Freitag, 17. Oktober 2014

Auf der Suche nach dem Monster

Wochenenden und Ferien sind toll, denn dann kann man reisen. Ich habe am Samstag mit Amelie an einer weiteren Tour der Internationalen Studenten der Uni Glasgow teilgenommen. Dieses Mal ging es nach Inverness und zum Loch Ness. Der Ticketverkauf verlief genauso wie bei der Harry Potter-Fahrt, nur war es diesmal etwas chaotischer, weil Tickets für drei verschiedene Fahrten gleichzeitig angeboten wurden.
Wie auch bei der anderen Tour sollte es um Punkt acht Uhr losgehen. Wir waren um viertel vor acht am Treffpunkt. Die Busse aber kamen zu spät. Das nicht ganz pünktlich losfahren war etwas, das sich die ganze Fahrt über durchziehen sollte. An einem Samstag so früh am Treffpunkt zu sein, ist schon eine Herausforderung. Nachdem wir Glasgow hinter uns gelassen hatten, wurden wir aber dafür belohnt, denn nach und nach schälte sich die wunderschöne schottische Landschaft aus dem Nebel.


Die Highlands sind landschaftlich etwas völlig Anderes als das was ich aus Deutschland oder auch Irland oder England kenne. Vielleicht liegt es auch daran, dass gerade Herbst ist, aber es sind so viele Farben zu sehen. Das Gras hat nicht nur verschiedene Grün- sondern auch Gelb- und Brauntöne, die sich die Berge hochziehen. Die Spitzen der Berge waren im Nebel und tiefliegenden Wolken verborgen, aber immer wieder gab es Löcher in der Wolkendecke und eine Zeit lang hatten wir eine völlig surreale Sicht auf die Berge: erst Gras, dann eine Schicht Nebel, ein bisschen Berg und darüber die dicke Wolkendecke. Ich kam mir ein bisschen wie in einer Traumlandschaft vor.



Unser erster richtiger Halt (von einer Pinkelpause mal abgesehen) war Inverlochy Castle, eine Ruine aus dem 13. Jahrhundert, die am Fluss Lochy gelesen ist. Schon Wahnsinn, dass überhaupt noch etwas von der Burg steht. 
"Inver" bedeutet übrigens "Mündung". Inverlochy ist also die Stadt an der Mündung des Lochy, genauso wie Inverness an der Mündung des Flusses Ness liegt. Die Mauern der Burg sind sehr dick - ich glaube, unsere Reiseleitung sagte etwas von zwei Metern. 
Obwohl es erstaunlich ist, dass die Burg nach all den Jahren immer noch steht, fand ich sie weder besonders beeindruckend noch magisch. Sie ist nun mal eine Ruine. Auf einer Tafel am Eingang stand, dass Queen Victoria sich bei ihrem Besuch beschwert habe, dass man ja nicht sonderlich viel sehen könne. Tja, das Häuschen ist eben nicht - und war nie - der Buckingham Palace. Die gute Frau hatte vermutlich, so wie ich in Jordanien irgendwann, keine Lust (mehr) auf alte Steine. Diese Ansammlung von alten Steinen steht aber - anders als in Jordanien (meiner Meinung nach) - in einer wunderschönen Landschaft. Hinter der Ruine fließt der Fluss Lochy und an dessen Ufer steht ein riesiger Kastanienbaum mit (natürlich jahreszeitlich bedingt) grün-gelben Blättern, die bis ins Wasser reichen.



Als nächstes hielten wir an einem Kriegerdenkmal für den zweiten Weltkrieg, an dem wir auch ein Gruppenfoto gemacht haben. Diese ganze Besessenheit (so nenne ich es mal), was den Krieg betrifft, macht mich immer noch stutzig. Merchandise-Artikel wie Nachahmungen von Lebensmittelkarten und Feldpost bis hin zu Kriegsflugzeug-Ansteckern betrachte ich ja schon äußerst skeptisch, aber denke mir, dass das vielleicht mit dem Jahrestag des Beginns des ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zusammenhängt und man damit eventuell einfach historisches Interesse wecken will. Aber in jedem noch so pisseligen Dorf steht ein Kriegerdenkmal, vor dem Kränze aus roten Plastikblumen, die Mohn darstellen sollen, liegen und in der Stadt bin ich schon mehrmals von Leuten angesprochen worden, die für Soldaten sammeln. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Krieg sehr traumatisch für alle Beteiligten ist und dass mit solchen Denkmalen den Gefallenen gedacht werden soll, aber trotzdem habe ich da meine Probleme mit. 
Ich bin der Meinung, dass es grundsätzlich keine Kriege geben sollte, und habe das Gefühl, dass, wenn man eigentlich an die Toten erinnern möchte, gleichzeitig dem Krieg ein Denkmal setzt; vor allem, wenn man sich ansieht, wie manche dieser Denkmäler aussehen - auf diesem war z.B. die Aufschrift "United we conquer" zu lesen. Geht das nur mir so oder ist die Aufschrift leicht unpassend? Ich verstehe auch nicht, wieso wir das Gruppenfoto vor dem Kriegerdenkmal und nicht vor der schönen Landschaft gemacht haben...



