Donnerstag, 9. Oktober 2014

Unterwegs in Glasgow

Meine Erkundung Glasgows hat sich nach Denises Abreise natürlich nicht erledigt. Weil das Wetter bis vor kurzem noch wunderbar "unschottisch" sonnig war, bin ich viel spazieren gegangen und nach der Schule vom Busbahnhof zu Fuß nach Hause gegangen. Ich weiß noch, dass mir an meinem ersten Tag die Buchanan Street viel zu voll war. Mittlerweile liebe ich sie. Es gibt immer was zu sehen und es sind eigentlich immer mindestens zwei Straßenmusiker da. Manchmal sogar ein Dudelsackspieler. ;-)
City Chambers mit Friedensfahne nach den Auseinandersetzungen nach dem Referendum
Ende September waren eine Wochen lang Open Door Days, an denen man in Gebäude herein kam, die sonst nicht für die Öffentlichkeit geöffnet haben. Am letzten Tag dieser Woche bin ich mit Hélène und ihrer Franzosen-Clique sowie einem Mädchen aus Singapur, das aber in Edinburgh studiert, losgezogen. 
Zuerst sind wir in die City Chambers gegangen, in denen der Glasgow City Council beheimatet ist. Es ist ein sehr schönes Viktorianisches Gebäude. Sehr großzüg, breite Treppen und große Säle. Hélène fing direkt an, das Lied aus "Die Schöne und das Biest" zu singen. Ein bisschen sah es tatsächlich wie in einem Disney-Film aus. 

Tale as old as time... Beauty and the Beast

Ich fühle mich wichtig
Man sah aber auch, dass das Gebäude eine administrative Aufgabe hat. Im Sitzungssaal haben alle mal den Stuhl des Vorsitzenden ausprobiert und in der zweiten Etage gab es eine Art Ahnengalerie, in der die Mitglieder des Councils bzw. dem Vorläufer desselben zu sehen waren. Es war irgendwie skurril, Ölgemälde von zeitgenössischen Menschen zu sehen. Es wurde zwar irgendwie versucht, den Stil zu imitieren, aber man sah genau, dass die Abgebildeten aus unserer Zeit waren und wenn es nur die Brille war, die sie verriet. Manche hatten aber auch nur ein Foto. Ich weiß nicht, wer darüber entscheidet, wer ein Bild bekommt und wer ein Foto.

Nach einem Picknick im Glasgow Green Park sind wir zu einer ziemlich modernen Moschee gegangen. Der Gebetsraum war ziemlich groß. Ich habe vergessen, was die genaue Zahl ist, aber es passen wohl mehrere tausend Gläubige rein. 
Ein älterer Herr führte uns durch die Moschee und das angeschlossen Gemeindezentrum und erzählte uns etwas über den Islam. Er hielt sich ziemlich lange an der Frauenrolle auf - vermutlich weil dreiviertel unserer Gruppe aus Frauen bestand - und versuchte, und seine Vorstellungen schmackhaft zu machen, aber zumindest bei mir hat er es nicht geschafft. Die Argumentation "Die Frauen müssen nicht arbeiten. Sie müssen auch nicht putzen, kochen und die Kinder erziehen, wenn sie das nicht möchten. Wenn sie sich weigern, muss der Mann eine Person einstellen, die diese Aufgaben erledigt. Aber Gott hat die Frauen so geschafft, dass sie das alles gerne machen." ist doch ziemlich flach. Aber was soll's. Ich fand die Moschee auf jeden Fall architektonisch sehr interessant und es war mir äußerst sympathisch, dass wir Tee und Kekse bekamen.
Nachdem Besuch in der Moschee war es schon halb vier und die meisten Gebäude schlossen um vier. Eine der Französinnen wollte aber noch unbedingt zur Synagoge und ich hatte da auch Interesse dran. Leider war die am anderen Ende der Stadt. Zusammen mit dem Mädchen aus Singapur sind wir zwei zur U-Bahn gesprintet. Die restliche Gruppe war überzeugt, dass wir es eh nicht schaffen würde und zog es vor, sich irgendwo in die Sonne zu legen.
Wir haben es aber geschafft. Nach der U-Bahn-Fahrt joggten wir den Hügel hoch (Glasgow ist erstaunlich hügelig und natürlich sind die Hügel immer dann im Weg, wenn man es eilig hat) und kamen zwei Minuten vor vier an der Synagoge an. Wir wurden noch hereingelassen und eine Frau nahm sich eine halbe Stunde Zeit, um uns das Gebäude zu zeigen und Sachen zu erklären. Die Französin und ich waren aber schon Vorzeigebesucherinnen, würde ich sagen, weil wir mit recht viel Vorwissen kamen - wir haben uns beide im Studium, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven, mit dem Judentum beschäftigt. Im Gegensatz zu der Moschee ist die Synagoge ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die Nische, in der sich der Toraschrein befindet und der Schrein sind wunderschön angemalt und die Bänke und Balkone sind aus Holz. Allerdings ist das Gebäude was den Brandschutz angeht, nicht mehr auf den neusten Stand und die Balkone dürfen nicht mehr verwendet werden. Das ist aber nicht so schlimm, weil die Gemeinde so klein ist, dass es in den letzten Jahren teilweise schwierig war, zehn Männer für einen Gottesdienst zusammen zu bekommen. Mittlerweile haben sie aber wieder mehr Gemeindemitglieder.
Wir waren die letzten in der Synagoge und wurde durch den Hinterausgang herausgeführt, während hinter uns die Alarmanlage angestellt wurde. Es stand zwar kein Polizeiauto vor der Tür wie das in Deutschland oft der Fall ist, aber die Frau meinte, sie müssten solche Sicherheitsvorkehrungen treffen. Ich weiß aber nicht, ob sie da machen, weil sie vor Einbrüche allgemein fürchten oder rassistischen Angriffen. Allerdings hatte die Moschee auch eine Mauer und einen Pförtner. Umso schöner ist es dann also, dass beide Gotteshäuser die Türen beim Open Doors Day geöffnet haben und wir sie uns ansehen konnten.

Sonntag war ich mit Amelie, Anna aus Aberdeen, Marine, die ich vom Loch Lomond kenne und die lustigerweise in der gleichen Gastfamilie wie Amelie gewohnt hat, und ein paar anderen Französinnen in "The Lighthouse", in dem sich eine Ausstellung zu Mackintosh befindet (vormittags war ich mit Anna an den wichtigsten Orten Glasgows). Charles Rennie Mackintosh war ein (Innen-) Architekt und Künstler im 19. Jahrhundert und ist in Glasgow geboren, weswegen er hier natürlich besonders verehrt wird. Die Bilder haben mir eigentlich recht gut gefallen, die Architektur weniger. Alles ist jugendstilmäßig, aber ich finde die Möbel arg merkwürdig und unpraktisch und die Modelle seiner Häuser haben mir auch nicht gefallen. 

Im Lighthouse konnte man außerdem auf zwei Aussichtsplatformen steigen bzw. fahren und sich Glasgow von oben ansehen. Leider war das Wetter nicht das beste. Seit Beginn des Oktobers ist das Wetter wirklich herbstlich geworden.

In einem der unteren Geschosse des Lighthouses war dann auch noch eine Ausstellung zu den Commomwealth Games und Nachhaltigkeit. Da gab es viele Mitmach-Aktionen. Man konnte, z.B. einen Federball in einen von drei aufgespannten Regenschirmen schlagen, um zu zeigen, ob man oft, manchmal oder nie mit dem Rad oder zur Fuß zur Arbeit kommt. Ich habe natürlich den falschen Schirm getroffen und frage mich, wie vielen Leuten das genauso gegangen ist und ob das das Ergebnis dann nicht total verfälscht hat. An einer anderen Stelle konnte man auf ein kleines Klebezettelchen schreiben, was für einen persönlich der inspierenste Ort ist. Dieses Museum war es für mich jedenfalls nicht, denn mir fiel nichts ein, was ich auf den Zettel schreiben könnte. Ich wollte irgendwas Intelligentes schreiben und habe mich letztendlich für "My head" entschieden, weil darin ja die Ideen entschieden. Aber vermutlich hätte ich besser "mind" anstelle von "head" geschrieben und außerdem werden die Idee doch durch Sachen von außerhalb inspiriert und es wurde ja eher nach diesen äußeren Einflüssen gefragt... Ja, ich denke mal wieder zu viel. 


Gefunden und für Lisa fotografiert ;-)



















Nach dem Besuch im Lighthouse wollten wir eigentlich in The Willow Tearoom gehen, ein Café, das von Mackintosh entworfen wurde. Leider machte das gerade zu, als wir da ankamen. Ich kann mich immer noch nicht an die Öffnungszeiten hier gewöhnen. In Spanien musste ich immer daran denken, dass ich in der Siesta-Zeit nichts ging, hier machen die oft schon um fünf ihre Läden zu. Verrückt das alles. Jedenfalls mussten wir uns etwas anderes zum Kaffee/ Tee trinken suchen und haben uns letztendlich aufgeteilt, weil unsere Gruppe zu groß war, um gemeinsam einen Tisch zu bekommen. Mittlerweile war ich aber schon im Willow Tearoom, weil ich Montag mit meiner Tandempartnerin da war (dazu später mehr).

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