Donnerstag, 21. Mai 2015

Abschied von den Highlands

Letzten Freitag war ich nochmal auf eigene Faust in Inverness und bin diesmal über Nacht bis Samstag geblieben. Als ich Samstagabend zurückfuhr, fiel mir auf, dass das die letzte Fahrt durch die Highlands während meiner Assistentenzeit sein würde und wurde etwas melancholisch. Glücklicherweise habe ich die zwei Tage in Inverness gut genutzt.
Am Freitag bin ich zuerst ein bisschen durch die Stadt geschlendert und habe zu meiner großen Begeisterung wieder einen Einhorn-Pfeiler entdeckt. Ich glaube, viel mehr als eine allgemeine Liebe zu Einhörnern, ist es einfach die Tatsache, dass das Einhorn das schottische Wappentier ist, die mich immer wieder ausflippen lässt, wenn ich ein Einhorn sehe.
Ich bin auch zum Castle gegangen, aber da sind irgendwelche Büro-Räume und das Gericht drin, deswegen habe ich es gar nicht erst versucht hineinzugehen. Vor dem Castle steht auch eine Statue von Flora MacDonald. Als die Jacobiter 1746 die Schlacht von Culloden nahe Inverness verloren, half Flora MacDonald Bonnie Prince Charlie zur Flucht. Ich hätte mir das Schlachtfeld von Culloden (auch eine wichtige Schlacht in der schottischen Geschichte) ansehen können, allerdings hätte ich dafür wohl am besten ein Auto gebraucht und dachte mir, dass das den Aufwand nicht wert sei.
Danach war im Inverness Musuem and Art Gallery und habe wieder viel Spaß mit den Kinder-Aktivitäten gehabt. Piktische Muster zeichnen, einen Mantel in der Mode des 14. Jahrhunderts anprobieren... Sowas eben. Im Erdgeschoss des Museums ging es vor allem um die frühe und mittelalterliche Geschichte Schottlands und das schottische Wildlife. 
Man durfte ausgestopfte Füchse, Dachse und andere Tiere anfassen. Das habe ich dann aber doch nicht gemacht. Ein bisschen irritierend fand ich auch, dass in den Glaskästen, die den Lebensraum der Tiere darstellten, auch Müll lag. Eine Getränkedose, kleine Plastikteile usw. Ich weiß nicht, ob das auf die Umweltverschmutzung aufmerksam machen sollte oder ob Museumsbesucher es geschafft haben, Müll in die Kästen zu werfen.
In der zweiten Etage habe ich gelernt, dass es ein Tree Alphabet gibt. Ich weiß nicht, wofür das nützlich ist, aber der Baum, der zum Buchstaben R gehört, ist Holunder (Elder im Englischen - ich frage mich, warum im siebten Harry Potter-Buch immer von Elder-Stab gesprochen wird, wenn es doch eigentlich Holunder sein sollte). Auf dem Schild wurde extra erwähnt, dass Holunder häufig mit Magie verbunden wird. Passt also.
Der Kunstteil des Museums beschäftigte sich mit Kurzfilmen, die ich übersprungen habe. Stattdessen bin ich direkt in die Abteilung gegangen, die sich mit Leben und Identität in den Highlands beschäftigte. Es wurden einige Gegenstände aus dem Alltag in Inverness zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert ausgestellt. Außerdem gab es Tafeln, die sich mit Liedern, Legenden und Traditionen beschäftigten und zu dem Schluss kamen, den ich schon aus der Uni kannte: Viele Traditionen sind invented traditions und gar nicht so alt wie wir denken.
Als ich aus dem Museum kam, regnete es so stark, dass ich mich entschied, wieder in den schönen Secondhand-Buchladen zu gehen, in dem ich schon bei meinem ersten Besuch in Inverness war. Ich habe den Laden mit drei Büchern wieder verlassen.
Danach habe ich im Hostel eingecheckt. Leider hatten die Leute vor mir ihren Schlüssel nicht abgegeben, deswegen bekam ich keinen. Zum Glück war abends eine andere Frau an der Rezeption, die mir den Schlüssel der Putzfrauen gab, sonst wäre das sehr blöd geworden. Ich habe mich kurz ausgeruht und mich dann wieder auf den Weg gemacht (so einladend war das Zimmer nicht).
Ich bin am Fluss Ness spazieren gegangen, bis anfing zu regnen und ich zurück ins Hostel gegangen bin. Es war noch früh, aber ich war schon müde und fand es ganz nett, alleine im Zimmer zu sein. Ich habe gelesen und ziemlich früh (für meine Verhältnisse) geschlafen. Die Ankunft der zwei Tamilen, die mit mir im Zimmer waren habe ich noch mit bekommen, aber den vierten Zimmermitbewohner habe ich erst am nächsten Morgen kennengelernt.