So, Ende meines Exkurs über den Kulturschock und zurück zur Fahrt. Unser nächstes Ziel war Fort Augustus, wo wir zu Mittag gegessen haben. Fort Augustus liegt direkt am Loch Ness, das wir uns nach dem Essen angeguckt haben. Im Grunde haben Amelie und ich da nicht mitgedacht. Wir hatten beide etwas zu essen dabei und hätten uns an den See setzen können. Stattdessen haben wir am Caledonian Canal gesessen, was aber auch sehr schön war. Am Kanal steht eine Statue von Nessie und ihrem Kind (mir war gar nicht klar, dass Nessie offenbar weiblich ist). Zuerst dachte ich, Klein-Nessie habe eine Schleife auf dem Kopf, aber dann habe ich festgestellt, dass es nur die Zunge war. Dafür, dass Loch Ness so sagenumwoben ist, fand ich es dann recht unspektakulär. Es war schön, keine Frage, aber Loch Lomond hat mich stärker beeindruckt und die Fahrt durch die Highlands sowieso. Allerdings ist Nessie auch nur das bekannteste Ungeheuer in den Lochs. In vielen anderen Lochs soll es auch Seeungeheuer geben. Das macht Schottland mal wieder total sympathisch für mich.



Als nächstes haben wir kurz am Loch Ness Exhibition Centre halt gemacht. Für die Ausstellung war nicht genug Zeit, aber wir konnten ein Foto mit einer potthässlichen Nessie-Statue machen ("Selfie with Nessie"), die definitiv nicht meiner Vorstellung des Ungeheuers entspricht und in den Nessie-Shop gehen, wo es neben T-Shirts und Postkarten Plüsch-Nessies in allen Formen, Farben und Größen gab. Zwischen all den Nessies habe ich Amelie aus den Augen verloren und kam ein bisschen zu spät zum Bus (zusammen mit zwei oder drei anderen). Auf dem Weg nach Inverness, unserer letzten Station wurde uns dann eingebläut, dass wir auf der Rückfahrt auf jeden Fall pünktlich sein müssten, weil der Bus um 18 Uhr losfahre und alle in Inverness lasse, die sich bis dahin nicht im Bus befinden.
Wir hatten gut zwei Stunden in Inverness. Zuerst haben wir einen Blick in die Kathedrale geworfen. Da sind mir vor allem die bunt bestickten Kniekissen aufgefallen. 







Als nächstes sind wir über die Insel im Fluss Ness gelaufen, die an Sommerabenden echt schön sein muss (inklusive Glühbirnen in den Bäumen), aber an einem etwas feuchten Oktobernachmittag  etwas von ihrem Charme verlor. Es hat zwar nicht geregnet, aber der Boden war trotzdem etwas matschig und am Himmel waren grauen Wolken. Außerdem hatte ich ein kleines Tief, vielleicht habe ich deswegen die Insel nicht ganz so genossen.

Natürlich gab es auch auf der Insel einen angemalten Baumstamm, der Nessie darstellen sollte. Man weiß ja trotz mysteriöser und unscharfer Bilder nicht, wie sie aussieht - wenn es sie denn überhaupt gibt. 1933 erschien das erste Foto von ihr in der Daily Mail, worauf ein Zirkusdirektor demjenigen, der ihm das Monster für seinen Zirkus fing, eine riesige Belohnung versprach und der ganze Wahnsinn losging, obwohl es schon vorher Sichtungen gegeben haben soll. 
Bis heute hat man, wie ihr alles wissen solltet, aber noch nichts gefunden. Was möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass das Loch Ness von der Oberfläche her zwar nur das zweitgrößte Loch (nach Loch Lomond) Schottlands ist, aber wegen seinder Tiefe das meiste Wasservolumen hat. Es hat mehr Wasser als alle Seen Englands und Wales zusammen! Da dauert es eben ein bisschen, bis man eine Seeschlange gefunden hat. Vermutlich kann sie sich auch einfach gut verstecken. ;-) Ich hätte auch keine Lust, ständig fotografiert zu werden.

Nach dem Spaziergang über die Insel sahen wir uns noch Inverness an. Ich hatte vorher im Internet von einem tollen Secondhand-Buchladen gesehen, der auf den Fotos total schön aussah. Den haben wir gesucht und auch gefunden. Er ist wirklich sehr urig, aber das Café in der oberen Etage war leider schon geschlossen und wir hatten nicht genug Zeit, um zu stöbern, weil wir ja nicht in Inverness gelassen werden wollten. Ich hatte geplant, am nächsten Tag mit drei Spaniern nach Nordengland fahren. Sonst hätte ich nichts gegen etwas mehr Zeit in Inverness gehabt. So saß ich um 18 Uhr wieder zeitgerecht im Bus (so wie alle anderen auch) und habe mir einfach fest vorgenommen, nochmal nach Inverness zu fahren und dann über Nacht zu bleiben. Es ist zwar offensichtlich möglich, einen Tagesausflug daraus zu machen, aber das hat schon irgendwie geschlaucht und ich hätte das gerne etwas ruhiger angegangen. Ich habe ja noch ein paar Monate Zeit. Inverness im Frühjahr ist sicher auch eine Reise wert.
Noch ein Grund nach Inverss zurückzukehren - ich muss doch gucken, wie sich Professor McGonagall in ihrem Nebenberuf macht! ;-)

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