Dienstag, 14. April 2015

Mit dem Rad in die Steinzeit (Orkney Tag 2)

Nachdem ich am ersten Tag Kirkwall ausführlich bewundert hatte, bin ich am zweiten Tag nach Stromness gefahren, die zweitgrößte Stadt auf Orkney. Mit dem Bus dauert das ungefähr eine halbe Stunde. Marit hatte mir vorgeschlagen, dass ich mir ein Rad in Stromness mieten und damit nach Skara Brae fahren könnte. Die Idee gefiel mir ganz gut. Besser als ständig auf irgendwelche Busse zu warten. 

Stromness Habour mit Blick auf die Stadt


Es hat etwas gedauert, bis ich gemerkt habe, dass da NICHT Harry Potter steht

Rein theoretisch sind die Orkney Islands ein ganz guter Ort zum Radfahren, weil sie relativ flach sind (übrigens gibt es auch kaum Bäume). Praktisch gibt es aber eine Sache, die das Radfahren deutlich erschweren: Es ist ziemlich windig. Ich hatte mir die Wettervorhersage angesehen; laut der sollte es etwas bewölkt mit ein paar Sonnenstrahlen werden und mit Wind zwischen 20 und 25 Meilen pro Stunde. Marit meinte, das sei gar nicht so stark. Sie habe auch schon mal 70 Meilen pro Stunde gehabt.
Nun ja, die angekündigte Windgeschwindigkeit reichte dann schon, um das Radeln zu einer Herausforderung zu machen. Der Wind war nämlich äußerst unkooperativ und kam immer von der falschen Seite (vorne oder halb vorne). Manchmal hat er mich fast auf die andere Fahrbahn gedrückt. Außerdem war es eine merkwürdige Erfahrung, dass die Nase lief aber der Wind den Schnodder wieder hochdrückte (sorry, wenn das etwas ekelig ist). Ansonsten klappte das mit dem Radfahren aber gut. Ich bin nur einmal aus Versehen auf der rechten Straßenseite gefahren - aber zum Glück auf einer Straße, auf der sonst nichts los war - aber abgesehen davon war der aktive Linksverkehr (als Fußgänger ist es ja recht egal, wo man lang läuft) nicht sonderlich verwirrend. Nur beim Rechtsabbiegen musste ich aufpassen. 
Die Orte, zu denen ich hin wollte, waren auch gut ausgeschildert. Aber manchmal waren die Schilder ein bisschen entmutigend ("Ich habe jetzt doch sicher schon die Hälfte der Strecke hinter mir." *Schild* "Wie? Immer noch vier Meilen?! Verdammt!"). Ab und zu bin ich auch einfach abgestiegen und habe geschoben.



Nach etwa einer Stunde kam ich in Skara Brae an. Laut Google Maps hätte ich nur eine halbe Stunde brauchen sollen, aber die hatten wohl Rückenwind. Skara Brae ist die am besten erhaltene neolithische Siedlung Europas. Sie ist älter als Stonehenge und die Cheops-Pyramide und wurde 1850 bei einem Sturm freigelegt. Man geht davon aus, dass von 3180 bis ca. 2500 vor Chr. Menschen in Skara Brae gelebt haben. Heute liegt die Siedlung direkt am Meer, aber zu dem Zeitpunkt der Besiedlung sah die Landschaft noch anders aus und die Küste war etwas weiter weg. Die Siedlung besteht auch acht Häusern, eins davon eine Werkstatt. Alle Häuser haben eine Feuerstelle in der Mitte, Bettrahmen (abgesehen von der Werkstatt), die früher mit Heide und Schaffellen gepolstert waren, und weiteren Möbeln aus Stein, wie einem Tisch und Regale. 




