Samstag, 20. September 2014

George Square nach dem Referendum

Ich dachte eigentlich, mit dem letzten Post wären meine Beiträge über das Referendum abgeschlossen. Das soll hier ja nicht zum politischen Blog werden. Aber das Thema ist noch nicht ganz abgeschlossen. Natürlich gibt es politische Folgen, der First Minister von Schottland ist zurückgetreten und die Regierung in Westminster muss jetzt ihr Versprechen einlösen und Schottland weitere Freiheiten geben, die sie ihm im Falle eines No zugesichert hatten (und gleichzeitig beginnen die anderen Regierungen zu meckern, dass sie dann aber auch mehr Selbstbestimmung haben wollen - man denke mal an die armen Engländer, die nur durch die britische Regierung in Westminster vertreten sind und kein eigenes Parlament haben), aber das meine ich nicht. Gestern Nacht gab es auf dem George Square Auseinandersetzungen, bei denen Yes- und No-Anhänger aneinander geraten sind.
Ich habe davon nichts mitbekommen, denn zum Glück war ich gestern nicht in der Innenstadt unterwegs sondern im West End. Eine der Französinnen hat zwischendurch eine SMS bekommen, in der eine Bekannte ihr von Aufruhr am George Square erzählte, aber ich habe dem nicht so viel Beachtung geschenkt. Heute hat mich Denise besorgt gefragt, ob ich zu dem Zeitpunkt in der Innenstadt war. Nein, war ich nicht und als ich heute am George Square entlange gelaufen bin, war alles ruhig.
Aber ich habe ein bisschen im Internet nachgelesen und auch auf Twitter geguckt. Manche Bilder waren erschreckend. Auf Twitter habe ich vor allem Stellungnahmen von Yes-Wählern gelesen, die die Schuld auf die No-Voter geschoben haben, da die angefangen hätten (mit dem Union Jack auf den Haupttreffpunkt der Yes-Kampagne gezogen sind und "Rule Britannia" gesungen haben), und manche haben Fotos gepostet, wie Menschen mit Union Jack Menschen mit Saltire Cross angegriffen haben oder die No-Wähler den Hitlergruß gemacht haben. Diejenige, die für No gestimmt haben, haben auf Twitter überwiegend betont, dass sie nichts dafür können, dass ein paar bescheuerte Rechtsradikale ebenfalls für die Union gestimmt haben. Ich kann mir vorstellen - auch wenn ich nicht dabei war - dass das Zitat eines Mannes in diesem Artikel es ganz gut trifft: Die Leute, die Randale machen wollen, freuen sich über jeden Anlass und haben sich das Referendum zu Nutzen gemacht. Wenn es rein um die Unabhängigkeit gegangen wäre, wäre es, meiner Meinung nach, schon in den frühen Morgenstunden vom 19. zu Gewalt gekommen, als das Ergebnis mehr oder weniger feststand und nicht erst 12 Stunden danach.
Zu den Liedern, die in dem verlinkten Artikel erwähnt werden: "Flower of Scotland" ist eine der inoffiziellen schottischen Nationalhymnen und handelt davon, wie William Wallace und Robert the Bruce im 14. Jahrhundert den englischen König Edward bei Bannockburn besiegt haben. Es ist schon ziemlich nationalistisch und drückt den Wunsch aus, die Engländer wieder "nach Hause" zu schicken, wie es die Nationalhelden getan haben. "Rule Britannia" ist vermutlich dadurch in Deutschland auch recht bekannt, dass es immer bei der Last Night of the Proms gespielt wird (die war übrigens auch kurz vor dem Referendum und den Musikern war gesagt worden, sie sollten nicht über das Referendum sprechen, damit niemand den Proms vorwerfen könnte, parteiisch zu sein). Auch dieses Lied ist nationalistisch, diesmal aber auf Britannien/ England zugeschnitten, weil es die Seemacht Großbritanniens preis ("Britannia, rule the waves!/ Britons never shall be slaves" - Noch Fragen?). Klar, dass beide Lieder die jeweils andere Gruppe provoziert haben. Im Grunde mag ich aber sowohl "Flower of Scotland" als auch "Rule Britannia", auch wenn man die Texte mit etwas Abstand betrachten sollte. Wenn man die Lieder mit der Absicht singt, mit dem Text genau das auszudrücken, was er aussagt, dann wird es kritisch.

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