Der nächste Morgen begann auch viel zu früh. Um Viertel nach fünf wurde ich zum ersten Mal wach, weil jemand aufstand, seine Sachen packte und ging. Eine Weile später wurde gequatscht und jemand versuchte, das Schließfach im Raum zu nutzen. Und um acht sagte der vierte Mann, ein ca. 50-jähriger Alt-Hippie, zu mir: "Are you STILL sleeping?" Ich war kurz davor zu antworten: "It is f*cking eight o'clock on a f*cking Saturday morning. What do you think I'm doing?!" Ich habe mich damit begnügt, ihn darüber zu informieren, dass ich mittlerweile wach sei und die Rezeption und Küche doch eh erst um acht aufmachten. Er sagte, es gäbe aber auch schon im Gemeinschaftsraum Kaffee, und erzählte mir von seiner Thailand-Reise, bei der er immer umsonst im Tempel gegessen habe. Ich tat so, als hörte ich zu und war sehr froh, als er den Raum auf der Suche nach Kaffee verließ. Ich beschloss, nicht im Hostel zu frühstücken und setzte mich in ein Café. Durch das Fenster konnte ich Inverness erwachen sehen. Es ist ja nicht so, dass dort derartig der Bär steppen würde, dass man unbedingt morgens um sechs aus dem Bett springen muss...
Ich bin wieder ein bisschen durch die Stadt gewandert, habe mir den Victorian Market (eine schöne Markthalle aus dem 19. Jahrhundert) und die Kathedrale angesehen und dann mit dem Bus zum Urquhart Castle gefahren. 
Als ich ganz neu in Glasgow war, meinte meine deutsche Mitbewohnerin (mit der ich nur zwei Wochen zusammen gewohnt habe), bis zum Ende meine Assistentenzeit würde ich so oft zum Urquhart Castle fahren, dass es mir irgendwann zum Hals raushinge. Nun ja, ich war jetzt zum ersten Mal. Es ist eine Burgruine direkt am Loch Ness. Schon zum St Columbas Zeiten (6. Jahrhundert) hat ein Pikten-Oberhaupt an dieser Stelle gewohnt und wurde auf dem Sterbebett von St Columba zum Christentum konvertiert (laut der Legende). Im Mittelalter war die Stelle am Ufer des Lochs ein strategisch wichtiger Punkt. Es wurde eine Burg gebaut, die durch verschiedene Hände gegangen ist; nach der Schlacht von Culloden gehörte sie auch zwischendurch den Engländern. Im 16. Jahrhundert hat der MacDonald Clan bei einem Raubzug das Schloss komplett leer geräumt (als ich das gelesen habe, erinnerte ich mich, dass uns im Schottlandseminar erzählt wurde, dass die Clans sich gerne gegenseitig die Rinder geklaut haben). 1690 wurde das Castle aufgegeben und in die Luft gejagt, damit die Jacobiter nicht einziehen konnten.
Samstag war wieder so ein four-seasons-in-one-day-Tag. Innerhalb der zwei Stunden, in denen ich da war, haben Regen und Sonne sich sicher dreimal abgewechselt. Aber dafür habe ich sowohl Fotos vom Loch Ness in der Sonne als auch im Dunst machen können. Und weiterhin habe ich kein Anzeichen von Nessie gesehen...




Ich bin nach Inverness zurückgefahren und hatte eigentlich zu viel Zeit übrig. Um die Zeit zu nutzen, bin ich noch einmal durch die Stadt gebummelt, habe dann aber entschieden, mich einfach in den Busbahnhof zu setzen und zu lesen.


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