Ein Haus konnte man als Nachbau von innen besichtigen. Die Verantwortlichen haben sich viel Mühe gegeben, um das Ganze anschaulich zu gestalten und haben einen unechten Hummer und andere Lebensmittel auf den Tisch gelegt, um zu zeigen, was die Menschen damals gegessen haben. Sogar die eingeritzten Zeichen auf einem der Bettrahmen konnte man in der Nachbildung ansehen. Um diese Carvings zu schützen, wurde das entsprechende Haus in der Siedlung wieder mit einem Dach versehen. Zuerst hatte eine Glasplatte das Haus bedeckt, aber dadurch veränderte sich die Temperatur im Haus und die eingeritzten Zeichen begannen zu bröckeln - also das Gegenteil von dem, was man erreichen wollte. Deswegen befindet sich jetzt wieder ein Grasdach über diesem Haus.
In den Häusern hat man außerdem Steinbälle mit eingeritzten Mustern oder Runen gefunden. Allerdings weiß man nicht, wofür diese Bälle verwendet wurden oder war die Zeichen zu bedeuten haben. Kleine Klumpen Hämatit (rote Steine) lassen zudem vermuten, dass die Menschen in Skara Brae Kontakt mit Menschen auf Hoy, einer anderen Orkney Insel, hatten, weil Hämatit nur auf Hoy, aber nicht auf Mainland vorkommt.
Im Eintritt für Skara Brae war auch das Skaill House enthalten. Das ist ein Herrenhaus, dessen Besitzer Skara Brae entdeckt haben. Im Haus kann man Möbel und Habseligkeiten der Bewohner des Hauses bis ins 20. Jahrhundert sehen, u.a. das Geschirr von Captain Cooks Schiff.
Skaill House

Skaill Bay
Eigentlich wollte ich von Skara Brae nach Birsay weiterradeln. Diese Insel kann man bei Ebbe zu Fuß erreichen und muss sehr schön sein, denn sie ist mir von mehreren Leute empfohlen worden. Allerdings sagte Marit auch, dass es Glückssache sei, mit dem Bus dorthin zu kommen. Deswegen hielt ich es für eine gute Idee, auch dort mit dem Rad hinzufahren. Ich war etwas entmutigt, weil ich nach Skara Brae schon doppelt so lange  gebraucht hatte, wie gedacht und Birsay sollte nochmal eine Stunde entfernt sein - also zwei Stunden für mich. Aber entschlossen wie ich war, fragte ich den Mitarbeiter von Historic Scotland in Skara Brae nach dem Gezeitenplan für Birsay. Und stellte fest, dass der sichere Zeitraum, um trockenen Fußes nach Birsay zu kommen, in zwei Minuten enden würde. Der Mitarbeiter meinte dazu: "You could make it - if you are a strong swimmer." Ich kann schwimmen, aber ich bin ja nicht blöd. Also habe ich umgeplant.

Schon auf dem Weg nach Skara Brae hatte ich Schilder zum Ring of Brodgar gesehen und hatte überlegt, dahin zu fahren, aber eigentlich hatte ich das für den nächsten Tag geplant. Da ich jetzt aber überraschend Zeit hatte, habe ich mich dann doch entschieden, das nach vorne zu ziehen. Der Ring of Brodgar ist ein Steinkreis mit einem Durchmesser von etwas mehr als 100m und damit der drittgrößte auf den Britischen Inseln. Von den ursprünglich 60 Steinen haben 27 die Zeit überstanden. Im Gegensatz zu Stonehenge kann man zwischen den Steinen hindurch gehen und sie auch anfassen. Ich fand es faszinierend.
Welche Funktion der Steinkreis hatte, ist nicht ganz klar, aber man vermutet, dass er eine wichtige Rolle für zeremonielle Zwecke gespielt hat. Die Standing Stones of Stennes (ein weiterer Steinkreis) und das Grab Maeshowe befinden sich in der Nähe.


Die Rückfahrt nach Stromness war ziemlich anstrengend. Ich war müde und hatte kein großes Ziel mehr vor Augen. Außerdem beschloss der Wind weiterhin, mein Radfahren zu sabotieren. Ich musste mehrmals absteigen und schieben. Und kennt ihr die Frustration, wenn man bergab trampeln muss?
Völlig k.o. wieder in Stromness
In Stromness habe ich mein Rad abgegeben und hatte noch etwas Zeit, bevor ich den Bus zurück nach Kirkwall nehmen musste. Ich ging ins Pier Art Centre. Das meiste war moderne Kunst, mit der ich mich etwas schwer tue. Aber man hatte eine tolle Sicht auf den Hafen. Außerdem haben mich die Kommentare von Schulkindern über die Bilder, die auf den kleinen Schildern neben den Bildern standen, sehr amüsiert. Ein Mädchen sagte über ein überwiegend braun-graues Bild "a bit of it looks like a sock". Es gab auch einen Raum, in dem Bilder aus dem Kunstunterricht an Orkneys Schulen ausgestellt waren. Das fand ich eine sehr schöne Idee.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen