Sonntag, 12. April 2015

Eine Reise auf dem Wikingerschiff (Orkney Tag 0)

Es ist ein bisschen wie immer weiter ins Innere einer Matroschka zu kriechen, von einer Puppe in die nächst kleiner. Nur, dass ich es mit Inseln mache. Von Deutschland (auf einer groooßen Insel, auch Kontinent genannt) nach Great Britain (im Vergleich zum eurasischen Kontinent ziemlich klein) und von dort weiter auf die Orkney Islands (eine Gruppe noch viel kleinerer Inseln), wo ich Marit besucht habe. 
Und weil ich beschlossen hatte, eine Woche meiner Osterferien auf einer Insel zu verbringen, gab es zwei Optionen: das Flugzeug oder die Fähre. Ich war von der Idee, die Fähre zu nehmen, so begeistert (schließlich wollte ich wenn auch das richtiges Insel-Erlebnis), dass ich gar nicht mehr geguckt habe, wie teuer der Flug gewesen wäre. Allerdings hatte Marit beim Ambassador-Treffen in London auch gesagt, dass es recht teuer sei zu fliegen.

Ich habe die Fähre von Aberdeen nach Kirkwall genommen und weil ich Aberdeen bisher nur von einem gehetzten zwei-Stunden-Aufenthalt im strömenden Regen her kannte, hatte ich beschlossen, mir vor der Abfahrt noch die Stadt anzusehen. Also bin ich früh morgens in Glasgow aufgebrochen, habe nach meiner Ankunft meinen Koffer bei der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof gelassen und bin losgezogen.
Als erstes war ich bei der St Nicholas Kirk, allerdings nur auf dem Friedhof. Die Kirche ist nur von Mai bis September oder nach Vereinbarung geöffnet. Als ich ankam, stand der Gottesdienst kurz bevor, also hätte ich theoretisch doch rein gekonnt, aber weil ich weder am Gottesdienst teilnehmen, noch diesen stören wollte, habe ich es dann doch gelassen.
Marischal Museum
Danach bin ich zur Robert Gordon University gegangen, weil ich in die Kunstgallerie gehen wollte, aber die war leider geschlossen. Stattdessen habe ich gesehen, dass die Statue von General Charles Gordon vor der Uni irgendwie bunt angezogen war. Ich habe mir zunächst gedacht, dass das ein Knitting Guerilla Attacke oder ein Scherz wie bei der Wellington Statue in Glasgow sein würde und bin weiter zum Marischal Museum gegangen, das im Moment auch geschlossen ist, aber uns bei der ISUK-Tour wegen des neogotischen Stils und seines Rufs als zweitgrößtes Granitgebäude der Welt empfohlen. 

Vor dem Museum steht eine Statue von Robert the Bruce. Als ich näher kam, sah ich ziemlich  viele Vögel auf der Statue sitzen. Noch ein Stückchen näher, stellte ich fest, dass die Vögel sich gar nicht bewegten. Und dann entdeckte ich ein gelbes Schild; genauso eins hatte ich auch neben der Statue von Charles Gordon gesehen. Auf dem Schild stand "Look Again".
"Look Again" ist ein Kunstfestival, dass genau in dieser Woche in Aberdeen stattfand. Die Menschen sollten ihre Stadt mit neuen Augen sehen und dafür wurden einige Statuen umdekoriert: Robert the Bruce mit Vögeln; William Wallace, in ein neongelbes und -orangenes Gewand gekleidet, das mich etwas an den Lollypopman (Schülerlotse) vor unserer Schule erinnert hat; Robert Burns in Wollsocken, mit Kopfhörern und einem Ball, der laut Info-Broschüre Merkur darstellen sollte usw. Charles Gordon trug Gewändern aus all den Ländern, die er bereist hat. Diese Entfremdung der Statue fand ich am besten, weil sie immer noch einen Bezug zu der Person, die die Statue zeigt, hat. William Wallace wird zwar auch als "Guardian of the Nation" bezeichnet, von daher passt meine Assoziation mit dem Lollypopman vielleicht noch, allerdings soll er wohl einen futuristischen Krieger darstellen.


Nachdem ich mir die Statuen angeguckt (und die Strecke in einer Zickzack-Strecke abgelaufen bin), war ich im Maritime Museum. Aberdeen ist eine Hafenstadt und durch das Erdöl in der Nordsee reich geworden. Natürlich spielt das Meer da eine wichtige Rolle. Das Museum geht über vier Etagen und in der Mitte steht das Modell einer Ölplattform, das durch ein Loch in alle Etagen reicht. Ansonsten deckt das Museum so ziemlich alles ab, was Schiffbau, Fischfang und Nordseeöl. Ich weiß jetzt, was der Unterschied zwischen einer oil rig und einer oil platform ist (erstere macht nur Probebohrungen und ist dementsprechend kleiner) und habe über das schlimmste Unglück auf einer Ölplattform (Sommer 1988) gelesen. Ich habe mir Fotos von kleinen Fischerbooten, großen Trawlern und Fischfabriken angesehen. Nachdem die Fischer aufgehört hatten, im Familienbetrieb zu fischen und auf die Trawler gewechselt hatten, waren sie oft wochenlang auf dem Schiff und ernährten sich dann größtenteils von Fisch - das wäre auch kein Job für mich. (Ach ja, die Trawler hatten dann auch schon die Möglichkeit, den Fang zu verarbeiten, sonst wäre das Ganze ja auch eine ziemlich ungesunde Angelegenheit geworden.) Außerdem habe ich Schiffbaupläne gesehen und gelernt, dass aber Modelle viel wichtiger waren. In den Werften wurde mit halben Modellen gearbeitet und den Kunden wurde ein ganzes Modell anstelle eines Plans gezeigt, damit sie sich das Ganze besser vorstellen konnten.
An den geschlossen Art Gallery hatte auf dem Schild gestanden, dass einige der Bilder, die eigentlich dort ausgestellt sein würden, im Maritime  Museum zu sehen seien. Ich weiß nicht, welche Bilder jetzt nicht dahin gehört haben, weil ziemlich viele Bilder etwas mit Fischen oder dem Meer zu tun hatten. Gut gefallen hat mir der Quilt mit einem Fischer und die Sonderausstellung (die vermutlich aus der Art Gallery kam) über Bilder mit Bällen: Tennis, Kristallkugeln und der Froschkönig. Lustige Zusammenstellung. 
Von der obersten Etage des Museums konnte ich auch schon die Fähre sehen. Danach war ich vor Aufregung und Vorfreude zu kaum noch etwas zu gebrauchen. Ein bisschen hat es mich beunruhigt, die Rettungsboote auf dem Deck zu sehen, allerdings habe ich mir im gleichen Moment gedacht, dass es doch gut ist, dass es sie gibt.
Mittlerweile war auch Marit in Aberdeen angekommen und wir haben uns getroffen, um zusammen etwas zu essen und dann zur Fähre zu gehen. So ein großes Schiff. Und es ist ein Wikinger drauf. Ich kann mich kaum noch an meine Überfahrt nach England in der neunten Klasse erinnern, deswegen hatte ich das Gefühl, nie auf einem größeren Schiff gewesen zu sein und es hat mich ein bisschen an die Titanic erinnert. Wir haben uns reclining seats am Fenster belegt und sind dann auf das oberste Deck gegangen, um die Abfahrt von dort mitzukriegen und einen letzten Blick auf Aberdeen zu werfen. Ich muss sagen, dass es bei Sonnenschein sehr viel schöner aussieht als bei Regen, allerdings würde ich die Stadt immer noch nicht als schön bezeichnet. Sie ist mir zu grau und sie erinnert mich damit zu sehr an das Setting einer Dystopie...
Nachdem wir den Hafen verlassen hatten, sind Marit und ich wieder zu unseren Plätzen zurück gegangen. Das Meer war recht ruhig, aber die Bewegungen des Schiffs waren ungewohnt und ich musste feststellen, dass ich tatsächlich seekrank werden kann. Es war nicht richtig schlimm, aber so unangenehm, dass ich weder lesen noch schreiben konnte und irgendwann Marits Rat gefolgt bin und mich auf den Boden gelegt habe. So ließ es sich erstaunlich gut aushalten und ich bin immer wieder weggedöst bis wir in Kirkwall ankamen.

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