Dienstag, 11. November 2014

Noch mehr Erinnern

Während zuhause man heute entweder zu denen gehört, die in bunten Kostümen und  Alkohol in Plastikbechern in der Innenstadt schunkeln, um beim Sessionsbeginn warm zu bleiben, oder zu denen, die über die Erstgenannten belustigt bis verärgert den Kopf schüttelt, war heute im Vereinigten Königreich Remembrance Day (auch Poppy Day genannt). Dieser Tag erinnert an die getöteten Soldaten seit dem ersten Weltkrieg. An den Kenotaphen im ganzen Land werden Kränze mit roten Mohnblumen (poppies) niedergelegt. Diese Blume wurde in Bezug auf das Gedicht "In Flanders Fields" von John McCrae gewählt. In diesem Gedicht steht der Mohn gleichzeitig für das Blut der gefallenen Soldaten als auch für die Hoffnung, dass das Leben weitergeht. In allen Supermärkten, Institutionen und teilweise auch auf der Straße kann man für Veteranen spenden und bekommt eine Plastikmohnblume, die man an der Jacke tragen kann. Mindestens jeder zweite, den ich den letzten Tagen gesehen habe, trug so eine Blume. Sonntag gab es in London einen großen militärischen Aufmarsch, die Queen und wichtige Politiker legten Kränze nieder und es gab eine Schweigeminute. Alles im allen also eine ganz andere Stimmung als beim ausgelassenen Karneval und auch anders als St. Martin (den Guten wollen wir ja mal nicht unter den Tisch fallen lassen).
Der Remembrance Day soll, wie ich Donnerstag beim Besuch in der Grundschule gelernt habe, keineswegs den Krieg verherrlichen, sondern den Menschen danken, die ihr Leben für ihr Land riskiert oder verloren haben. Das ist eine ziemliche Gratwanderung, wie ich finde. Im Post über den Ausflug in die Highlands habe ich ja schon meine Skepsis über die War Memorials zur Sprache gebracht. Ähnliche Gefühle habe ich hierbei. Wenn man den Krieg nicht glorifizieren will, warum erinnert man dann nur an die "Kriegshelden" und nicht allgemein an die Grausamkeiten den Krieges und alle jene, die darunter zu leiden hatten? Die Grundschullehrerin hat mir erzählt, dass sie die Kinder immer Gedichte zum Remembrance Day schreiben lässt und dass in den letzten Jahren oft Gedichte dabei waren, die den Krieg als positiv darstellten. Das wundert mich nicht. Aber vielleicht sehe ich das ja zu pessimistisch. In diesem Jahr wollte die Lehrerin diesen Auswüchsen von Gedichten entgegen wirken, in dem sie verschiedene Gedichte über den Krieg mitgebracht hat (u.a. "Dulce et Decorum est" von Wilfried Owen), was zur Folge hatte, dass einer der Jungen in Tränen ausbrach...
In Frankreich erinnert man übrigens auch an die "Armistice" (Waffelstillstand - am 11.11.1918 wurde der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen). Hélène war ziemlich überrascht, dass der Tag in Deutschland nicht wichtig ist. Aber wann sollten wir denn sonst die Session eröffnen? Nein, im Ernst, ich denke ja, dass es etwas damit zu tun hat, dass Deutschland den Ersten (und Zweiten) Weltkrieg verloren hat.

Aber da wir gerade beim Erinnern sind - Sonntag war ja der 25. Jahrestag des Mauerfalls. Ich habe im Fernsehen ein paar Bilder aus Berlin gesehen und ein Mädchen aus der German Society war bei den Feierlichkeiten dabei und hat Fotos in die Facebook-Gruppe gestellt. Bei den Beiträgen im Fernsehen hat es mich überrascht, dass die interviewten Deutschen alle Englisch sprachen (auch der kleine Junge im DDR-Museum). Das hat mir nochmal gezeigt, wie verbreitet Englisch ist und vielleicht auch wie gut der Englischunterricht bei uns ist ;-) (wobei die meisten der Befragten doch so alt waren, dass sie vor etwa 40 Jahren in der Schule waren - seitdem hat sich einiges geändert).
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in der Schule nichts zum Mauerfall gemacht habe. Irgendwie hat es sich nicht ergeben und ich war voll mit der Stunde zu St. Martin bei den Erstklässlern beschäftigt. Amelie und ich haben beide eine Laterne gebastelt und wir haben ihnen "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" beigebracht. Zu unserer großen Freude haben die Lehrerinnen die Laternen auch beim Tag der offenen Tür den Eltern gezeigt. Das hat uns wiederum gezeigt, dass unsere Arbeit geschätzt wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen