Sonntag, 14. September 2014

Wo die wilden Kerle spielen

Die Fußball-WM habe ich - bis auf ein Spiel - nicht verfolgt. Auch während des Spiels Deutschland-Schottland vor ein paar Tagen habe ich lieber mit meiner Mitbewohnerin gequatscht als überhaupt erst in Erwägung zu ziehen, es mir anzusehen. Allerdings habe ich mir das Ergebnis hinterher angeguckt. Nur für den Fall, dass Schottland gewinnt und die Schüler mir das am nächsten Tag unter die Nase reiben wollten (was dann bekannterweise nicht der Fall war). Gestern habe ich mir dann aber tatsächlich eine Sportveranstaltung freiwillig angesehen und bin dafür auch noch früh aufgestanden! Ich war in Pitlochry bei den Highland Games.
Die Highland Games sind Sportwettbewerbe, die traditionelle schottische Sportarten wie Tossing The Caber (Baumstammwerfen), Putting the Ston (Steinestoßen) oder Tug O' War (Tauziehen) miteinbeziehen und gefühlt in jedem Highland Städtchen Schottlands zwischen Mai und September stattfinden. Ursprünglich wurden sie bei Versammlungen der Clans ausgetragen, um den mutigsten, stärksten, besten, was auch immer Krieger zu küren. Als Sportmittel nahmen sie dann eben das war das war: Steine und Baumstämme. Mittlerweile sind aber auch andere Sportarten dabei. In Pitlochry wurde noch Radgefahren, gelaufen und sowohl Weit- als auch Hochsprung gemacht. Auch Dudelsackmusik gehört zu den Highland Games. Es wird der beste Piper gekürt.

Meine Mitbewohnerin hatte mir von den Spielen erzählt und wollte da gerne hinfahren. Die Spiele in Pitlochry waren die vorletzten in diesem Jahr, am 20.9. sind nochmal welche, aber danach finden erst wieder welche im Mai statt. Deswegen wollte meine Mitbewohnerin auch gerne jetzt zu den Spielen. Ich fand die Idee gut und wollte gerne mit. Dann hat sich meine Mitbewohnerin aber spontan entschieden, doch nicht nach Pitlochry zu fahren. Ich habe beschlossen, dass das ja kein Grund sein muss, dass ich nicht dahin fahren muss und habe Annabel gefragt, ob sie nicht mitkommen möchte und sie hat zugesagt.
Unser Bus von Glasgow aus fuhr morgens um halb acht los - viel zu früh für unseren Geschmack. Etwa zwei Stunden später waren wir am Ziel. Pitlochry ist eine kleine Stadt am Fuße der Highlands. Mir war die Stadt direkt sympathisch. Ich würde zwar eher nicht leben wollen, aber sie ist sehr niedlich. Kleine Häuse, enge Straßen und was ich ganz toll fand, kleine Fähnchen an den Häusern. Ein bisschen wie im Bilderbuch. Im Hintergrund erheben sich die Highlands und auch ein Loch fehlt nicht.

Da es bis zum Referendum nicht mehr weit ist, wurde auch in Pitlochry fleißig Werbung gemacht und auch hier scheint die Bevölkerung die Unabhängigkeit zu favorisieren. Der Stand der Yes-Fraktion war mindestens doppelt so groß wie der von No und die Leute haben sich richtig ins Zeug gelegt: Es gab selbstgebackenen Kuchen und ein gebasteltes Yes, auf denen die Leute unterschreiben konnten. Als Annabel und ich an ihnen vorbei gingen, kam eine Frau auf uns zu und sagte: "Girls, you can't go without a yes-pin!" und machte uns einen an die Jacken. Sie brachte das so charmant rüber, dass ich mich nicht gewehrt habe. Wir haben ihr danach abter trotzdem gesagt, dass wir nicht schottisch sind. Das fand sie aber gar nicht schlimm und wir durften die Anstecker behalten. Am No-Stand gab es übrigens nur Aufkleber und keine Anstecker.

Die Spiele fanden auf einer riesigen Wiese statt, die aber offenbar für sportliche Zwecke gedacht ist, weil eine Arena abgesteckt ist und es an einer Seite Tribünen gibt. Annabel und ich kamen gerade rechtzeitig zum Einmarsch der Dudelsackspielgruppen. Schüler- und Erwachsenengruppen - es war eine bunte Mischung und alle in bestimmte Tartans gekleidet. Jedes Mal, wenn eine Dudelsackgruppe zum Vorspielen auftrat, nannt der Kommentator neben ihrem Namen auch die Art des Tartan, den sie trugen. Mit der Zeit ging mir die Dudelsackmsuik aber auf die Nerven, zumal bei dem Wettbewerb immer das gleiche Lied gespielt wurde.

Trotzdem hat mir die Atmosphäre gut gefallen. Um die Arena herum gab es Stände von örtlichen Organisationen wie den Pfadpfindern oder dem Förderverein der Schule, die Getränke oder Lose verkauften. Es gab auch Stände mit Souveniers bzw. schottischen Produkten. Dazu strahlte die Sonne so, dass es schon fast zuviel war und ich sehr darüber war, dass Annabel an Sonnencreme gedacht hatte. Die "Heavy Events", die traditionellen Sportarten der Games fand ich auch interessant anzusehen. Gut, das Tug o' War, das Tauziehen war eher unspektakulär: Die Männer standen, die Füße in den Boden gerammt, still und hielten das Seil fest, bestimmt zehn Minuten lang passierte nichts und man vergaß, dass da ein Wettbewerb stattfand und sah stattdessen beim Baumstammwerfen oder Staffellauf zu und dann aufeinmal hörte man ein Stöhnen, der Moderator rief etwas, aber wenn man hinguckte, war schon wieder nichts mehr. Das ging dann eine halbe bis dreiviertel Stunde lange so und dann hatte auf mysteriöse Weise, eine der Mannschaften das Seil zu sich rüber gezogen. 
Beim Baumstammwerfen gab es wesentlich mehr zu sehen: Die Männer hoben den Baumstamm hoch und hielten ihn senkrecht, rannten dann damit los und schleuderten ihn dann in die Luft. Beim Hammerwerfen drehten die Sportler sich um die eigene Achse, um Schwung zu holen und der Kilt wehte sehr schön um sie herum. Und bevor jetzt einer fragt: Ja, ich habe gesehen, was sie darunter trugen und nein, es war nichts nichts sondern eine Boxershorts. ;-) Die Heavy Events wurden allesamt nur von Männern absolviert. Bei den Dudelsackgruppen waren dann auch Frauen und Mädchen dabei und Tanzgruppen waren dann fast ausschließlich weiblich. 

Tossing the Caber
In meinem Programmheft wurden die einzelnen Tänze erklärt. Die Anekdoten zu ihrer Entstehung sind sehr nett. Ein Tanz erzählt die Geschichte eines Mannes, der wütend ist, weil die Wäscherin seine Hose hat einlaufen lassen. Von einem anderen wird erzählt, dass die Mitglieder einer Kirchengemeinde ihn erfunden haben, als sie im Schnee frierend auf ihren Pfarrer warteten, der zu spät kam, und sie sich irgendwie warm halten mussten.
Die nicht-traditionellen Sportarten waren für mich weniger interessant. Süß fand ich allerdings die offenen Wettrennen für Kinder. Bei einem Rennen für Mädchen bis 10 Jahre nahmen auch zwei Kinder teil, die vielleicht drei Jahre alt waren. Damit es fair blieb, wurden die Kinder dem Alter nach aufgestellt und die Dreijährigen kamen nach ganz vorne. Der Vater machte der Kleinen vor, dass sie laufen solle und sie begann sofort zu laufen - bevor der Startschuss gefallen war und musste erst mal gestoppt werden. Es war schön zu sehen, wie begeistert alle waren, ein Teil der Spiele zu sein.

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