nicht für eine Ausgabe des Tagespropheten gegeben! Aber vermutlich wäre der, genau wie die Karte des Rumtreibers, völlig überteuert gewesen. In dem Schaukasten konnte man auch Umbridges "Letter of Concern" über Harry an McGonagall lesen. Der war sowas von großartig: "I would like to bring to your attention the insolent behaviour in class of Mr Potter." und eine Auflistung seiner Vergehen. Ich habe keine Briefe gelesen, die meine Kolleginnen an die Eltern unserer Schüler schreiben, aber so in etwa stelle ich mir das vor. Das passt auch so gut zu dem, was einer der Regisseure über die Harry Potter Bücher gesagt hat; nämlich, dass sie trotz Drachen und Magie immer noch eine britische Schulgeschichte sind. Ich fand das beim ersten Lesen etwas herablassend und habe mich gefragt, warum er dann überhaupt als Regisseur für die Filme angefangen hat (es war entweder der vom fünften oder vom sechsten Film und dem habe ich eh nicht verziehen, was er aus den Büchern gemacht hat), aber irgendwie stimmt es ja schon. Ich kann doch recht viel Schulalltag aus meiner Schule mit Hogwarts verbinden (oder zumindest mehr als mit meinem eigenen Schulalltag in Deutschland) - auch wenn Hogwarts natürlich viel cooler ist - und dieser Brief zeigt das trotz rosa Katzenbriefpapier sehr gut.

Für die Snape-Fans und Slytherins unter euch

Ein weiteres Highlight war natürlich auch der Hogwartsexpress. Ja, der Zug wurde ausgestellt! Es gibt immer einen wechselnden Teil der Ausstellung und wir haben eben den Hogwartsexpress gesehen.
Eigentlich wollte ich schon in Kings Cross ein Foto am Gleis 9 3/4 machen, aber mittlerweile machen die das Foto da professionell und man muss 10 Pfund bezahlen. Das habe ich nicht eingesehen, zumal ich ja auch eins aus den Anfangszeiten habe. Allerdings hätte ich gerne eins mit meinem Ravenclaw-Schal gemacht. In den Studios hatten sie auch Gepäckkarren in einer langen Reihe in der Wand stecken und Leute, die Fotos von einem machen. Ich habe auch eins von mir machen lassen, aber ein Foto kostet 12 Pfund. Vier bekommt man für 24, aber auch das fand ich extremst übertrieben. Zum Glück hat Melanie auch ein Foto von mir am Gleis gemacht, auch wenn ich nicht in ihre Richtung gucke.
Der Hogwartsexpress beendete den ersten Teil der Ausstellung. Als wir dort fertig waren, hatten wir schon drei oder vier Stunden in den Studios verbracht. Wir stärkten uns mit einem Sandwich und Butterbier, süßer Eischnee auf einer Art Apfelschorle. Butterbier ist überhaupt nicht empfehlenswert und ich bezweifele ernsthaft, dass das auch nur irgendwie an JKR Idee ran kommt. Es fängt schon damit an, dass es nicht heiß ist.
Nach dem Essenstop gab es ein paar Ausstellungsstücke draußen u.a. den fahrenden Ritter und die Brücke, auf der Harry und Lupin über Lily sprechen. Für ein Gruppenfoto stürmten Melanie, Angelina und ich fröhlich die Brücke und wurden von einer Aufseherin zurecht gewiesen, weil wir durch den Ausgang reingegangen waren. Ups. Die lustigsten  Fotos draußen sind aber im Ford Anglia und auf Hagrids Motorrad samt Beiwagen entstanden.


Eine Attraktion, die auf jeden Fall ein heißer Favourit für das ultimative Highlight des Ausflugs hat, ist die Winkelgasse. Das Schöne an ihr ist, dass man tatsächlich durchlaufen kann. Bei vielen anderen Orten wie dem Fuchsbau, Hagrids Hütte oder dem Schlafsaal kann man nur hinter einer Absperrung stehen und reingucken. In der Winkelgasse konnten wir tatsächlich zwischen den Läden her spazieren und die Schaufenster betrachten. Das war unheimlich cool. Die Geschäfte konnte man nicht betreten, aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen. Ich habe mich vor Flourish & Blotts fotografieren lassen und habe dann festgestellt, dass nur Lockhartbücher im Schaufenster liegen... Die Apotheke informiert darüber, dass der Handel mit Einhornblut illegal ist und Weasleys Zauberhafte Zauberscherze ist natürlich auch ein Hingucker.


Nachdem wir die Winkelgasse hinter uns gelassen hatten, kamen wir in Räume, in denen die Planungen ausgestellt waren. Skizzen und Modelle der Gebäude und gemalte Bilder, mit deren Hilfe Filmszenen geplant wurden. Manche fand ich besser gelungen als die eigentliche Szene. Außerdem gab es ein niedliches Bild von einem Plüschtier-Hippogreifen.
Den Schluss der Ausstellung bildet ein sehr großes Modell von Hogwarts. Es ist "nur" ein Modell, aber die Stimmung im Raum war toll und deswegen ist das auch ein Highlight-Anwärter. Zuerst ist man allein von der Größe des Modells fasziniert. Dazu gibt es eine ruhige Musik und es wird abwechselnd Tag und Nacht. Bei Nacht leuchten kleine Lämpchen an den Wegen. Ich hatte Gänsehaut. Es war auch einfach so toll, Teile von Hogwarts nicht nur aus den Filmen sondern auch von den Drehorten wiederzuerkennen. Den Kreuzgang der Durham Cathedral habe ich sofort entdeckt und nach kurzer Suche auch Alnwick Castle. Das Film-Hogwarts existiert komplett ja nur als Modell, weil es in vielen verschiedenen alten Gebäuden gefilmt wurde.



Unser Besuch endete im Souvenirladen. Wo sonst? Ich habe mich aber zurückgehalten und mir kein T-Shirt gekauft. Ich war versucht, aber Ravenclaw hat im Film die falschen Farben, ein anderes Haus wollte ich nicht, die Pixies waren mir zu verspielt und irgendwie habe ich es bezweifelt, dass ich tatsächlich in einem Chudley Cannons T-Shirt herumlaufen würde. Ein T-Shirt hat mir ziemlich gut gefallen. Es war schwarz mit einem roten Thestral (ja, etwas merkwürdige Farbwahl) und Lunas Zitat, dass Harry genauso wenig verrückt wie sie selber ist. Aber das T-Shirt gab es nur noch in S und damit hatte sich die Überlegung ganz schnell erledigt. Aber ich habe mir eine tolle Ravenclaw-Tasse und Postkarten gekauft.

Mein Zug nach Glasgow fuhr um zehn vor elf zurück. Die anderen haben noch lange mit mir am Bahnhof gewartet und ich war nicht sehr lange alleine, bis ich einsteigen konnte. Die Rückfahrt war allerdings eine Katastrophe. Ich hatte einen reclining chair im Nachtzug gebucht, konnte aber kaum schlafen, weil es kalt und unbequem war. In Edinburgh wurden wir morgens um sieben vor die Wahl gestellt, umzusteigen oder eine halbe Stunde Verspätung in Kauf zu nahmen (zusätzlich zu der Zeit, die wir planmäßig im Bahnhof rumstehen würden) und ich habe mich fürs Umsteigen entschieden. Ich dann letztendlich sogar eine Viertelstunde früher in Glasgow als ich ohne Verspätung mit dem anderen Zug gewesen wäre. Ich war total zerschlagen und am Ende, aber das war es definitiv wert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen